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Gefährliche Skandale

Beim Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen (NRW) liefern sich die Spitzenkandidaten von CDU und SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und dann das - die CDU sorgt für Schlagzeilen wegen einer Spende. Der Verdacht besteht, dass die CDU gegen das Parteiengesetz verstoßen haben könnte.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Zuneigung und Harmonie - so klingt es im aktuellen Wahlkampfsong der nordrhein-westfälischen CDU. Doch an Rhein und Ruhr ist von solchen Nettigkeiten, von Liebe gar, derzeit wenig zu spüren.

    "Weil sie täuschen wollen, weil sie keine Konzepte haben, weil sie keine krisenerprobte Kompetenz haben."

    Der Ministerpräsident über die SPD. Dabei ist es seine eigene Partei, die CDU, deren Krisenkompetenz seit Wochen ständig infrage steht. Aktuell geht es wieder einmal um dubiose Spenden im Umfeld der CDU.

    Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Autozulieferer Hella aus Lippstadt im Jahr 2005 10.000 Euro an eine CDU-nahe Wählerinitiative überwiesen hat. Damals, kurz vor der Landtagswahl, wollte Hella finanzielle Schützenhilfe leisten, um nach 39 Jahren SPD-Herrschaft den Machtwechsel zwischen Rhein und Weser herbeizuführen.

    Allerdings konnte das Grüppchen von Rüttgersfreunden, das sich in der Wählerinitiative zusammengeschlossen hatte, dem Autozulieferer keine Spendenquittung ausstellen, weil sie weder als politische Partei noch als Verein deklariert war. Also verbuchte das Unternehmen die Summe als Betriebsaufwand - und konnte die Spende damit doch noch beim Finanzamt absetzen.

    Das Pikante an der Sache ist: Mitarbeiter von Jürgen Rüttgers haben von diesem illegalen Schachzug offenbar gewusst, wie aus einer jetzt veröffentlichten E-Mail hervorgeht. Darin schreibt der Leiter der Wählerinitiative und frühere Bertelsmann-Manager, Tim Arnold, am 31. Mai 2005, also kurz nach der für die CDU erfolgreichen Wahl:

    In einem Gespräch mit der Steuerabteilung von Hella ist es mir heute gelungen, eine Einigung zu erzielen. Sie verbuchen den Betrag nun als Kosten und nicht als Spende.

    Die Antwort aus der Staatskanzlei, mittlerweile in Händen der Union, kommt prompt:

    Lieber Herr Arnold, super - vielen Dank! Gruß, Boris Berger

    Schon wieder Boris Berger. Der frühere Leiter der Abteilung Regierungsplanung in der Düsseldorfer Staatskanzlei ist ein Intimus von Jürgen Rüttgers. Im März war der Hauptmann der Reserve, der sich selbst im Zivilleben immer an der Front sieht, aus dem Zentrum der Macht in die Parteizentrale der CDU abgeschoben worden. Irgendjemand hatte der Presse eine E-Mail gesteckt, in der Berger im Kasernenhofton über die Spitzenkandidatin der SPD, Hannelore Kraft, hergezogen war.

    Das geschieht der Alten recht. Immer auf die Omme.

    Zusätzlich zur Degradierung musste Berger auch noch zu Kreuze kriechen. Handschriftlich entschuldigte er sich bei der Oppositionsführerin.

    Und damit nicht genug: Fast zur selben Zeit musste CDU-Landeschef Rüttgers auch noch einen neuen Generalsekretär für die Partei suchen. Amtsinhaber Hendrik Wüst, kaum weniger ruppig im Umgang mit Andersdenkenden als Reservehauptgang Berger, wurde in die Wüste geschickt. Er hatte seinem Boss die Affäre eingebrockt, die unter dem Namen "Rent a Rüttgers" landesweit bekannt wurde. Unternehmen waren gegen Geld Gespräche mit dem Ministerpräsidenten angeboten worden. Ein Maulwurf in den eigenen Reihen, der die Presse mit internen Informationen versorgt, Affären und Personalwechsel, das alles begleitet von durchaus miserablen Umfragewerten.

    Gut zwei Wochen vor der Wahl stehen Rüttgers und seine Partei mit dem Rücken an der Wand. Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth, der früher selbst für die CDU im Bundestag saß, sieht vor allem einen dafür in der Verantwortung.

    "Die Fähigkeit von Jürgen Rüttgers, sich die richtigen Mitarbeiter auszusuchen, scheint mir eher unterentwickelt zu sein. Sicher ist einiges falsch gemacht worden. Auf jeden Fall hätte ein sensibler Generalsekretär so etwas verhindern müssen, insofern war der Rücktritt von ihm dann auch berechtigt."

