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Gefährlicher Darmbewohner

Medizin. - Seit einigen Jahren grassiert ein besonders aggressiver Stamm des Darmbakteriums Clostridium difficile in nordamerikanischen Krankenhäusern und hat dort bereits Todesfälle verursacht. Inzwischen hat der Stamm Europa erreicht. Das Auftreten in Deutschland ist nach Ansicht von Experten nur noch eine Frage der Zeit. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide erläutert das Problem im Gespräch mit Monika Seynsche.

Monika Seynche im Gespräch mit Martin Winkelheide |
    Monika Seynsche: Etwa vier Milliarden Bakterien leben in unserem Darm. Eines davon heißt Clostridium difficile und ist eigentlich harmlos. Aber manchmal verursacht es schweren Durchfall. Seit einigen Jahren ist ein ganz besonders aggressiver Stamm in Kanada und den USA unterwegs und grassiert dort in Krankenhäusern. Er hat zahlreiche Todesfälle verursacht. Inzwischen hat der Stamm Europa erreicht, zuerst Großbritannien, dann Belgien, Niederlande und Frankreich. Dementsprechend besorgt sind nun Mediziner in Deutschland. Deshalb war Clostridium difficile auch ein Thema auf dem Internistenkongress, der heute in Wiesbaden zu Ende gegangen ist. Mein Kollege Martin Winkelheide war dort. Herr Winkelheide, Clostridium difficile lebt im Darm von jedem von uns. Warum kann es dann auf einmal gefährlich werden?

    Martin Winkelheide: Das Bakterium ist in geringer Zahl normalerweise im Darm. Wenn Menschen mit Antibiotika behandelt werden, vor allen Dingen Breitband-Antibiotika, die sehr viele Bakterien im Darm umbringen, aber eben nicht Clostridium difficile, dann hat das Bakterium eine Chance, kann sich ausbreiten, kann den Platz von den anderen Bakterien besetzen, und dann kann es krank machen. Das Problem ist vor allen Dingen, dass das Bakterium Giftstoffe produziert, so genannte Toxine, und die führen zu schweren Entzündungen im Darm.

    Seynche: Wie läuft denn diese Infektion ab?

    Winkelheide: Es kommt zu unübersehbaren Durchfällen, wässrigen Durchfällen. Das Problem sind vor allen Dingen die schweren Entzündungen der Darmwand. Das kann soweit gehen, dass es zu einem Darmverschluss kommt, was dann ein Notfall ist. Wenn nicht schnell reagiert wird, kann es eben auch passieren, dass Menschen operiert werden müssen. Das ist aber wirklich nur in ganz seltenen Fällen der Fall. Aber trotzdem, gerade wenn man sich mit dem aggressiven Stamm von Clostridium difficile ansteckt, gibt es Todesraten von zehn Prozent, also von 100 Patienten sterben zehn. Das ist viel für ein Bakterium, das eigentlich gut behandelt werden kann. Es gibt Antibiotika, die speziell gegen Clostridium difficile gerichtet sind, vor allem das Metronidazol und als Ersatz oder Reservemedikament noch das Vancomycin. Darauf reagieren die Bakterien sehr gut, man muss sie allerdings dann sehr, sehr lange behandeln, über vier Wochen.

    Seynsche: Reichen denn diese Antibiotika aus, um die Bakterien zu bekämpfen?

    Winkelheide: Das besondere Problem sind eben die Giftstoffe, die die Bakterien machen. Und die Antibiotika sind natürlich wichtig, weil man damit die Zahl der Bakterien reduziert, und je weniger Bakterien da sind, umso weniger Giftstoffe können die machen. Aber wenn man die Entzündung in den Griff bekommen will, dann muss man das entweder unspezifisch machen - das machen Mediziner auch, also mit Aktivkohle zum Beispiel, was dann diese Gift bindet - oder eben mit Medikamenten, die gezielt die Entzündung des Darmes behandeln. Da kommen dann Medikamente zum Einsatz, wie sie auch bei chronischen Darmentzündungen zur Behandlung gegeben werden, also Medikamente, die speziell gegen die Entzündung gerichtet sind. Und dann gibt es noch experimentelle Verfahren, die ganz erfolgreich sein können.

    Seynsche: Was sind das für Verfahren?

    Winkelheide: Das hat man vor allen Dingen in den USA ausprobiert, dass man den Stuhl von gesunden Menschen "transplantiert", wie Mediziner in dem Fall auch sagen würden. Das sind spezielle Aufbereitungen des Stuhls. Die Idee dahinter ist, dass man sagt: Gesunde Menschen machen Abwehrstoffe gegen die Giftstoffe des Bakteriums, also gegen die Toxine, und gesunde Menschen, die haben eine intakte Darmflora. Wenn man die intakte Darmflora den Patienten mit dieser schweren Infektion gibt, dann hilft das, die normale Flora wieder neu aufzubauen, und Clostridium difficile findet dann keinen Platz mehr, kann sich nicht mehr so gut vermehren und kommt vor allen Dingen nicht an die Darmwand dran. Dieses Verfahren, das per Einlauf läuft - das kann man nicht schlucken, das wäre unappetitlich, das macht man mit einem Einlauf -, das funktioniert sehr gut. In Studien, die es bislang gibt, hat es zu über 80 bis 90 Prozent der Fälle geholfen, und das bei Patienten, bei denen Antibiotika schon nicht so gut funktioniert haben. Es ist sehr Erfolg versprechend, aber es wird sicherlich nicht auf Anhieb ein Standardverfahren werden. Das wird für besonders schwere Fälle vorbehalten sein.

    Seynsche: Wie hoch ist denn das Risiko, dass das Bakterium auch in deutsche Krankenhäuser kommt?

    Winkelheide: Das ist recht hoch. Also in den letzten Jahren ist das Bakterium in Belgien, Niederlande, Frankreich, also wirklich in direkter Nachbarschaft aufgetaucht. Das wird auch in Deutschland auftauchen, da sind die Mediziner überzeugt und sie sagen, ganz wichtig ist eben, dass man vor allen Dingen auf Hygiene achtet in den Krankenhäusern, also wirklich alles sauber wischt. Denn es ist ein Sporenbildner, und bei Sporenbildnern ist das Problem, dass die Sporen sehr lange überleben können.