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Gefräßiger Baumschädling

Sie kommen, ohne dass wir es wollen: Im Reisegepäck, in Frachtkisten oder im Ballastwasser von Schiffen. Tiere aus allen Teilen der Welt. Je kleiner sie sind, desto erfolgreicher ihre Reise um den Erdball. Insekten sind die häufigsten Globetrotter. Zum Beispiel die Kastanienminiermotte. Woher sie kam, weiß man noch nicht genau. Aber seit einigen Jahren befällt sie die Blätter der weißblühenden Rosskastanie. Die sehen dann schon mitten im Sommer braun und trocken aus. Jetzt bringt ein neuer Feind Waldbesitzer und Förster um den Schlaf. Der Asiatische Laubholzbockkäfer. In Bornheim bei Bonn ist er schon angekommen und auch anderswo in Deutschland.

Von Anke Ulke |
    Der Asiatische Laubholzbockkäfer ist ein toller Bursche, ein prächtiges Tier - das sagt Franz Beckers vom Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Doch er meint es nicht wirklich so. Das "prächtige Tier" ist knapp drei Zentimeter lang, pechschwarz mit weißlich-silbernen Flecken und auffällig langen Fühlern. Hübsch anzusehen, aber gefährlich. Gefährlich für Laubbäume unterschiedlicher Art, denn der Käfer legt seine Eier in ihnen ab und ist da auch nicht sehr wählerisch. Dann entwickeln sich gefräßige Larven, die in zwei bis drei Jahren Entwicklungszeit den Baum durchbohren und vernichten. Franz Beckers:

    " Und die Larven sind zahlreich in einem Baumstamm oder in einem Holzstück vorhanden, so dass dann auch die Statik und die gesamte Sicherheit des Holzes oder des Baumes nicht mehr gewährleistet ist."

    Bis zu 200 Larven hat man schon in einem einzigen Baum gezählt! Sie fressen sich durch den Stamm, fressen sich rund und fett, hinterlassen zentimeterdicke Gänge und machen es sich schließlich vor der Verpuppung gemütlich:

    " Und am Ende eines Fraßgangs entstehen so ne Art Puppenwiegen, da ist das abgeraspelte Holz der Larve zusammengepackt und in diesem abgeraspeltem Holz, das frisst also die Larve nicht, sondern legt es nur an, sozusagen als Puppenbett."

    Obwohl es so gemütlich scheint - dem befallenen Baum bekommt das Kinderzimmer des Asiatischen Laubholzbockkäfers gar nicht gut. Er sieht dann so aus, wie die erst wenige Jahre alte Ahornallee in Bornheim: Trockene, abgestorbene Kronen und Stämme mit kreisrunden Löchern. Durch diese Ausflugslöcher haben sich die ausgeschlüpften Käfer gefressen. Rücksichtslos verlassen sie ihren Wirt, und die Weibchen suchen sich nach der Begattung eine neue Kinderstube für den Nachwuchs. Und bald nach der Eiablage sterben sie. Der durchbohrte Baum indes ist nicht nur krank, sondern rettungslos verloren. Schon ein kräftiger Windstoß kann ihn umwerfen, nicht nur auf Autos, sondern auch auf Passanten. Und damit das nicht passiert, muss die ganze Allee vernichtet werden. Doch das ist nicht die eigentliche Gefahr:

    " Die eigentliche Gefährdung ist aber die Gefährdung unserer deutschen Wälder, der Käfer ist ja nicht sehr wählerisch, er bevorzugt zwar Weichholzarten, vornehmlich Ahorn, aber auch Pappeln und Weiden und er geht aber auch an andere Nutzhölzer, und in unserem Klima könnte er sich ausbreiten ohne Gegenspieler. Wir wissen ja noch nicht mal, ob der deutsche Specht den Asiatischen Laubholzbockkäfer mag oder vernichtet oder angreift."

    Kreischend schneidet sich deshalb die Säge durch den ersten Stamm von insgesamt 25 Bäumen. 2500 Euro - der Wert eines halbwüchsigen Baumes - sind in Minutenschnelle Kleinholz. Schon in der nächsten Woche wird die Allee keine mehr sein. Selbst die Wurzeln müssen raus. Das durchbohrte Holz kann auch nicht weiter verwendet werden. Es wird zu einem großen Stoß aufgeschichtet und unter Aufsicht verbrannt. Wie der Käfer hierher gelangt ist, weiß niemand. Vermutlich saß er in billigstem Verpackungsholz. Normalerweise ist alles Holz aus den Heimatländern des Käfers, also aus China, Taiwan oder Korea gegen Schädlinge behandelt. Doch der weltweite Warenstrom macht Verstecke für fremde Arten leicht. Deren Vernichtung kann dann auf Dauer richtig teuer werden. Franz Beckers:

    " Wir kennen statistische Zahlen aus den Vereinigten Staaten, wo jährlich mehrere Millionen Dollar Schaden nur durch den Asiatischen Laubholzbockkäfer nachweislich verursacht werden."

    Grund zur Panik besteht allerdings nicht. Das Gebiet rund um die Bornheimer Ahornallee steht im Umkreis von zwei Kilometern unter Beobachtung und wird jetzt ständig kontrolliert. Zwei Kilometer, weil der Käfer flugfaul ist, aber gelegentlich vom Wind ein Stück weiter getragen wird. Im Frühjahr kann der Pflanzenschutzdienst den Käfer dann austricksen:

    " Wir haben vor, eventuell, wenn die Möglichkeit besteht, das wissen wir noch nicht, so genannte Sexuallockstofffallen für die Käfer auszuhängen, während der nächsten Vegetationszeit, wenn wir dann Käfer in den Pheromonfallen finden werden, wissen wir, dass eine weitere Verbreitung stattgefunden hat."

    Für Privatleute bleibt nicht viel zu tun. Die Bornheimer können ihre Alleen und Gärten beobachten. Das schadet nicht, denn es gibt auch einheimische, sehr gefräßige Bockkäfer, den Pappel- oder den Weidenbohrer zum Beispiel. Was allerdings möglich ist - dass der Asiatische Laubholzbockkäfer sich doch schon etwas weiterverbreitet hat. Denn Fracht aus einem Industriegebiet fährt weiter. Sollte das der Fall sein, dann wird man erst im Frühjahr etwas bemerken. Jetzt sind die hübschen Käfer tot. Nur ihre Larven fressen sich vielleicht still und leise durch Laubgehölz oder Obstbäume. Doch kommt der Käfer, ist auch der nordrhein-westfälische Pflanzenschutzdienst sofort zur Stelle. Mit Käferfallen und Motorsägen. Und fällt zur Not die nächste Allee.