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Gefährliche Tiefe

Medizin.- Taucht ein Taucher aus größerer Tiefe auf, perlt der im Wasser gelöste Stickstoff in seinem Blut aus wie Blasen in einem Sektglas. Das kann Gelenkschmerzen oder gar Lähmungen verursachen. Forscher wollen die Gefahr Taucherkrankheit nun weiter bannen.

Von Brigitte Osterath |
    "Okay, Klaudia, wie ist die Verständigung?

    "Die ist sehr gut."

    "Die Uhren, die drin sind, das ist so gewollt, keine Autoschlüssel, nix dabei?"

    "Nein"

    "Baumwollkleidung"

    "Ja, Jawohl!"

    "Da bin ich soweit."

    "Dann schließen wir die Tür. Gute Fahrt!"

    In der Unfallklinik in Murnau am Staffelsee bereiten sich vier Sporttaucher darauf vor, abzutauchen - allerdings nicht wie sonst üblich im Wasser.

    Stattdessen setzt Andreas Kanstinger die Taucher in einer Druckkammer unter hohen Druck:

    "Wir haben jetzt die Kammer auf Druck gefahren, die ist jetzt auf vier Bar Überdruck, das entspricht 40 Meter Wassertiefe."

    Andreas Kanstinger ist technischer Leiter des Druckkammerzentrums in Murnau. Die vier Taucher nehmen als Probanden an einer Studie teil: Tauchmediziner wollen hier ein neues Tauchprofil mit dem bisher üblichen vergleichen.

    Normalerweise taucht ein Taucher die tiefste Stelle an und kehrt von da langsam stufenweise wieder zur Wasseroberfläche zurück. Bei dieser Druckkammerfahrt tauchen die Taucher allerdings während des Auftauchens auch immer wieder einige Meter erneut ab, sprich Andreas Kanstinger erhöht den Druck mehrmals während des Auftauchens. Das widerspricht allen bisherigen Regeln.

    "In der Tauchschule lernt man immer noch, dass Jojo-Profile schlecht sind, also das Wiederabtauchen während der Auftauchphase, dass man das nicht machen soll, und jetzt provozieren wir ja gerade eins."

    Will sagen: Die Forscher simulieren in der Druckkammer einen Tauchgang mit Auftauchphasen, die der gängigen Lehrmeinung widersprechen. So wollen sie Anhaltspunkte dafür finden, warum es immer wieder zu Tauchunfällen kommt, obwohl sich die Taucher genau an die Regeln gehalten haben.

    "Das Problem aber bei Dekompressionsunfällen sind die Blasen, das wissen wir: keine Blasen, kein Ärger",

    sagt Mediziner Holger Schöppenthau, einer der Leiter der Murnauer Studie.

    Gasbläschen im venösen Blut sind an sich unbedenklich, da sie über die Lunge abgeatmet werden können. Über Kurzschlussmechanismen in der Lunge oder im Herzen können sie aber in den arteriellen Kreislauf gelangen – und dann wird es gefährlich! Die Blasen können sich beispielsweise im Gehirn festsetzen und dort Lähmungen verursachen. Tauchgänge, bei denen sich weniger Stickstoffblasen bilden, sind also sicherer. Daher versuchen Tauchmediziner Tauchprofile zu finden, die möglichst wenig Blasen im Taucher hervorrufen. Beispielsweise hat eine Studie des Divers Alert Network gezeigt: Ein einziger zusätzlicher Stopp auf halber Tauchtiefe - der sogenannte Tiefenstopp - verringert das Risiko für eine Dekompressionskrankheit auf ein Viertel.

    Drei Stunden hat die Druckkammerfahrt in Murnau insgesamt gedauert. Dann untersucht der Kardiologe Thomas Ludwig die rechte Herzkammer der Probanden mit Ultraschall im Dopplerverfahren. Er sieht dann auf einem Monitor, wie viele Blasen sich gebildet haben. Das Gerät wandelt die Messsignale außerdem in akustische Laute um. Blasen im Blut kann man daher auch hören:

    "Das ist normales Strömungsgeräusch, aber das war jetzt gerade beispielsweise eben so ein typisches Blasengeräusch.""

    Bei Tierversuchen in Norwegen hat das Jojo-Profil in Schweinen deutlich weniger Blasen hervorgerufen als das konventionelle Tauchprofil. Auch die physikalischen Gesetze geben vor, dass das neue Profil sicherer sein sollte. Doch wird sich das in der Studie auch bestätigen?

    Der nächste Proband ist jetzt an der Reihe, Thomas Ludwig zeigt auf den Monitor.

    "Also hier sieht man richtig gut im rechten Herz diese kleinen Bläschen."

    "Hier, diese ganzen Punkte, ja, diese ganze weiße Fläche, das sind alles dokumentierte Bläschen. Das sind relativ viele."

    Die vier Probanden von heute sind die ersten, die bereits beide Tauchprofile, das neue und das konventionelle, in der Druckkammer ausprobiert haben. Insgesamt wollen die Murnauer Forscher 30 Taucher untersuchen. Sie hoffen, in einigen Monaten die Druckkammerversuche abgeschlossen zu haben. Dann geht es ans Auswerten. Frühestens im Sommer ist mit Ergebnissen zu rechnen.