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Gefälschte Klone

Der als Klonpionier gefeierte Südkoreaner Woo-Suk Hwang wurde als Fälscher entlarvt. Die Betrugsaffäre ist ein Fiasko für Stammzellenforscher weltweit, die Hwang ohne kritische Prüfung vertrauten. Der Klonskandal wirft aber auch kein gutes Licht auf die Kontrolle von wissenschaftlichen Publikationen.

Moderation: Ralf Krauter |
    Das Klonen war sein Schicksal
    Aufstieg und Fall des Dr. Hwang

    Woo-Suk Hwang war und ist Tierarzt. Seine Ausbildung hat er ausschließlich in Südkorea erhalten. Seit Beginn der neunziger Jahre beschäftigt sich Hwang an der Staatlichen Universität in Seoul mit der Fortpflanzungsbiologie von Tieren. Nachdem 1997 die Nachricht vom Klonschaf Dolly um die Welt ging, begann auch Hwang mit Klonversuchen, zunächst bei Kühen.

    Er hatte schnell Erfolg und konnte 1999 seine ersten geklonten Rinder präsentieren. Die Zielstrebigkeit und der enorme Fleiss, den er und seine Mitarbeiter an den Tag legten, begeisterte schon damals die Fachwelt.

    " Wir kennen keinen Samstag, keinen Sonntag und keine Ferien in meinem Labor. Bei uns arbeiten 65 wissenschaftliche Mitarbeiter vom Studenten bis zum Professor, Tag und Nacht. Wir verbrauchen 1400 Eizellen von Rindern und Schweinen. Jeden Tag, auch Samstag und Sonntag. "

    2004 kam Hwangs weltweiter Durchbruch. Als erstem Wissenschaftler gelang es ihm angeblich, aus Körperzellen des Menschen Embryonen zu klonen, und aus diesen Embryonen Stammzellen zu gewinnen. Amerikaner und Briten hatten das zuvor versucht und waren gescheitert.

    Seinen Durchbruch durfte er auf der Tagung der Amerikanischen Wissenschaftlervereinigung AAAS vor der Weltpresse verkünden. Und er vergaß nicht, seinen Eizellenspenderinnen zu danken. Obwohl jede Spende verbunden ist mit erheblichen gesundheitlichen Belastungen und Risiken, hatten über hundert junge Frauen Eizellen gespendet - angeblich freiwillig und ohne Bezahlung.

    " Ich möchte allen Frauen danken, die freiwillig Eizellen für unsere Forschung gegeben haben. Ich spreche ihnen meinen tief empfundenen Dank aus. Ohne ihre uneigennützige Hilfe, wäre unser Erfolg nicht möglich gewesen. Das war eine wichtige Hilfe für die Medizin im Kampf gegen unheilbare Krankheiten. "

    Jetzt musste die Methode effektiver werden, damit sie tatsächlich zur Behandlung schwerer Krankheiten eingesetzt werden konnte. Und genau diese Effektivität dokumentierte Hwang mit seiner zweiten großen Veröffentlichung, im Mai 2005. Seine Daten machten auf die Stammzellenforscher weltweit großen Eindruck. Das so genannte "therapeutische Klonen" schien nun greifbar nah.

    " Wir haben Zellen von Patienten mit unheilbaren Krankheiten entnommen und daraus durch Klonen embryonale Stammzellen gewonnen. Diese haben wir bereits an Tieren getestet, um die Sicherheit und Effektivität dieser Zellen zu überprüfen und zu erforschen. "

    Aus dem Tierarzt Hwang war der König des Klonens geworden: Von den Wissenschaftlern in aller Welt respektiert und von den eigenen Landsleuten verehrt. Als Zugabe lieferte er im Herbst 2005 noch den weltweit ersten geklonten Hund: einen Afghanen namens Snuppy.

    Doch da hatte das Bild vom Klon-Guru bereits erste Kratzer bekommen. Bei den Eizellenspenden zum "therapeutischen Klonen" war vieles nicht mit rechten Dingen zugegangen. Sein amerikanischer Kooperationspartner Gerald Schatten distanzierte sich und beschuldigte Hwang, Eizellen von Mitarbeiterinnen für die Forschung verwendet zu haben. Der gefeierte Held geriet in die Defensive.

