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Gefühlte Produktivität ist höher als die tatsächliche Leistung

Gemeinsam sind wir stark, der Einzelne kann nichts bewegen, nur das Team gewinnt; die Slogans von Unternehmensberatern und Motivationstrainern blieben lange unwidersprochen. Doch jetzt widersprechen Arbeitspsychologen. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es nur wenig belastbare Nachweise, dass Teamarbeit tatsächlich immer die bessere Lösung darstellt.

Von Ulrike Burgwinkel | 09.02.2012
    "Team fängt ja an bei dir und mir und bei mehr als zwei, mehr als einer ist schon ein Team. Und da muss man ganz schön was bringen und wenn man da keine große emotionale oder soziale Kompetenz hat, versagt das Team schon mal ganz gerne."

    "Es gibt Leute dabei, die wirklich mitmachen, die ohne zu fragen anpacken, es gibt aber auch Leute, die du eigentlich treten musst, damit sie überhaupt mit anpacken."

    "Team heißt ja: together we achieve more, das heißt, wenn mehrere Leute zusammen arbeiten, dass sie dann einfach mehr erreichen können.
    Festgestellt hab ich, dass ich am besten alleine arbeiten kann, ich bin auch nicht teamfähig, das gebe ich auch offen zu."

    "Für mich ist Teamarbeit das A und O, ich bin jemand, der nicht gut alleine arbeiten kann"

    "Teamarbeit ist eine ganz spannende und effektive Methode, die aber bestimmte Rahmenbedingungen braucht."
    Autorin: Der Wirtschafts-und Organisationspsychologe Professor Guido Hertel von der Westfälischen Wilhelms Universität Münster

    "Ich brauche eine gute Vorbereitung, ich brauche eine gute Perspektive, ich brauch vor allen Dingen eine Unterstützung. Teamarbeit ist nichts, das man einfach einführt und dann läuft es schon von selber, sondern Teamarbeit muss gepflegt werden."

    Seit mehr als zehn Jahren untersucht Hertel die Bedingungen gelingender Teamarbeit. Allzu oft werde nicht nachgedacht über Zieldefinition, Anlaufzeit, Zusammensetzung und Expertise bei der Teamfindung. Regeln gebe es aber noch nicht einmal für eine zahlenmäßig optimale Zusammensetzung.

    "Soviel, wie man braucht und keinen mehr. Es klingt schlicht, aber es ist viel Wahrheit drin."

    Autorin: So dürfen es zum Beispiel durchaus zwei Experten mit in etwa den gleichen Kenntnissen sein, die in einem Team zusammenkommen.

    "Synergie bezeichnet, dass eben diese zwei mehr schaffen als das, was man von den Einzelleistungen erwarten würde, also diese Rechnung Eins plus Eins gleich Drei, wenn mehr entsteht durch diesen Austausch, das ist das, was wir uns bei Teamarbeit am meisten wünschen und das entsteht eben dann, wenn tatsächlich diese Expertisen, die die Personen mitbringen und die Perspektiven sich eben nicht nur doppeln, sondern unterschiedliche Sichtweisen aufeinander kommen."

    Ein interner Konkurrenzkampf unter den beiden Experten kann durchaus leistungssteigernd und zielführend wirken. Das sei allerdings eher von kurzfristigem Nutzen, hat Hertel herausgefunden bei seinen Untersuchungen.

    "Langfristig sinnvoller erachten wir, dass Personen deswegen mehr leisten, weil sie sich verantwortlich fühlen für andere oder für das Team und damit eben ihren eigenen Nutzen zurückstellen vor dem Gesamtnutzen dieses Teams. Das Interessante dabei ist, dass das nicht nur zusätzlich motiviert, sondern dass das auch mehr Spaß bringt."

