In den engen Gassen des Flüchtlingslagers Beddawi drängen sich die Menschen. Eigentlich leben hier rund 17.000 palästinensische Flüchtlinge, doch in den letzten Wochen hat sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt. In Schulen, Moscheen, Gemeinschaftszentren und Privatwohnungen sind Menschen untergebracht, die aus dem benachbarten Lager Nahr al-Bared vor den Schießereien zwischen Armee und der Extremistengruppe Fatah al-Islam geflohen sind. Der 33-jährige Ashraf Abu Khorj ist einer von ihnen.
Im Hof einer zum Flüchtlingsheim umfunktionierten Schule erzählt der Sportlehrer, wie alles begann:
"Wir sind um vier Uhr morgens von den Kämpfen aufgewacht; erstmal sind alle in den Häusern geblieben. Und als wir geflohen sind, haben wir nichts mitgenommen."
Die Mitglieder von Fatah al Islam seien auf die Konfrontation mit der Armee vorbereitet gewesen, da ist sich Ashraf sicher. Rund 200 Kämpfern sollen Nahr al-Bared zu ihrem Hauptquartier gemacht haben
"Wir kennen sie nicht, sie kommen aus anderen Ländern. In Nahr al-Bared leben rund 40 000 Menschen auf einem Quadratkilometer, wir kennen uns alle und sind irgendwie verwandt - daher bemerken wir alle Fremden. Die kommen alle von außerhalb, nicht einmal aus dem Libanon."
Tatsächlich sind nach Armeeangaben unter den verwundeten und getöteten Fatah al-Islam-Kämpfern wenige Palästinenser und Libanesen als Syrer, Yemeniten und Saudis. Und trotzdem nahm Fatah al-Islam unter Palästinensern ihren Anfang - und zwar gerade im Lager Beddawi, in dem jetzt die Bewohner von Nahr al-Bared Schutz vor den Extremisten suchen.
In einer engen Gasse hängen Bilder des ersten Opfers von Fatah al-Islam: Maher Abdelhadi, Mitglied der palästinensischen Sicherheitskräfte in Beddawi. Er wurde im November 2006 bei einem Schusswechsel mit palästinensischen Extremisten getötet. Damals gehörten diese noch der 1983 entstandenen säkularen Bewegung Fatah al-Intifada an. Deren Verantwortlicher für den Nordlibanon, Abu Jasr Khalil Dib, sitzt keine 50 Meter weiter in seinem Büro und erklärt:
"Sie waren früher Teil unserer Organisation, aber es gab nur Kontakt mit einer Person. Es war verboten, mit ihnen zu tun zu haben, sie hatten ihre eigene Ordnung innerhalb der Organisation. Es hieß, sie bildeten Zellen, die nach Palästina gehen würden und eine besondere Ausbildung erhielten."
Erst nach der Schießerei mit den Sicherheitskräften im vergangenen November distanzierten sich die Anhänger von Fatah al-Intifada von diesen Unbekannten, die sich immer religiöser und radikaler zeigten. Sie vertrieben sie aus Beddawi - die Kämpfer flüchteten ins nächste Lager, Nahr al-Bared, und erklärten dort zwei Tage später die Gründung ihrer eigenen Organisation, Fatah al-Islam. Dabei eigneten sie sich gleich die Büros und Waffen von Fatah al-Intifada an.
"Fatah al-Islam ist heute eine Mischung aus religiösen Strömungen, die sich auf ein Ziel geeinigt haben, aber unterschiedliche religiöse Auslegungen vertreten. Der Feind sind für sie Amerika und die Juden. Libanesische Parteien wollten sie im internen Konflikt benutzen und haben sie finanziert."
Zeitungsberichten zufolge soll Saad Hariri, der Anführer der Parlamentsmehrheit, die sunnitischen Islamisten großzügig finanziert haben, um eine Gegenmiliz zur schiitischen Hisbollah aufzubauen. Zu diesen Vorwürfen will sich Abu Jasr lieber nicht äußern; genauso wenig dazu, ob Syrien sie unterstützt, um den Libanon zu destabilisieren. Aber eins steht für ihn fest: hätten die libanesischen Sicherheitskräfte stärker durchgegriffen, wäre Fatah al-Islam nie so stark geworden. Jetzt bleibt den verschiedenen palästinensischen Gruppen nur, den Kampf der libanesischen Armee zu unterstützen. Das tut der höchste Vertreter der PLO im Libanon, Abbas Zaki, mit allem Nachdruck.
"Das ist eine gemeinsame Pflicht. Der Krieg gegen den Terrorismus ist Aufgabe jedes Menschen. Wir als Palästinenser wurden angegriffen, das Lager und seine Bewohner stehen unter unserem Schutz. Weil wir gegen den Terrorismus sind und uns um unsere Lager kümmern, setzen wir uns dafür ein, diese Elemente zu vertreiben."
