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Gefahr für Unterwasser-Ruinen

Archäologie. - Altertumsforscher graben nicht nur an Land nach Schätzen aus der Vorzeit, sondern mitunter auch in Seen und Gewässern. Am Bodensee etwa droht der Klimawandel und damit sinkende Wasserstände, archäologische Fundstätten zu zerstören.

Von Thomas Wagner |
    "Der Bodensee ist ein großes Sammelbecken archäologischer Funde und Fundstätten. Viele Jahrtausende schon war hier Siedlungstätigkeit. Vor allem die so genannten Pfahlbauten bestanden hier bereits im fünften Jahrtausend vor Christus."

    Helmut Schlichtherle, Leiter der Außenstelle Hemmenhofen des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, hat es von seinem Schreibtisch aus nicht weit bis zu einem der größten Fundorte am Bodensee: Denn gerade der Grund des Bodensees vor dem kleinen Örtchen Hemmenhofen bietet eine Fülle archäologischer Schätze.

    "Es gibt dort unten sehr viele erhaltene Hölzer, Baukonstruktionen, Schiffe, aber auch Textilien, sehr feine Objekte, Nahrungsvorräte, die in solchen Fundplätzen erhalten geblieben sind."

    ...und zwar luftdicht verschlossen unter Schlamm und Geröll auf dem Grund des Bodensees. Nur so konnten diese Funde bis zu sieben Jahrtausende überdauern. Sie geben wichtige Aufschlüsse, wie unsere Vorfahren in der Jungsteinzeit und in der Bronzezeit gelebt haben. Doch nun droht Gefahr: Wenn nichts geschieht, ist es bis in spätestens zwei Jahrzehnten um all die wertvollen Funde geschehen. Der Archäologe Helmut Schlichtherle führt dies vor allem auf die zunehmende Uferverbauung in den letzten 100 Jahren zurück.

    "Es sind am Bodensee nicht einmal mehr 50 Prozent der Ufer in einem natürlichen Zustand. Das heißt: Es gibt sehr viel Wellenreflexionen, sehr viele Strömungsbeschleunigung entlang der Ufer, die dann die feinen Sedimente wegnimmt, die bislang über Jahrtausende die archäologischen Stätten überdeckt haben."

    Wenn diese "natürliche Decke" über den Funden fehlt, droht der schnelle Verfall - vor allem bei Niedrigwasserständen in diesem Sommer. Dann liegen weite Teile der Flachwasserzonen frei, wie Sandbänke am Meer, die nur gelegentlich von Wellen überspült werden.

    "Kommen die Funde an die Oberfläche, sind sie auf jeden Fall ein Spiel der Wellen. Sie kommen vor allem in Extrem-Niedrigwasserjahren wie in diesem Jahr an die Oberfläche, also an den Luftsauerstoff, wenn sie aus der Wasserflüche herausragen, und sind dann innerhalb weniger Wochen kaputt."

    Im Sommer kommt hinzu, dass zahlreiche Mikroorganismen über die Funde herfallen und sie zersetzen. Doch wie die zahlreichen archäologischen Schätze unter Wasser retten? Eine rasche Bergung in den nächsten Jahren erscheint illusorisch: Dazu reichen Geld und Personal bei weitem nicht aus. Deshalb experimentieren die Taucharchäologen mit Konservierungstechniken. Unter anderem wurden die Funde mit Beton und Kies überdeckt. Das führte jedoch zur Versiegelung des Seegrundes - Fische fanden keine Laichplätze mehr. In einem anderen Verfahren werden die Fundstellen am Seegrund mit so genannten "Geo-Textilien" überdeckt.

    "Das sind geflochtene Textilmatten aus unterschiedlichen Materialien. Und sie sind zum Teil aus vergänglichen Materialien wie Kokosfasern, aber auch aus verschiedenen Kunststoffen."

    Dabei überprüfen die Wissenschaftler zum einen, ob sich damit wirkungsvoll die Abtragung der archäologischen Funde aufhalten lässt. Zum anderen untersuchen sie aber auch, ob beispielsweise Fische in solchen Regionen noch Laichplätze finden oder ob durch veränderte Strömungen die Erosion des Ufers weiter beschleunigt wird. Schließlich mussten die Taucharchäologen zum Einbringen der Geo-Textil-Matten gänzlich neue Techniken entwickeln. Helmut Schlichtherle:

    "Das ist technisch gar nicht so einfach: Die müssen von Spezialflößen ausgelegt oder durch Taucher ausgebracht werden. Dann bedürfen diese Textilien einer Fixierung. Die würden sonst mit den Wellen wegschwimmen. Die müssen also fest am Seegrund bleiben. Da hat es sich bewährt, sie abzudecken, also auf das Textil eine dünne Kiesablage zwischen fünf und 15 Zentimetern aufzubringen. Auch die muss flächig ausgebracht werden. Die kann da nicht haufenweise reingekippt werden, sondern die muss großflächig ausgebracht werden. Dann hat zumindest in geschützten Buchten so ein Denkmal die Chance, für Jahrzehnte, ja sogar vielleicht über Jahrhunderte unberührt liegen zu bleiben."