    Für alle Mitglieder gilt: jeder braucht das Gefühl, bedeutsam und verantwortlich zu sein für den Erfolg des Gruppenprojektes. Zieht ein Einzelner die Verantwortung ganz auf sich, hat das negative Konsequenzen für alle anderen: sie fühlen sich nicht akzeptiert, unterfordert, sie ziehen sich zurück, sind nicht mehr motiviert. Der übermotivierte Teamworker wiederum bürdet sich zu viel an Verantwortung auf und damit ist dem gesamten Unternehmen auch nicht geholfen: es kann zum Burn-Out des Betroffenen führen. Die Zusammensetzung von Teams scheint also nicht nur eine hochkomplexe Angelegenheit, sondern eine wahre Kunst zu sein; denn schließlich verändert sich ein Team auch mit der Zeit, von den ersten Sitzungen bis zum letzten Treffen.

    "Was ist die Mechanik, was sind die Prozesse, was ist das Erleben während dieser Teamveränderungen und was ist das, worauf ich Einfluss nehmen kann. Zum Beispiel, wie spielen Stimmungen eine Rolle bei Teamprozessen, wie ist die "gefühlte" Bedeutung oder die gefühlte Bedeutsamkeit des Teamziels. Das sind eigentlich die Prozesse, die wir in der Diagnose auch entsprechend empfehlen, dass ich mich für jedes einzelnen Teammitglied frage: wie wichtig findet denn dieses Teammitglied die Ziele, die wir haben, wie gewürdigt fühlt sich dieses Teammitglied für seine Arbeit, fühlt sich dieses Teammitglied in der Lage, diese Aufgabe zu lösen und wie ist das Vertrauen."

    Die Münsteraner Untersuchungsergebnisse zeigen deutlich, dass in der Realität vieles falsch läuft in Sachen Teamarbeit. Im Schulunterricht fällt das besonders ins Auge: allzu oft arbeitet nur ein Schüler, die anderen schauen zu. Immer derselbe muss oder will Protokoll führen, es gibt die Chaoten- und die Strebergruppe, oder Streitigkeiten und ewiges Diskutieren um Aufgabenverteilung verhindern von Anfang an vernünftiges Arbeiten. Gruppenarbeit entlastet den Lehrer sicher nicht in der Vorbereitung des Unterrichtes, selbst wenn er das annimmt. Im Gegenteil. Gruppenarbeit bedeutet Mehrarbeit. Eine Analogie zu den überaus häufigen, nicht unbedingt beliebten Meetings im Berufsleben liegt auf der Hand.

    In der Tat gibt es aber auch Aufgaben, die schlicht und ergreifend nicht geeignet sind für Teamarbeit, selbst wenn sie hervorragend vorbereitet wäre. Guido Hertel.
    "Die Ideenfindung von kreativen Lösungen, sog. Brainstorming ist ein Paradebeispiel von Aufgaben, die man besser alleine löst und nicht im Teams, weil während der Teamarbeit, wenn also jeder gleichzeitig Ideen formuliert und äußert, man sich mehr im Weg steht als es einem nutzt.
    Das Fatale, warum es bis heute immer noch in Gruppen gerne gemacht wird, ist, dass die gefühlte Produktivität in Teams viel höher ist. Man hört Ideen, wenn ich mit anderen brainstorme, auf die wäre ich selber gar nicht gekommen und dann denk ich: Boah, was sind wir aber produktiv."

    "Oft ist es so, dass ich mich um viele Dinge kümmer und der eine oder andere macht mit, aber eben halt nicht alle.
    Es gibt so verschiedene Rollen im Team, es gibt den Diplomaten, es gibt auch die Visionärin oder welche, die zuarbeiten. Es ist ganz interessant, dass eben verschiedene Persönlichkeiten in so nem Team sind und sich gegenseitig ergänzen, ja."

    "Ich finde es total wichtig, die einzelnen Personen im Team mit ihren persönlichen Ressourcen wahrzunehmen und zu fördern. Ich mach ganz gute Erfahrungen damit, auch immer mal wieder andere Leute in meinem Team anzusprechen und herauszufordern, etwas Neues auszuprobieren."

