Die Werkshalle des Autoherstellers Daewoo in der 6. Oktober Stadt bei Kairo. Ein hohes, fensterloses Gebäude aus Wellblech, ausgestattet mit modernen Maschinen und Fertigungsstraßen. In einer Gruppe von Arbeitern steht Mustafa, Lehrling im dritten Lehrjahr. Er ist schmächtig, und mit seinen 17 Jahren um einiges jünger als seine Kollegen. Trotzdem wird er ernst genommen. "Er ist begabt", sagt sein Meister, "ein hervorragender Automechaniker".
Heute arbeitet Mustafa in der Endkontrolle: Gerade erklärt er dem Meister, wie er die Scheinwerfer eines Kleinwagens überprüfen will. Drei Tage in der Woche arbeitet Mustafa im Werk, zwei Tage geht er in die Berufsschule. Nach der Abschlussprüfung, dem so genannten Diploma, ist er gelernter Automechaniker. Aufgebaut hat diese Strukturen die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, die GTZ. Dass man das deutsche System allerdings nicht eins zu eins auf Ägypten übertragen kann, war Peter-Michael Schmidt, Programmdirektor bei der GTZ, von vornherein klar:
"Wir haben versucht, bestimmte Elemente aus dem deutschen dualen System zu übertragen und dabei zu ägyptisieren. Das musste sein, weil die Strukturen, wie sie in Deutschland vorhanden sind, hier gar nicht existieren. Hier gibt es zum Beispiel Industrie und Handelskammern, aber die haben keine Funktion bei der Ausbildung. In Deutschland gibt es Ausbildungsausschüsse bei den Kammern, die exakt das duale System unterstützen. Die sind dafür eingerichtet worden und führen Prüfungen durch und so weiter. Kammern sind hier Interessensverbände der Unternehmen, die haben keine Ausbildungsfunktion."
Also baute die GTZ so genannte Regionale Zentren auf, die Prüfungen abnehmen und Lehrlinge betreuen. Die Initiative konzentriert sich bislang vor allem auf technische Berufe; dabei profitiert sie von dem guten Ruf deutscher Technik in Ägypten. Dennoch war die Suche nach Ausbildungsbetrieben mühsam:
"Obwohl es zum Teil große Unternehmen sind, war es immer wieder schwierig, ihnen klar zu machen, dass sie für die Ausbildung mit zuständig sind und das auch bezahlen müssen. Die Erwartung ist immer, der Staat muss das machen."
Doch inzwischen ist sogar die ägyptische Regierung von den Vorzügen des deutschen Systems überzeugt: Die gesamte technische Berufsausbildung in Ägypten soll irgendwann nach deutschem Vorbild reformiert werden. Die Unternehmer, die das deutsche System unterstützen, haben sich zu einem so genannten nationalen Zentrum zusammen geschlossen, um ihre Interessen besser vertreten zu können. Fayez Mikhael, Vorsitzender dieses Zentrums, erklärt den Unterschied zwischen staatlichen Berufsfachschulen und der Mubarak-Kohl-Initiative:
"Die Mubarak-Kohl-Initiative funktioniert nach einem völlig anderen Prinzip als die handwerklichen Trainingszentren des Industrieministeriums: Der Schüler lernt ab dem ersten Lehrjahr den Betrieb kennen, er verbringt so viel Zeit wie möglich in der Fabrik. Auf diese Weise lernt er schneller und gezielter, die Firma kann jetzt und in Zukunft von ihm profitieren. Im staatlichen System dagegen verbringt der Schüler zwei Jahre im Trainingszentrum, um Grundkenntnisse zu erwerben, erst das dritte Jahr verbringt er dann komplett im Betrieb."
Einen weiteren wesentlichen Unterschied sieht Mikhael in der Auswahl der Lehrberufe. Hier profitiert die Wirtschaft direkt von der flexiblen und marktorientierten Herangehensweise der Mubarak Kohl Initiative:
"Die Betriebe entscheiden selbst, in welchen Berufen sie ausbilden wollen. Beim staatlichen System dagegen richtet sich die Auswahl der Berufe nach den Möglichkeiten der Ausbildungszentren. Nach dem zweiten Lehrjahr muss man dann Betriebe suchen, die die Lehrlinge übernehmen, das ist natürlich ein großer Unterschied."