So kommt es zu einer ungewohnten Einheit zwischen libanesischen und palästinensischen Politikern. 1975 waren die bewaffneten Aktionen der im Libanon angesiedelten palästinensischen Organisationen gegen Israel einer der Auslöser für den Bürgerkrieg, seither waren die Beziehungen immer angespannt. Bis heute sind den rund 400 000 Palästinensern im Libanon der Zugang zu bestimmten Berufen und Immobilienbesitz verboten. Doch nun spricht auch Libanons Premierminister Fuad Siniora in anderen Tönen über die oft so ungeliebten Gäste:
"Es wird keinen Konflikt und keine Uneinigkeit zwischen Libanesen und Palästinesern geben. Wir sind sehr um die liebevollen brüderlichen Beziehungen bemüht, die das libanesische und das palästinensische Volk verbinden; ebenso wie um die Sicherheit der Palästinenser, für die die libanesische Staatsmacht verantwortlich sein muss."
Neben den Solidaritätsbekundungen braucht es jedoch dringend konkrete Schritte, um den Flüchtlingen aus Nahr al-Bared zu helfen. Dass die allermeisten von ihnen bei ihren palästinensischen Geschwistern Zuflucht gesucht haben und nicht in der nahegelegenen Großstadt Tripoli, liegt nicht zuletzt an ihrer Angst vor Übergriffen. Denn einige Libanesen geben den Palästinensern insgesamt die Schuld an den Kämpfen, ein Bus voller Flüchtlinge wurde bereits angeschossen. Dennoch können nicht alle im Lager Beddawi bleiben, das weiß auch Abbas Zaki von der PLO:
"Wir suchen nach verschiedenen Lösungen, um den Druck zu mindern und die Menschenmasse zu verteilen. Ein Bürgermeister hat angeboten, 3000 Menschen aus Beddawi vorerst bei sich anzusiedeln, das wird vielleicht noch ein anderer tun. Wir versuchen, eine gute Atmosphäre zu schaffen, damit Palästinenser und Libanesen zusammen leben können, und eine Brücke der Liebe zwischen ihnen zu bauen - so Gott will."
Bis die Bewohner von Nahr al-Bared in ihre Häuser zurückkehren können, wird es noch eine Weile dauern - zuviel wurde durch die schweren Kämpfe zerstört. Manche glauben sogar, sie könnten nie zurück und würden eher in anderen Ländern angesiedelt. Doch ein alter Mann unter den Flüchtlingen im Schulhof von Beddawi stellt ungefragt klar, in welche Richtung er ziehen will:
"Nach Kanada - nein, in mein Dorf Safuri in Palästina - ja. Nach Nahr al-Bared - nein. Wir gehen nur übergangsweise nach Nahr al-Bared zurück, bis unser Gott uns nach Palästina, nach Safuri zurück bringt. Etwas anderes geht nicht."
Im Hof einer zum Flüchtlingsheim umfunktionierten Schule erzählt der Sportlehrer, wie alles begann:
"Wir sind um vier Uhr morgens von den Kämpfen aufgewacht; erstmal sind alle in den Häusern geblieben. Und als wir geflohen sind, haben wir nichts mitgenommen."
Die Mitglieder von Fatah al Islam seien auf die Konfrontation mit der Armee vorbereitet gewesen, da ist sich Ashraf sicher. Rund 200 Kämpfern sollen Nahr al-Bared zu ihrem Hauptquartier gemacht haben
"Wir kennen sie nicht, sie kommen aus anderen Ländern. In Nahr al-Bared leben rund 40 000 Menschen auf einem Quadratkilometer, wir kennen uns alle und sind irgendwie verwandt - daher bemerken wir alle Fremden. Die kommen alle von außerhalb, nicht einmal aus dem Libanon."
Tatsächlich sind nach Armeeangaben unter den verwundeten und getöteten Fatah al-Islam-Kämpfern wenige Palästinenser und Libanesen als Syrer, Yemeniten und Saudis. Und trotzdem nahm Fatah al-Islam unter Palästinensern ihren Anfang - und zwar gerade im Lager Beddawi, in dem jetzt die Bewohner von Nahr al-Bared Schutz vor den Extremisten suchen.
In einer engen Gasse hängen Bilder des ersten Opfers von Fatah al-Islam: Maher Abdelhadi, Mitglied der palästinensischen Sicherheitskräfte in Beddawi. Er wurde im November 2006 bei einem Schusswechsel mit palästinensischen Extremisten getötet. Damals gehörten diese noch der 1983 entstandenen säkularen Bewegung Fatah al-Intifada an. Deren Verantwortlicher für den Nordlibanon, Abu Jasr Khalil Dib, sitzt keine 50 Meter weiter in seinem Büro und erklärt:
"Sie waren früher Teil unserer Organisation, aber es gab nur Kontakt mit einer Person. Es war verboten, mit ihnen zu tun zu haben, sie hatten ihre eigene Ordnung innerhalb der Organisation. Es hieß, sie bildeten Zellen, die nach Palästina gehen würden und eine besondere Ausbildung erhielten."