    "Ich arbeite am liebsten mit gemischten Teams zusammen. Ich hab zwar auch schon im reinen Frauenteam gearbeitet, das war auch sehr gut, weil es alles sehr soziale Menschen waren, aber grundsätzlich glaube ich, dass es die Mischung macht."

    "Am liebsten mag ich alleine arbeiten, dann kann ich mein Ding durchziehen und das Ergebnis präsentieren und dann bin ich fertig und dann ist das erledigt."

    "Nur Männer allein, das hat auch seine ganz eigene Art und ich glaube, das klappt auch nicht auf Dauer."

    "Die Verhaltensökonomie ist ein relativ junger Forschungszweig in der Volkswirtschaftslehre. Im Grunde geht es darum, menschliches Verhalten so wie es ist, besser und detaillierter unter die Lupe zu nehmen."

    Autorin: Professor Matthias Sutter vom Institut für Finanzwirtschaft an der Universität Innsbruck nimmt menschliches Verhalten im Labor unter die Lupe. Aber nicht nur.

    "Die zweite größte Strömung, die gerade jetzt en vogue ist, ist das man als Verhaltensökonom hinaus ins Feld geht. Eben nicht Probanden in einem scheinbar sterilen Labor in Universitäten untersucht, sondern schaut, wie sich Leute in ihrer natürlichen Umgebung verhalten. Eine der Erkenntnisse, die wir daraus gewonnen haben, ist, dass hier die Zusammensetzungen von Teams relativ unbedeutend sind bezüglich der Geschlechter."

    Sutter und seine Mitarbeiter haben in ihren Untersuchungen keine statistisch signifikanten Unterschiede herausgefunden. Ist es allerdings so, dass man entscheiden kann, ob man als Team entlohnt wird oder ob der Einzelne für seine Arbeit Geld bekommt, dann ließe sich eine Tendenz bei Frauen beobachten, dass sie im Schnitt eher Teamarbeit und auch Teamentlohnung wählten als individuelle Arbeit oder Bezahlung. Und das tun sie nicht erst, wenn sie im Erwerbsleben stehen. Ein relativ gut beforschter Bereich in der Verhaltensökonomie zeigt,

    "… dass Burschen und Mädels sich ganz stark unterscheiden in der Bereitschaft, in einen Wettbewerb einzusteigen. Da wissen wir, dass Burschen das etwa doppelt so gerne machen wie Mädchen. In Klammern dazu gesagt: weil sie sich ganz fürchterlich überschätzen in ihrer Leistungsfähigkeit. Klammer zu. Wo wir zu wenig wissen nach wie vor ist die Frage, wie es mit Kooperation und Teamarbeit aussieht."

    Bei Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren unterscheide sich die Bereitschaft, in Teams zu kooperieren nicht nach Geschlechtern.

    "Was wir aber ganz stark sehen, sind Unterschiede in den Vorlieben wie die Verteilungen am Schluss aussehen sollen, also die Frage, womit soll jeder nach Hause gehen. Und das hat dann für Teamarbeit schon eine Bedeutung, weil wir sehen, dass den Jungen das Wichtigste Verteilungsargument immer ist, dass alles effizient und der Kuchen möglichst groß ist. Die nehmen da gern auch Ungleichheiten in Kauf, zum Beispiel, die einen haben ganz viel und die anderen ganz wenig."
    Während für Mädchen, das haben wir kürzlich noch untersucht, während es für die wichtig ist, dass die schlechtesten im Team noch möglichst gut dastehen. Man nennt das so ein Maxi-Mini-Konzept.
    Es interessiert mich nicht, wie die anderen dabei abschneiden und es interessiert mich auch nicht die Größe des Kuchens, das ist aber das, was für Burschen wichtig ist.""

    Die Parallelen zum Teamsport mit dem viel beschworenen Mannschaftsgeist liegen für Sutter auf der Hand: Man kann nur gewinnen, wenn man zusammenarbeitet und kooperiert.