Nähkurs in der Mubarak-Kohl-Berufschule in der Sechster-Oktober-Stadt. Ungefähr 20 Mädchen aus dem dritten Lehrjahr sitzen an hölzernen Schultischen in einem weiß gestrichenen Klassenzimmer und nähen auf deutschen Nähmaschinen Brusttaschen für ein Oberhemd. Das Schulgebäude hat der Staat zur Verfügung gestellt, die Maschinen kommen aus Deutschland, ebenso das erste Training für die Lehrer. Azza Hafiza zum Beispiel, hat drei Jahre bei einem deutschen Schneider gelernt. Nun gibt sie ihr Wissen an die Schülerinnen weiter.
Die Mubarak-Kohl-Schule ist ein freundliches, sauberes Gebäude: Um einen begrünten Innenhof verlaufen halboffene Flure mit hellen Klassenräumen. Die Schülerzahlen pro Klasse sind mit ca. 30 pro Klasse deutlich niedriger als in staatlichen Schulen. Mai, angehende Bürokauffrau, lernt gerne hier:
"Ich gehe extra in diese Schule, damit ich nach der Lehre eine Arbeit finde. Durch die Praxiserfahrung lerne ich schon während der Ausbildung viel über den Umgang mit Kunden und so weiter. Ich qualifiziere mich so, dass die Firma mich nach der Lehre brauchen kann."
Immerhin 86 Prozent der Absolventen bekommen hinterher einen Arbeitsplatz in den Betrieben, in denen sie ausgebildet wurden. Das zeigt, dass die Betriebe tatsächlich für ihren eigenen Bedarf ausbilden. Das ist erfreulich. Die Zahl ist erheblich höher als in Deutschland.
Die Mubarak-Kohl-Initiative ist ein Beispiel für gelungene Entwicklungshilfe, sagt Peter-Michael Schmidt von der GTZ: Auch wenn die Deutschen sich jetzt zurückziehen würden, liefe das Projekt weiter – getragen von Staat und Wirtschaft. Doch nach wie vor hat nur ein Bruchteil aller Ägypter die Möglichkeit, eine Lehrstelle von dieser Qualität zu finden:
"Sie haben in Ägypten die Möglichkeit das duale System für etwa 30-50 Tausend Jugendliche pro Jahr auszubauen, aber es geht um rund 900 Tausend. Um mal die Größenordnung zu vergleichen, das ist unser Anteil daran, mehr werden wir nicht schaffen zur Zeit. Denn dual heißt ja, Sie haben immer einen Partner auf der Seite der Wirtschaft, der für die Ausbildung zuständig und verantwortlich ist und auch mitfinanziert. Und den haben Sie in Ägypten nur begrenzt."
Und noch einen weiteren Nachteil gibt es, der fast schwerer wiegt als die geringe Zahl der Lehrlinge: Einmal in den Genuss einer guten Ausbildung gekommen, wollen viele von ihnen weitermachen.
Huda, Schneiderin im dritten Lehrjahr, überlegt sich, nach der Lehre Textildesign zu studieren. Ein Problem, mit dem die Büros der Mubarak-Kohl-Initiative oft konfrontiert werden: Ein Gesellenbrief, oder Diplom, wie es hier heißt, ist den meisten nicht genug. Nach Ansicht von Inas, zuständig für die Lehrlingsvermittlung in der 6.-Oktober-Stadt, gibt es mehrere Gründe dafür:
"Der erste Grund ist, dass das so genannte Diplom in Ägypten allgemein nicht viel zählt. Das zweite Problem ist der Militärdienst: Mit Diplom muss man zwei Jahre zum Militär, wer einen höheren Abschluss hat, verkürzt diese Zeit auf ein Jahr. Wer sich verloben will, muss Zeugnisse vorweisen, auch da reicht ein Diplom nicht."
In Ägypten hat Handwerk keinen goldenen Boden – selbst wenn gute Facharbeiter früher anfangen zu arbeiten und mit umgerechnet rund 60 Euro oft mehr verdienen, als die unzähligen Ingenieure des Landes. Doch in den Köpfen der Menschen werden Handwerksberufe nach wie vor in schummrigen Werkstätten weitervererbt, ein Facharbeiter mit Diplom gilt kaum mehr als ein angelernter Schuster. Vielleicht würde hier ein ägyptischer Meisterbrief weiterhelfen – doch dafür braucht es eine neue Initiative.