Erst nach der Schießerei mit den Sicherheitskräften im vergangenen November distanzierten sich die Anhänger von Fatah al-Intifada von diesen Unbekannten, die sich immer religiöser und radikaler zeigten. Sie vertrieben sie aus Beddawi - die Kämpfer flüchteten ins nächste Lager, Nahr al-Bared, und erklärten dort zwei Tage später die Gründung ihrer eigenen Organisation, Fatah al-Islam. Dabei eigneten sie sich gleich die Büros und Waffen von Fatah al-Intifada an.
"Fatah al-Islam ist heute eine Mischung aus religiösen Strömungen, die sich auf ein Ziel geeinigt haben, aber unterschiedliche religiöse Auslegungen vertreten. Der Feind sind für sie Amerika und die Juden. Libanesische Parteien wollten sie im internen Konflikt benutzen und haben sie finanziert."
Zeitungsberichten zufolge soll Saad Hariri, der Anführer der Parlamentsmehrheit, die sunnitischen Islamisten großzügig finanziert haben, um eine Gegenmiliz zur schiitischen Hisbollah aufzubauen. Zu diesen Vorwürfen will sich Abu Jasr lieber nicht äußern; genauso wenig dazu, ob Syrien sie unterstützt, um den Libanon zu destabilisieren. Aber eins steht für ihn fest: hätten die libanesischen Sicherheitskräfte stärker durchgegriffen, wäre Fatah al-Islam nie so stark geworden. Jetzt bleibt den verschiedenen palästinensischen Gruppen nur, den Kampf der libanesischen Armee zu unterstützen. Das tut der höchste Vertreter der PLO im Libanon, Abbas Zaki, mit allem Nachdruck.
"Das ist eine gemeinsame Pflicht. Der Krieg gegen den Terrorismus ist Aufgabe jedes Menschen. Wir als Palästinenser wurden angegriffen, das Lager und seine Bewohner stehen unter unserem Schutz. Weil wir gegen den Terrorismus sind und uns um unsere Lager kümmern, setzen wir uns dafür ein, diese Elemente zu vertreiben."
So kommt es zu einer ungewohnten Einheit zwischen libanesischen und palästinensischen Politikern. 1975 waren die bewaffneten Aktionen der im Libanon angesiedelten palästinensischen Organisationen gegen Israel einer der Auslöser für den Bürgerkrieg, seither waren die Beziehungen immer angespannt. Bis heute sind den rund 400 000 Palästinensern im Libanon der Zugang zu bestimmten Berufen und Immobilienbesitz verboten. Doch nun spricht auch Libanons Premierminister Fuad Siniora in anderen Tönen über die oft so ungeliebten Gäste:
"Es wird keinen Konflikt und keine Uneinigkeit zwischen Libanesen und Palästinesern geben. Wir sind sehr um die liebevollen brüderlichen Beziehungen bemüht, die das libanesische und das palästinensische Volk verbinden; ebenso wie um die Sicherheit der Palästinenser, für die die libanesische Staatsmacht verantwortlich sein muss."
Neben den Solidaritätsbekundungen braucht es jedoch dringend konkrete Schritte, um den Flüchtlingen aus Nahr al-Bared zu helfen. Dass die allermeisten von ihnen bei ihren palästinensischen Geschwistern Zuflucht gesucht haben und nicht in der nahegelegenen Großstadt Tripoli, liegt nicht zuletzt an ihrer Angst vor Übergriffen. Denn einige Libanesen geben den Palästinensern insgesamt die Schuld an den Kämpfen, ein Bus voller Flüchtlinge wurde bereits angeschossen. Dennoch können nicht alle im Lager Beddawi bleiben, das weiß auch Abbas Zaki von der PLO:
"Wir suchen nach verschiedenen Lösungen, um den Druck zu mindern und die Menschenmasse zu verteilen. Ein Bürgermeister hat angeboten, 3000 Menschen aus Beddawi vorerst bei sich anzusiedeln, das wird vielleicht noch ein anderer tun. Wir versuchen, eine gute Atmosphäre zu schaffen, damit Palästinenser und Libanesen zusammen leben können, und eine Brücke der Liebe zwischen ihnen zu bauen - so Gott will."
Bis die Bewohner von Nahr al-Bared in ihre Häuser zurückkehren können, wird es noch eine Weile dauern - zuviel wurde durch die schweren Kämpfe zerstört. Manche glauben sogar, sie könnten nie zurück und würden eher in anderen Ländern angesiedelt. Doch ein alter Mann unter den Flüchtlingen im Schulhof von Beddawi stellt ungefragt klar, in welche Richtung er ziehen will:
"Nach Kanada - nein, in mein Dorf Safuri in Palästina - ja. Nach Nahr al-Bared - nein. Wir gehen nur übergangsweise nach Nahr al-Bared zurück, bis unser Gott uns nach Palästina, nach Safuri zurück bringt. Etwas anderes geht nicht."