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Gefahr aus der Tiefe

Umwelt.- Das Grundwasser in Bangladasch enthält Arsen, das – im Gegensatz zu anderen Gebieten der Erde – auf natürlichem Wege hineingelangt ist. Am Umweltforschungszentrum Leipzig wird ein Schnelltest entwickelt, um das belastete Wasser rasch ausfindig machen zu können.

Von Hartmut Schade | 16.09.2010
    Nicht nur der Mensch, auch Kolibakterien mögen Arsen gar nicht. Doch während sich das Halbmetall beim Menschen im Körper sammelt, scheiden es Kolibakterien wieder aus, sagt der Mikrobiologe Professor Hauke Harms vom Leipziger Helmholtzzentrum für Umweltforschung.

    "Die reagieren natürlicherweise schon auf Arsen. Die müssen sich vor dem Arsen auch schützen. Dieses sich Schützen, das beruht darauf, dass ein genetischer Schalter angeschaltet wird, und dann dieses Arsen aus der Zelle ausgepumpt werden kann. Und das ist ein Vorgang, den sieht man normalerweise nicht. Und wir haben den sichtbar gemacht, indem wir dann diesen Schalter sozusagen kombiniert haben mit einem Gen, das dann ein sichtbares Signal ergibt."

    Ein bläuliches Licht verrät die Anwesenheit von Arsen. Das Halbmetall ist überall in der Erdkruste vorhanden. Auch im Himalaya, wo es in mineralischer Gestalt als Arsenopyrit im Gestein vorkommt. Verwittert das Mineral, entsteht daraus ein Gemisch aus Eisenhydroxid und Arsen. Die Flüsse tragen dieses Verwitterungsprodukt in die weiten Talebenen Südasiens und lagern es dort ab. Hier in den großen Flussdeltas gelangt auch viel organisches Material ins Wasser. Ein Eldorado für Mikroorganismen. Diese verstoffwechseln das Eisen-Arsen-Hydroxid, wobei eine wasserlösliche und giftige Substanz entsteht, das Arsenit.

    Weltweit gelangt auf diese Weise Arsen ins Grundwasser: von den Karpaten ins ungarische Becken, von den Anden in die Tiefebene Argentiniens, vom Himalaya in die Ebenen Chinas und der Mongolei. Arsenhaltige Grundwässer finden sich im Westen der USA, in Mexiko und in Chile. Doch nirgends ist das Problem so gravierend wie in Bangladesh. 50 Millionen Menschen pumpen dort mit ihren Hausbrunnen arsenhaltiges Trinkwasser ans Tageslicht. Allerdings ist nicht jeder Brunnen gleichermaßen betroffen. Selbst nah beieinanderliegende Pumpen liefern Wasser ganz unterschiedlicher Qualität.

    "Das ist ein sehr, sehr komplexer Untergrund dort. Das sind ja Sedimente, die seit Jahrzehntausenden angelagert worden sind und dadurch ist das sehr, sehr heterogen."

    Deshalb ist es lebenswichtig, herauszufinden, aus welchen Brunnen giftiges und aus welchen reines Wasser sprudelt. Dafür braucht es einen zuverlässigen Test. Bisherige chemische Verfahren sind allerdings aufwendig und teuer. Die Leipziger Mikrobiologen haben mit ihren leuchtenden Bakterien einen einfachen Giftnachweis entwickelt. Die Kolibakterien werden gefriergetrocknet und in ein kleines Glasröhrchen abgefüllt. Fügt man dann Brunnenwasser hinzu, vermehren sich die Mikroorganismen. Ist auch Arsen im Wasser, beginnen die Bakterien nach einer Stunde bläulich zu leuchten. Zu erkennen allerdings nur durch ein Luminometer, einen etwa telefongroßen, batteriebetriebenen Apparat, der selbst schwächste Lichtstrahlen wahrnimmt. Für den Heimgebrauch ist der technische Aufwand noch zu groß. Die Leipziger kooperieren deshalb mit mobilen Kliniken, die in Bangladesch über Arsenvergiftungen aufklären und Kranke behandeln.

    "Was wir längerfristig vorhaben ist, dass wir auch einen Streifentest entwickeln. Das wäre ein Papierstreifen, auf dem diese Bakterien drauf sind und der dann in Wasser eingetaucht wird und dann Farbe entwickelt. Also ganz ähnlich wie ein Schwangerschaftstest beispielsweise, wo dann der private Nutzer, der Endverbraucher sozusagen, direkt das Ergebnis interpretieren kann."

    Der biologische Test ist schneller und mit anderthalb Dollar pro Wasserprobe auch deutlich preiswerter als bisherige chemische Untersuchungen. Er ist zwar kein Ersatz für bessere - und das heißt in aller Regel tiefe – Brunnen. Doch die sind im bitterarmen Bangladesch für die meisten Menschen ebenso illusorisch wie effektive Arsen-Filter.