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Gefahr für das Trinkwasser

Perfluorierte Tenside (PFT) im Wasser der Flüsse Möhne und Ruhr in Nordrhein-Westfalen haben die Behörden in Alarm versetzt. Wenn sie in die Nahrungskette gelangen, können sie Krebs erregen. Vermutlich sind die Tenside als Bestandteil eines Düngemittels ins Erdreich und schließlich ins Grundwasser gelangt.

Von Friederike Schulz |
    Ortstermin im Wasserwerk Arnsberg an der Möhne-Talsperre. Hier hatten die Mitarbeiter des Hygiene-Instituts der Bonner Universität Mitte Juli eine PFT-Konzentration im Trinkwasser festgestellt, die 50 Mal so hoch war wie in anderen Landesteilen. Nun steht hier eine Filteranlage, acht blau gestrichene Metallbehälter wurden eilig errichtet. Sie erinnern an Silos und sind gefüllt mit Aktivkohle. Durch sie wird jetzt das Trinkwasser für 38.000 Menschen in der Region geleitet, erklärt der Leiter des Wasserwerks, Ullrich Midderhoff:

    "Diese Aktivkohle hat eine sehr große Oberfläche, und diese Oberfläche absorbiert die PFT-Anteile im Wasser. Wir haben hier acht Filter: Vier mit 16 Kubikmeter Aktivkohle und vier mit acht, also insgesamt 95 Kubikmeter, das ist eine riesige Fläche, in der die PFT-Anteile absorbiert werden."

    Davon überzeugte sich auch Umweltminister Eckard Uhlenberg, der sich die Filter zeigen ließ und sogar ein "frisch gezapftes" Glas Wasser trank, ohne mit der Wimper zu zucken:

    "Das Wasser schmeckte sehr gut. Es ist natürlich auch durch den Filter gelaufen, und zu meinem Wasser zu Hause gab es keinen Unterschied."

    Die Tenside bleiben tatsächlich in der Kohle hängen. Es werden keine Rückstände mehr gemessen. Zumindest für Arnsberg ist die unmittelbare Gefahr gebannt, dies bestätigt auch Kreisdirektor Winfried Stork bei einer anschließenden Zwischenbilanz im Rathaus der Stadt:

    "Ich kann aus der heutigen Sicht sagen als Hochsauerlandkreis, dass wir die Auswirkungen auf die Menschen im Hochsauerlandkreis, insbesondere was das Trinkwasser in Arnsberg angeht, im Griff haben. Wir müssen jetzt in Zukunft sehen, wo kommt es her, was hat es für Auswirkungen auf den Menschen. Das ist die Aufgabe der nächsten Monate."

    Ein Ende des Skandals ist deswegen auch noch nicht abzusehen. Die Behörden gehen davon aus, dass die Tenside als Bestandteil eines Düngemittels ins Erdreich und schließlich ins Grundwasser gelangten, erläutert Minister Uhlenberg:

    "Die Ursache für das PFT-Vorkommen in Möhne und Ruhr und im Trinkwasser ist nicht zu 100 Prozent sicher. Sehr wahrscheinlich sind eben die ausgebrachten Abfallgemische der Marke Terrafarm des Unternehmens GW Umwelt aus Paderborn. Mir ist versichert worden, das Unternehmen verhalte sich inzwischen kooperativ, dennoch ermittelt die Staatsanwaltschaft."

    Wohin der Dünger überall geliefert wurde, steht noch nicht fest. Und auch nicht über welchen Zeitraum. Seit 2002 und zwar nicht nur an Betriebe in Nordrhein-Westfalen, sondern auch möglicherweise Hessen und Niedersachsen. Doch auf Zahlen will sich Eckard Uhlenberg zurzeit noch nicht festlegen und verweist auf die laufenden Ermittlungen.

    Klar ist: PFT ist in die Nahrungskette gelangt: In Fischen aus einem Forellenteich im Hochsauerland wurde bei einer Untersuchung mehr als ein Mikrogramm PFT pro Gramm Fleisch gemessen: 60 Mal mehr als der erlaubte Wert. Nun sollen weitere Proben entnommen werden, vom Verzehr von Fischen aus den Flüssen oberhalb des Möhnesees ist zurzeit abzuraten. Und auch in Weidegras wurde der Stoff nachgewiesen. Deswegen wird jetzt auch die Milch auf mehreren Höfen untersucht. Im Herbst soll eine repräsentative Blutuntersuchung klären, wie stark die Menschen belastet sind im Vergleich zu anderen Regionen. Das Hauptproblem dabei: PFT war bisher als Umweltgift nicht aufgetaucht. Erst nach den Messungen in der Möhne wurden bundesweit eilig überhaupt Richtwerte festgelegt:

    "Man muss allerdings auch wissen: Das Vorkommen dieser Chemikalie im Trinkwasser war für viele Fachleute eine Überraschung. Wir alle, nicht nur die politisch Verantwortlichen, die Behörden und Wasserversorger, sondern auch die Wissenschaftler betreten hier Neuland und haben bisher kaum Erkenntnis über die Substanz, auf die wir zurückgreifen könnten."