    " Es gibt keine Eizellen-Spenderinnen unter den Mitarbeiterinnen meines Labors. "
    Später musste Hwang zugeben, von illegalen Eizellenspenden zweier Mitarbeiterinnen gewusst zu haben. Außerdem kam heraus, dass viele Frauen für ihre angeblich selbstlosen Spenden bezahlt worden waren.

    Es folgte ein rasanter Absturz. Heute steht fest: Die beiden großen Erfolgsmeldungen der Arbeitsgruppe Hwang waren gefälscht. Im Labor Hwang konnte keine einzige geklonte Stammzellen-Linie gefunden werden.

    Der Fall "Hwang" ist auch ein Fall "Science"
    Das Kontrollsystem der Fachzeitschriften hat versagt

    Wer auf den Olymp der Wissenschaft gelangen will, muss heutzutage Veröffentlichungen in den wichtigsten internationalen Fachzeitschriften aufweisen. Am besten in Nature oder in Science. Beide Zeitschriften präsentieren Woche für Woche die Top-Forschungsergebnisse und zwar aus verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaft. Auch Hwang hat diesen Weg beschritten und in beiden großen Blättern veröffentlicht. Insbesondere die Zeitschrift Science wurde für Hwang zum Steigbügelhalter. Seit Hwang gestürzt ist, steht auch Science in der Kritik.

    Gerne eröffnet die amerikanische Wissenschaftler-Vereinigung AAAS ihre Jahrestagung mit einem Paukenschlag. Im Februar 2004 gelang dies mit den neuesten bahnbrechenden Ergebnissen aus der Klonforschung.

    Präsentiert wurde eine Veröffentlichung der Wissenschaftszeitschrift Science, die von der AAAS herausgegeben wird. Der Hauptautor, ein gewisser Woo-Suk Hwang, war damals noch weitgehend unbekannt.

    Science-Chefredakteur Donald Kennedy fand vor der versammelten Presse für Hwang und seine Arbeit viele lobende Worte.

    " Wir sind sehr froh, dass wir diese Arbeit in Science veröffentlichen dürfen. Wie Sie wissen, überprüfen wir derartige Arbeiten in einem strengen Gutachter-Prozess. Und diese Veröffentlichung aus Südkorea hat dabei sehr gut abgeschnitten. Es war eine Freude, damit arbeiten zu dürfen, denn es handelt sich um außergewöhnliche und interessante Ergebnisse. "

    Der Triumph war auch deshalb so groß, weil es gelungen war einen der wenigen Durchbrüche der Wissenschaft vor der Konkurrenz bei Nature zu verkünden. Später wurde inoffiziell bekannt, dass die gleiche Arbeit von den Koreanern zuvor bei Nature eingereicht worden war. Aber sie wurde abgelehnt. Die Nature-Redaktion gibt dazu keinen Kommentar ab.

    Aber heimlich freut man sich sicherlich, denn der "große Coup" der Konkurrenz erwies sich als "größter anzunehmender Unfall" für eine Wissenschaftszeitschrift. Genau wie eine zweite Arbeit, die ein gutes Jahr später ebenfalls in Science veröffentlicht wurde, erwies sich der Durchbruch als Fälschung. In einer Video-Botschaft kommentiert Chefredakteur Donald Kennedy nun das vernichtende Urteil einer Untersuchungskommission, die von der Universität in Seoul eingesetzt wurde.

    " Die Untersuchung ergab erhebliche Verfehlungen. Beide Veröffentlichungen enthalten gefälschte Ergebnisse. Fälschung hat in der Forschung höchst fatale Folgen. Sie schadet uns allen. Denn Wissenschaft basiert auf Vertrauen, und dieses Vertrauen wurde missbraucht. Glücklicherweise sind solche Fälle selten. Aber es ist unmöglich für uns als Redakteure, Fälschung völlig auszuschließen. Die Wahrheit entsteht letztlich durch gegenseitige Kontrolle und Bestätigung. "

    Aber Science ist keineswegs nur das Opfer eines skrupellosen Fälschers geworden. Bei der Suche nach der großen Geschichte haben die eigenen Kontrollmechanismen versagt. Je zwei Gutachter haben beide Veröffentlichungen zur Überprüfung erhalten. Es wurden von Koreanern sogar zusätzliche Belege angefordert und geliefert. Die Untersuchungskommission erkannte schnell, dass es sich dabei um Fälschungen handelte. Die Gutachter von Science aber schöpften 2004 und 2005 keinen Verdacht. Donald Kennedy verspricht nun, die Kontrollen zu verbessern.