Heute arbeitet Mustafa in der Endkontrolle: Gerade erklärt er dem Meister, wie er die Scheinwerfer eines Kleinwagens überprüfen will. Drei Tage in der Woche arbeitet Mustafa im Werk, zwei Tage geht er in die Berufsschule. Nach der Abschlussprüfung, dem so genannten Diploma, ist er gelernter Automechaniker. Aufgebaut hat diese Strukturen die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, die GTZ. Dass man das deutsche System allerdings nicht eins zu eins auf Ägypten übertragen kann, war Peter-Michael Schmidt, Programmdirektor bei der GTZ, von vornherein klar:
"Wir haben versucht, bestimmte Elemente aus dem deutschen dualen System zu übertragen und dabei zu ägyptisieren. Das musste sein, weil die Strukturen, wie sie in Deutschland vorhanden sind, hier gar nicht existieren. Hier gibt es zum Beispiel Industrie und Handelskammern, aber die haben keine Funktion bei der Ausbildung. In Deutschland gibt es Ausbildungsausschüsse bei den Kammern, die exakt das duale System unterstützen. Die sind dafür eingerichtet worden und führen Prüfungen durch und so weiter. Kammern sind hier Interessensverbände der Unternehmen, die haben keine Ausbildungsfunktion."
Also baute die GTZ so genannte Regionale Zentren auf, die Prüfungen abnehmen und Lehrlinge betreuen. Die Initiative konzentriert sich bislang vor allem auf technische Berufe; dabei profitiert sie von dem guten Ruf deutscher Technik in Ägypten. Dennoch war die Suche nach Ausbildungsbetrieben mühsam:
"Obwohl es zum Teil große Unternehmen sind, war es immer wieder schwierig, ihnen klar zu machen, dass sie für die Ausbildung mit zuständig sind und das auch bezahlen müssen. Die Erwartung ist immer, der Staat muss das machen."
Doch inzwischen ist sogar die ägyptische Regierung von den Vorzügen des deutschen Systems überzeugt: Die gesamte technische Berufsausbildung in Ägypten soll irgendwann nach deutschem Vorbild reformiert werden. Die Unternehmer, die das deutsche System unterstützen, haben sich zu einem so genannten nationalen Zentrum zusammen geschlossen, um ihre Interessen besser vertreten zu können. Fayez Mikhael, Vorsitzender dieses Zentrums, erklärt den Unterschied zwischen staatlichen Berufsfachschulen und der Mubarak-Kohl-Initiative:
"Die Mubarak-Kohl-Initiative funktioniert nach einem völlig anderen Prinzip als die handwerklichen Trainingszentren des Industrieministeriums: Der Schüler lernt ab dem ersten Lehrjahr den Betrieb kennen, er verbringt so viel Zeit wie möglich in der Fabrik. Auf diese Weise lernt er schneller und gezielter, die Firma kann jetzt und in Zukunft von ihm profitieren. Im staatlichen System dagegen verbringt der Schüler zwei Jahre im Trainingszentrum, um Grundkenntnisse zu erwerben, erst das dritte Jahr verbringt er dann komplett im Betrieb."
Einen weiteren wesentlichen Unterschied sieht Mikhael in der Auswahl der Lehrberufe. Hier profitiert die Wirtschaft direkt von der flexiblen und marktorientierten Herangehensweise der Mubarak Kohl Initiative:
"Die Betriebe entscheiden selbst, in welchen Berufen sie ausbilden wollen. Beim staatlichen System dagegen richtet sich die Auswahl der Berufe nach den Möglichkeiten der Ausbildungszentren. Nach dem zweiten Lehrjahr muss man dann Betriebe suchen, die die Lehrlinge übernehmen, das ist natürlich ein großer Unterschied."
