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Gefährliche Medikamente

Nicht wenige Mediziner verschreiben selbst dann ein bestimmtes Medikament, wenn sie von einer allergischen Reaktion wissen. Auch Patienten sind nicht ganz unschuldig an der Situation. Sie verschweigen bekannte Unverträglichkeiten oder sie haben's einfach vergessen.

Von Michael Engel | 01.03.2011
    25 bis 50 Prozent der Arzneimittelunverträglichkeiten zeigen sich in Form von Allergien, die jede erneute Gabe des betreffenden Medikamentes für immer verbieten. Nicola Richter hat es vor wenigen Tagen erwischt:

    "Also, ich hatte eine Nasennebenhöhlenentzündung, und dann habe ich vom Arzt Penicillin bekommen. Und später habe ich rote, runde Flecken an den Oberarmen bekommen, aber auch am Hals und ich konnte sehr schlecht atmen."

    Beim ersten Mal können Tage, mitunter Wochen vergehen, bis die allergische Reaktion sichtbar wird. Bei wiederholter Einnahme vergehen dagegen manchmal nur Minuten. Prof. Thomas Fuchs von der Universitätsmedizin Göttingen:

    "Allergische Reaktionen auf Medikamente spielen sich in 80 Prozent der Fälle an der Haut ab. Von kleinen Knötchen über Flecken. Die kann man am Oberkörper sehen, man kann sie am ganzen Körper sehen. Im Extremfall kann eine solche Reaktion auf Medikamente zu schweren allergischen Schock und damit auch zu Tod führen."

    Meist sind es Antibiotika, aber auch Schmerzmittel, die recht häufig allergische Reaktionen auslösen. Eine Studie der Göttinger Hautklinik stellte nun fest, dass jeder dritte Patient einige Jahre nach der Diagnose einer Arzneimittelunverträglichkeit erneut das kritische Präparat bekommt. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.

    "Interessant war, dass ein Teil der Patienten offenbar ganz einfach vergessen hat, was ihr damaliges Problem gewesen ist. Ein anderer Teil glaubte dem ganzen nicht mehr und hat dann gedacht, so es ist jetzt mal an Zeit – sechs, acht Jahre später – das mal selber auszuprobieren, was natürlich schief ging. Und ein dritter Teil dieser Patienten ist an Ärzte geraten, die diese Befunde entweder nicht kannten oder nicht zur Kenntnis nehmen wollten, die diesen Patienten genau die Medikamente wiederum verschrieben haben, die sie damals nicht vertragen haben."

    Wer einmal allergisch auf einen bestimmten Wirkstoff reagiert hat, bleibt ein Leben lang empfindlich. Deshalb rät Prof. Fuchs zu einem Allergiepass, in dem das alles drinsteht.

    "Dieser Pass sollte bei einem Arzt, aber auch bei einem Apotheker und natürlich auch bei einem Zahnarzt vorgelegt werden. Und spätestens dann, wenn da irgendwas nicht so ganz klar ist, dann sollten diese Ärzte oder auch Apotheker mit der ausstellenden Institution Kontakt aufnehmen und die Situation erörtern."

    Im Idealfall stehen im Allergiepass auch Wirkstoffe, auf die ausgewichen werden kann. Für Ärzte und Apotheker sind das wichtige Hinweise. Menschen mit einer bekannten Arzneimittelallergie sollten den behandelnden Mediziner immer informieren, dass nicht alle Präparate gut vertragen werden. Den Allergiepass gibt es in jeder Hautklinik oder beim niedergelassenen Allergologen.

    "Dieser Pass ist zwar kein offizielles Dokument. Er ist nicht allgemein anerkannt, aber es ist ein Dokument, was lebensrettend sein kann. Und es ist geradezu gruselig zu erfahren, dass eben gerade dieser Pass bzw. unsere Aussage eher ignoriert wird oder aber nicht in dem Ausmaße zur Kenntnis genommen wird, wie es für den Patienten eigentlich gut wäre."