    " Dazu gehört, dass in Zukunft alle Autoren gefragt werden, welchen Beitrag sie zu der Arbeit geleistet haben. In einer Erklärung müssen sie ihr Einverständnis mit allen Aspekten der Veröffentlichung erklären. Außerdem werden wir Methoden einführen, um Bildmanipulationen aufzuspüren. In diesem speziellen Fall hätte das allerdings nicht zur Entdeckung von Fehlern geführt."

    Dem Gründer der Zeitschrift "Cell" Benjamin Lewin ist das zu wenig. Er kritisiert die Science-Redaktion sehr offen. Gegenüber der New York Times erklärte er:

    " Nature und Science gelten unter Wissenschaftlern nicht als besonders streng. Es sieht so aus, als ob dort eher schlampig gearbeitet wird. "

    Der Schattenmann
    Ein Kneipengespräch unter Insidern

    A: Das war's jetzt wohl mit dem Klonskandal… Jetzt haben die ihren Sündenbock und damit ist gut. Der Koreaner, dieser Hwang, ist an allem Schuld… Wollte eben einfach zu hoch hinaus … Und hat dabei eine Menge Leute mit ins Verderben gerissen.

    B: ...Ja, ... so läuft das wohl. ... Und über den wahren Schuldigen redet niemand.

    A: Wie? Der wahre Schuldige? ... Wer soll denn das sein?

    B: Noch nichts von Gerald Schatten gehört?

    A: Doch, doch. Kenn ich. Das ist doch der amerikanische Kooperationspartner von Hwang?

    B: Genau!

    A: So so. Also der ominöse Schattenmann...

    B: So ist es. Ohne den Schatten wäre der Hwang immer noch ein kleiner Tierdoktor. ...

    A: Aha. Jetzt wird's spannend... Erzähl!

    B: Gerald Schatten war in den USA vor zwei Jahren schon eine große Nummer. Nur mit dem Klonen war er nicht so recht erfolgreich. Affen wollte er klonen. Da wurde aber nichts daraus, obwohl er es immer wieder probiert hat. Und als Schatten dann von Hwang hörte... dass der bei Nature abgeblitzt ist. Da hat er gleich seine Connections zu Science spielen lassen, und Hwang war plötzlich der King.

    A: Der König des Klonens. Und was sprang für den Schatten dabei raus?

    B: Auf dem nächsten Paper stand er schon mit drauf, als Hwangs Co-Autor. Und das, ohne irgendwas gemacht zu haben.

    A: Naja. Das kommt halt vor in der Wissenschaft. ...Hilfst Du mir, helf ich Dir. Aber deshalb ist Schatten doch noch lange nicht der Bösewicht.

    B: Deshalb nicht. Aber Du kannst mir doch nicht erzählen, dass der Schatten nicht gemerkt hat, dass da was faul ist mit den Eizellen und so. ... Und auch mit den Stammzellen. Der Schatten, der kennt sich doch aus damit. Und der soll nichts gemerkt haben?

    A: Naja - das klingt mir doch zu arg nach Verschwörungstheorie.

    B: Spätestens dann, als eine Mitarbeiterin von Hwang zu Schatten nach Pittsburgh wechselte, da wusste Schatten doch Bescheid, dass da nicht alles so sauber war. Trotzdem hat er erst einmal ruhig gehalten, und ... still und leise selber Patente auf die Klontechnik angemeldet. Ganz ohne Hwang. Wenn das nicht raffiniert ist?

    A: Wieso Patente? Hat der Schatten denn eine eigene Klontechnik entwickelt?

    B: Brauchte er doch gar nicht. Über die Mitarbeiterin ... da soll übrigens auch privat was gelaufen sein ... über die hat er doch alles "know-how" aus Korea abziehen können. Und als er das alles hatte... Mitarbeiterin, Klontechnik und Patente ... Ja. Da hat er den Hwang hochgehen lassen.
    Peng!

    A: Aha... und jetzt... jetzt ist Schatten der König des Klonens.

    B: Du sagst es. Und Hwang schaut in die Röhre.