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Gefiederte Spione

Biologie. - Halsbandschnäpper sind kleine unscheinbare Singvögel. Damit sie auch in einem unbekannten Terrain möglichst viele Jungtiere großziehen können, schauen sich vor dem Einzug erst einmal die Nachbarschaft an. Gibt es da viele Kinder, ziehen die Schnäpper ein. Biologen der Universität Bern haben dieses Verhalten näher untersucht.

    Von Kristin Raabe

    Die unterschiedlichen Vögel im Wald konkurrieren um Nahrung und Nistplätze. Ein kleiner unscheinbarer Vogel wie der graubraune Halsbandschnäpper hat es nicht leicht sich dabei durchzusetzen. Damit er sich wohl fühlt, braucht er Baumhöhlen oder Brutkästen und viele Insekten. Am liebsten lebt er in alten Laubbaumbeständen in ganz Europa. Warum sich Wissenschaftler ausgerechnet für die Halsbandschnäpper auf der Insel Gotland interessieren berichtet Blandine Doligez:

    Bei dieser Vogelart haben wir ein lustiges Verhalten beobachtet. Einige dieser Vögel scheinen irgendwie herumzuspionieren. Sie fliegen herum und schauen bei anderen Halsbandschnäppern in die Nester. Wir fragen uns: Warum tun sie das und welche Art von Information suchen sie dabei.

    Die Wissenschaftlerin von der Universität Bern hat den Halsbandschnäppern einen Streich gespielt. Sie versetzte auf der schwedischen Insel Gotland einige sieben Tage alte Jungtiere einfach in andere Nester. Dadurch war in einigen Waldgebieten die Anzahl der Halsbandschnäpper-Küken plötzlich sehr hoch, in anderen wiederum sehr niedrig. Mit diesem Experiment wollte Blandine Doligez herausfinden, welche Art von Information die spionierenden Halsbandschnäpper eigentlich suchen. Interessieren sie sich für die Anzahl der Küken in den anderen Nestern oder eher für das Nahrungsaufkommen in der Umgebung. Solche Informationen sind natürlich bei der Wahl eines künftigen Nistplatzes von Bedeutung. Doligez:

    Für die neuen Brüter, die im Vorjahr noch woanders gebrütet haben, war anscheinend lediglich die Anzahl der Küken in den Nestern entscheidend. Diese Immigranten zählen also die Jungtiere und entscheiden danach dann, ob sie an diesem Ort nisten wollen oder nicht.

    Deutlich mehr Informationen bezogen allerdings Vögel ein, die sich entschlossen, ihren alten Nistplatz zu verlassen und sich im kommenden Jahr in einem anderen Waldgebiet niederzulassen. In ihre Entscheidung flossen auch andere Umgebungsfaktoren ein - beispielsweise das Nahrungsaufkommen. Doligez:

    Der Unterschied in der Art und Weise wie die Abwanderer und die Zuwanderer die Informationen für ihre Entscheidung nutzen, lässt sich ganz einfach erklären. Für Emigranten sind sehr viele Informationen zugänglich. Der Vogel ist schließlich bereits vor Ort, er kann herumfliegen die Umgebung erkunden und sich alles merken. Wenn ihm das alles nicht zusagt, entscheidet er sich im nächsten Jahr woanders zu brüten. Aber über einen neuen potentiellen Nistplatz bekommt er nicht so einfach so viele Informationen. Also richtet er sich nur nach einem wichtigen Faktor, er hat einfach nur sehr wenig Informationen.

    Und was könnte schließlich wichtiger sein, als möglichst viele kleine Halsbandschnäpper-Küken schlüpfen zu sehen? Wo viele Jungtiere aufwachsen, kann das Nahrungsaufkommen schließlich nicht so schlecht sein. Sonst könnten ihre Eltern die Kleinen kaum ernähren. Und wenn sich ein Halsbandschnäpper einmal geirrt hat, dann sucht er sich im nächsten Jahr eben wieder einen neuen Nistplatz.