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Geflüchtete Journalisten
Den Sprung in den Hauptberuf schafft kaum ein Exiljournalist

Oft sind gerade die besonders engagierten Journalisten gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, weil sie in Ruanda, Kolumbien oder dem Iran verfolgt werden. Hier in Deutschland müssen sie ganz von vorne anfangen; die Sprache lernen und Kontakte in die Redaktionen knüpfen. Um ihre Berufschancen zu verbessern, gibt es jetzt Seminare für sie.

Von Swantje Unterberg | 14.05.2016
    "Fremdheit vermeiden, das ist das Allerwichtigste, das ist unser erster Punkt." Die syrische Journalistin Roshak Ahmad beugt sich über ein Flipchart, das den Aufbau einer Website skizziert. An der Hamburg Media School, kurz HMS, entwickelt sie gemeinsam mit zwölf Medienschaffenden im Exil ein interkulturelles Vermittlungsportal. In den nächsten Monaten wollen sie es mit Porträts, Videos, Geschichten füllen.
    "Unsere Protagonisten, die wohnen in Deutschland." Das Seminar ist Teil der halbjährigen, spendenfinanzierten Fortbildung "Digitale Medien für Flüchtlinge". Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie Dokumentarfilm, Medienökonomie, politische Bildung, Deutsch und ein journalistisches Praktikum.
    Die 29 Jahre alte Videojournalistin Ahamad hat – wie alle hier – bereits professionell gearbeitet. Für Medien wie Reuters, die Deutsche Welle oder Al-Jazeera. In Deutschland aber fehlt ihr wichtigstes Werkzeug, die Sprache.
    "Als Journalistin ich hab immer mich beschäftigt mit Themen, die ich glaube daran, dass ich was darüber sagen will, und von Anfang an noch mal anzufangen wie ein Baby, das war total schwierig."
    Medienunternehmen öffnen sich mehr und mehr für Exiljournalisten
    Sprachlos, und auf sich gestellt.: "Für uns als neu Ankommenden ist immer die Kontakte am schwierigsten, und wer stellt uns vor?"
    Hier sei die Schule besonders wichtig, sagt auch Studiumskoordinatorin Tina Fritsche. Nicht nur für die Geflüchteten, sondern auch für die Medienunternehmen. Die öffneten sich zwar mehr und mehr für Exiljournalisten, wären aber auch skeptisch:
    "Wer kommt denn da überhaupt? Wie kann ich die Person wirklich in redaktionelle Abläufe einbinden? Wie lang sind die Wege zueinander, um da zu einer gemeinsamen Arbeit zu kommen? Und der Vorteil vom HMS-Programm ist, dass wir diese Wege verkürzen. In dem Moment, wo unsere 13 Leute in ein Praktikum gehen, kennen die Firmen unsere Leute schon, und da wird ein fruchtbares Zusammenarbeiten viel einfacher sein."
    Besonders kritische Stimmen in ihren Heimatländern
    Auch die Neuen deutschen Medienmacher, ein Verein für mehr Vielfalt in den Medien, startet zurzeit ein neues Traineeprogramm für Exiljournalisten.
    "Viele von denen, die jetzt hier sind, sind deswegen da, weil sie als Journalisten so erfolgreich waren und auch eben besonders kritische Stimmen waren und auch wichtige Stimmen in ihren Herkunftsländern, aber dann aufgrund des massiven Drucks nicht dort bleiben konnten."
    Die Rundfunkjournalistin Rebecca Roth will die geflüchteten Journalisten im Traineeprogramm mit deutschen Kollegen zusammenbringen. Als Tandem zum Beispiel, bei dem beide von der Kompetenz des anderen profitieren. Ein paar solcher Projekte gibt es schon. Doch bis dato machten viele geflüchtete Journalisten die Erfahrung,
    "... dass ihre Kontakte und ihr spezielles Wissen sehr gerne angefragt wird, aber dass sie dafür nicht bezahlt werden, sondern dass es quasi läuft im Rahmen eines Interviews und darüber hinaus: Könntest du mir da irgendwie noch was vermitteln."
    Reporter ohne Grenzen: den Sprung in den Hauptberuf schaffen nur wenige
    Geld in die Hand zu nehmen sei nicht nur fair, sondern rechne sich auch für die Medien: "Dann geht’s natürlich darum, vielleicht auch neue Leser an sich zu binden, auch dafür, denk ich, lohnt es sich zu investieren."
    Den Sprung in den Hauptberuf schaffe aber kaum ein Exiljournalist, berichten die Reporter ohne Grenzen, die mit etwa 150 geflüchteten Journalisten im Kontakt sind. Eher noch könnten sie in ihrer Muttersprache bei einem Exilmedium arbeiten. Doch auch hier fehle Geld, heißt es auf einer Tagung zum Thema.
    Und auch bei der HMS unterrichten Dozent pro bono, um das Programm zu ermöglichen. Denn, sagt Koordinatorin Tina Fritsche, "... es ist auch ein politischer Gedanke, weil wir davon ausgehen, dass viele der Menschen, die hierher kommen, kulturelles Wissen, politisches Wissen mitbringen, das uns hier als Gesellschaft bereichert."