Nähkurs in der Mubarak-Kohl-Berufschule in der Sechster-Oktober-Stadt. Ungefähr 20 Mädchen aus dem dritten Lehrjahr sitzen an hölzernen Schultischen in einem weiß gestrichenen Klassenzimmer und nähen auf deutschen Nähmaschinen Brusttaschen für ein Oberhemd. Das Schulgebäude hat der Staat zur Verfügung gestellt, die Maschinen kommen aus Deutschland, ebenso das erste Training für die Lehrer. Azza Hafiza zum Beispiel, hat drei Jahre bei einem deutschen Schneider gelernt. Nun gibt sie ihr Wissen an die Schülerinnen weiter.
Die Mubarak-Kohl-Schule ist ein freundliches, sauberes Gebäude: Um einen begrünten Innenhof verlaufen halboffene Flure mit hellen Klassenräumen. Die Schülerzahlen pro Klasse sind mit ca. 30 pro Klasse deutlich niedriger als in staatlichen Schulen. Mai, angehende Bürokauffrau, lernt gerne hier:
"Ich gehe extra in diese Schule, damit ich nach der Lehre eine Arbeit finde. Durch die Praxiserfahrung lerne ich schon während der Ausbildung viel über den Umgang mit Kunden und so weiter. Ich qualifiziere mich so, dass die Firma mich nach der Lehre brauchen kann."
Immerhin 86 Prozent der Absolventen bekommen hinterher einen Arbeitsplatz in den Betrieben, in denen sie ausgebildet wurden. Das zeigt, dass die Betriebe tatsächlich für ihren eigenen Bedarf ausbilden. Das ist erfreulich. Die Zahl ist erheblich höher als in Deutschland.
Die Mubarak-Kohl-Initiative ist ein Beispiel für gelungene Entwicklungshilfe, sagt Peter-Michael Schmidt von der GTZ: Auch wenn die Deutschen sich jetzt zurückziehen würden, liefe das Projekt weiter – getragen von Staat und Wirtschaft. Doch nach wie vor hat nur ein Bruchteil aller Ägypter die Möglichkeit, eine Lehrstelle von dieser Qualität zu finden:
"Sie haben in Ägypten die Möglichkeit das duale System für etwa 30-50 Tausend Jugendliche pro Jahr auszubauen, aber es geht um rund 900 Tausend. Um mal die Größenordnung zu vergleichen, das ist unser Anteil daran, mehr werden wir nicht schaffen zur Zeit. Denn dual heißt ja, Sie haben immer einen Partner auf der Seite der Wirtschaft, der für die Ausbildung zuständig und verantwortlich ist und auch mitfinanziert. Und den haben Sie in Ägypten nur begrenzt."
Und noch einen weiteren Nachteil gibt es, der fast schwerer wiegt als die geringe Zahl der Lehrlinge: Einmal in den Genuss einer guten Ausbildung gekommen, wollen viele von ihnen weitermachen.
Huda, Schneiderin im dritten Lehrjahr, überlegt sich, nach der Lehre Textildesign zu studieren. Ein Problem, mit dem die Büros der Mubarak-Kohl-Initiative oft konfrontiert werden: Ein Gesellenbrief, oder Diplom, wie es hier heißt, ist den meisten nicht genug. Nach Ansicht von Inas, zuständig für die Lehrlingsvermittlung in der 6.-Oktober-Stadt, gibt es mehrere Gründe dafür:
"Der erste Grund ist, dass das so genannte Diplom in Ägypten allgemein nicht viel zählt. Das zweite Problem ist der Militärdienst: Mit Diplom muss man zwei Jahre zum Militär, wer einen höheren Abschluss hat, verkürzt diese Zeit auf ein Jahr. Wer sich verloben will, muss Zeugnisse vorweisen, auch da reicht ein Diplom nicht."
In Ägypten hat Handwerk keinen goldenen Boden – selbst wenn gute Facharbeiter früher anfangen zu arbeiten und mit umgerechnet rund 60 Euro oft mehr verdienen, als die unzähligen Ingenieure des Landes. Doch in den Köpfen der Menschen werden Handwerksberufe nach wie vor in schummrigen Werkstätten weitervererbt, ein Facharbeiter mit Diplom gilt kaum mehr als ein angelernter Schuster. Vielleicht würde hier ein ägyptischer Meisterbrief weiterhelfen – doch dafür braucht es eine neue Initiative.