    "Allerdings wir wissen auch, dass zum Beispiel bei Bayern München manche Spieler mehr verdienen als andere. Also wenn sie mehr glänzen auf dem linken Flügel wie Frank Ribery, dann verdienen sie mehr als der rechte Außenverteidiger. Der hat nicht so sehr geglänzt, ob wohl beide absolut gleich davon abhängig sind, dass die ganzen elf, die auf dem Feld sind, erfolgreich zusammenspielen.

    Es gibt einen Weg zu gewinnen: Ihr könnt heute spielen und gewinnen! Du kannst es beeinflussen, indem Du deinen Nebenmann, Deinen Mitspieler zum Gewinner machst. Dass Du seine Wichtigkeit für das Team sehen kannst. Er wird heute den besten Tag seines Lebens haben und ihr als Team könnt es gewinnen. (zitiert aus: DST Coaching, Teamspirit Motivation "Just play")

    ""Jeder läuft und kämpft halt für den anderen und wenn einer nen Fehler macht, dann bügeln die anderen den mit aus. Konkurrenzkampf gibt es auch in der Mannschaft, aber eigentlich soll man elf Freunde sein und ja, man bemüht sich."

    "In der Wirtschaft ist es im Grunde schon ähnlich, also meine Leistung hängt davon ab, dass ich Informationen bekommen hab, dass mir Leute zuarbeiten und mich nicht blockieren oder sabotieren im schlimmsten Fall. Doch in vielen Fällen, denken wir an Produktionsprozesse, denken wir an beispielsweise Autoproduktion ist es am Schluss wichtig, dass ein Produkt rauskommt und alle müssen dazu beitragen und je mehr Autos produziert werden, desto mehr bekommen die an Bonuszahlungen."

    Solange der Vorteil einer einzelnen Person von der Teamleistung abhängt und trotzdem individuelle Komponenten dabei sind, das bezeichnet Sutter als interne Differenzierung, solange sind im Sport wie auch in der Wirtschaft die Anreize für die Mitarbeiter im Grunde identisch. Erfolgreiche Teams tauschen sich untereinander aus, sie behalten die gegnerische Position im Blick und schärfen somit den Blick auf die eigene Situation und mögliche Entscheidungsoptionen.

    "Was jetzt erfolgreiche Teams auszeichnet ist, dass sie das Know How, das in der Gruppe ist, wirklich gut nützen und mal jeden nüchtern und unvoreingenommen befragen: wie siehst denn du das, was ist deine Meinung, was für Argumente sprechen dafür oder dagegen eine bestimmte Aktion zu tätigen."

    Ein "Alphamann", der sich im Team zu profilieren suche und die Richtung vorgeben wolle, behindere den Austausch wertvoller Informationen untereinander und damit verkleinere sich die Basis für Entscheidungen. Eines allerdings hebt Matthias Sutter hervor: Teamarbeit mit einer weiblichen oder männlichen Führungspersönlichkeit kann überaus erfolgreich sein, das haben er und sein Mitarbeiter in ihrer Forschungsarbeit an der Universität Innsbruck immer wieder bestätigt bekommen.

    "Wenn Sie jemanden haben, der mit gutem Beispiel vorangeht und dieses Beispiel andere Teammitglieder sehen, und wahrnehmen können, dann haben Sie die höchstmöglichen Kooperationsraten in diesem Team. Das ist wirklich großartig. Das heißt Sie haben ein Teammitglied, dass für die anderen mit gutem Beispiel vorangeht, mal einen Kaffee macht oder in der Früh da ist und die Unterlagen schon herrichtet, auch wenn’s gar nicht die Aufgabe der Person wäre und das steckt an. Aus welchem Grund? Weil wir seit Jahren wissen, dass Menschen bereit sind und mitzuarbeiten fürs große gemeinsame Ganze, wenn sie sehen, dass es andere auch tun und erwarten, dass es andere auch tun."