    Als neuer Generalsekretär spielt nun Andreas Krautscheid den Feuerwehrmann. Der frühere Europaminister gilt als gewiefter Stratege und bemüht sich dieser Tage um Schadensbegrenzung. Von einer verdeckten Parteispende könne keine Rede sein. Die Wählerinitiative, die Geld von der Firma Hella und anderen Spendern einsammelte, habe nichts mit der CDU zu tun, sagt Krautscheid. Und erklärt dann:

    "Die Leute, die bei der Wählerinitiative mitgemacht haben, wollten natürlich der CDU im Wahlkampf helfen, indem sie bei Bürgerinnen und Bürgern dafür geworben haben, sich für einen Regierungswechsel zu engagieren. Die CDU hat sozusagen politisch davon profitiert, aber es hat keinerlei Finanzverbindungen zwischen der Wählerinitiative und der CDU gegeben."

    Was auch nie jemand behauptet hatte. Allerdings: Etliche Details sprechen durchaus für enge Verbindungen zur CDU. Tim Arnold, der Chef der Wählerinitiative, leitet heute die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Berlin. Und beim Autozulieferer Hella heißt es, man sei damals fest davon ausgegangen, es mit einer CDU-Organisation zu tun zu haben. Um nicht weiter in die jüngste Affäre hineingezogen zu werden, hat Hella seine Steuererklärung beim Finanzamt diese Woche im Eilverfahren rückwirkend korrigiert. Nun soll es sich bei der Spende doch nicht mehr um abzugsfähige Betriebsausgaben gehandelt haben.

    Wie etliche andere Skandale und Skandälchen erblickte auch die jüngste Rüttgerspanne das Licht der Welt in einem Internetblog. "Wir in NRW" - so heißt er. Dort schreiben und polemisieren sechs Autoren gegen die Landespolitik. Und zwar speziell ganz überwiegend gegen die CDU. Die Netzschreiber sind jedoch in die Kritik geraten, weil sie sich tarnen. Theobald Tiger oder Kaspar Hauser nennen sie sich - so wie früher Kurt Tucholsky. Nur einer der Autoren steht mit seinem Klarnamen gerade für das, was er da schreibt. Alfons Pieper, früher stellvertretender Chefredakteur der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", als die noch stramm auf SPD-Kurs war.

    Heute haben bei der großen Regionalzeitung konservative Blattmacher das Sagen, und Pieper reibt sich erkennbar an ihnen wund. Trotzdem beteuert er, sein Blog sei politisch nicht einäugig.

    "Die CDU ist die größte Regierungspartei, sie stellt den Ministerpräsidenten. Das müssen Sie sich schon gefallen lassen, dass wir stärker darauf ein Augenmerk werfen, und ich verspreche Ihnen und auch der SPD, wenn wir entsprechende Dokumente aus der Partei bekommen oder hätten, werden wir sie veröffentlichen. Da gibt es keine Rücksicht."

    Was im Fall der Fälle aber erst noch zu beweisen wäre. Seit Wochen füttern Pieper und seine Bloggesellen die Leserschaft immer wieder mit vertraulichen Dokumenten der CDU. Die Partei hat in ihrer Verzweiflung schon die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Sie möchte sich gern als Opfer eines hinterhältigen E-Mail-Diebs präsentieren. Die pikanten Mitteilungen sind häufig bereits mehrere Jahre alt, das mindert aber nicht ihre Sprengkraft mitten im Wahlkampf. Schließlich liefern sie ein spektakuläres Sittengemälde aus der vom selbst ernannten Arbeiterführer geleiteten Staatskanzlei. Auch die Sponsorenaffäre kam durch dieses Leck ans Licht.

    Derweil wuchern in der CDU das Misstrauen und die Angst vor weiteren Enthüllungen. Seit Wochen hat die schwarz-gelbe Koalition in den Umfragen keine Mehrheit mehr. Jürgen Rüttgers, der stets penibel an seinem Image als korrekter Landesvater gedrechselt hat, schadet die Sponsorenaffäre mehr als der monatelange Koalitionskrach in Berlin. Und in der Öffentlichkeit klingt er zuweilen schon recht wehleidig.

    "Das bleibt auch nicht einfach im Anzug stecken. Viele Leute kommen und sagen, was siehst du schmal aus. Das geht einem natürlich unter die Haut."

    Frustration bei Rüttgers, Ernüchterung beim Wähler - das ist das Fazit, das Politikwissenschaftler Gerd Langguth zieht.

    "Ich denke, dass es so keine richtige Wahlkampfstimmung gibt, es gibt so keine richtig polarisierende Situation. Deswegen ist ja gerade die Sponsoringaffäre so ein großes Problem für Rüttgers geworden, denn darüber kann jeder mitdiskutieren. Das ist ja das wirklich Erstaunliche: Die Landespolitik findet im Gegensatz zur Bundespolitik eigentlich kaum im Bewusstsein der Normalbürger statt, und deswegen ist diese Sponsoringaffäre ein Schlag ins Kontor der CDU."