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Gegen das Doping von morgen

Medizin. - Immer häufiger werden beim Doping Präparate benutzt, die noch in der Erprobung sind, weil diese kaum nachgewiesen werden können. Doch diesmal sind die Fahnder schneller: mit einem Test gegen eine im Leistungssport viel versprechende Substanz.

Von Volker Mrasek |
    Wer ins Doping-Labor an der Deutschen Sporthochschule in Köln will, muss hoch hinaus, bis in den 7. Stock des größten Gebäudes am Platz. In diesen kalten Wintertagen nimmt auch Simon Beuck lieber den Fahrstuhl als die Außentreppe. Der Chemiker ist Doktorand am Institut für Biochemie.

    "Das könnte eigentlich von der Größe genauso gut mein Schlafzimmer sein."

    In diesem Schlafzimmer-großen Labor befinden sich: ein Werkplatz mit Luftabzug und hochgeschobener Schutzscheibe, ein Schreibtisch mit Computern – und zwei kompakte Analysegeräte: das eine ist ein Chromatograph, das andere ein Massenspektrometer.

    "Hört sich komplizierter an, als es eigentlich ist. Da wird im Grunde eigentlich nur eine Probe aufgetrennt und in diesem Massenspektrometer, was danach kommt, einfach analysiert."

    Die Geräte mögen ganz normaler Laborstandard sein. Die Probe aber, mit der Simon Beuck hantiert, ist es nicht:

    "In einer kleinen Ampulle befindet sich der Wirkstoff S-107, in einer Standardprobe."

    S-107. Ein kryptisches Kürzel. Doch wer sich in der Pharmakologie auskennt, der weiß: solche Bezeichnungen tragen Wirkstoffe, solange sie noch nicht zugelassen sind. So wie S-107. Die Substanz gehört zur Gruppe der so genannten Benzothiazepine und befindet sich derzeit noch in der klinischen Erprobung als Präparat gegen Herzrhythmusstörungen. S-107 bewirkt aber auch, dass Skelettmuskeln nicht so schnell ermüden. Das konnten US-Forscher zeigen. Das Herzpräparat ist daher vermutlich längst in das Visier von Doping-Betrügern im Sport geraten. Davon ist Mario Thevis überzeugt, Professor für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule:

    "Es gibt keine Hinweise, dass diese Präparate bereits im Sport eingesetzt werden. Allerdings ist das Missbrauchspotential sehr groß. Zum einen ist zumindest am Tiermodell nachgewiesen worden, dass es funktioniert. Man hat schon Parallelen gezogen, dass die muskulären Veränderungen bei ausdauertrainierten Mäusen und ausdauertrainierten Menschen identisch sind. Zudem ist dieses Präparat verhältnismäßig leicht herzustellen, was ebenfalls ein Indiz dafür ist, dass Versuche gestartet werden können, dieses Präparat über den Schwarzmarkt zu beziehen. Und von daher müssen wir auf jeden Fall gewarnt sein und Nachweisverfahren entwickeln."

    Genau das ist jetzt geschehen. Die Kölner Forscher haben S-107 im Labor nachgebaut und kennen nun den Fingerabdruck der Substanz. Sie verrät sich durch ihre zentrale Molekülstruktur: ein charakteristisches Doppelringsystem, das Schwefel und Stickstoff enthält. Im Urin von Sportlern könnte es bei Bedarf schon heute nachgewiesen werden.

    "Das ist auch das Charmante an der ganzen Geschichte. Wir müssen jetzt keine neuen Geräte oder keine neuen Prozeduren etablieren. Im Grunde können wir die Prozeduren, die wir für den Nachweis von anabolen Steroiden beispielsweise einsetzen, verwenden, um diese Präparate aufzudecken."

    Doch so weit soll es erst gar nicht kommen. Thevis und seine Mitarbeiter setzen eher auf das Prinzip Abschreckung:

    "Wir brauchen nicht den Skandal. Wir müssen nicht einen Sportler überführen, um Doping zu unterbinden. Denn allein die Tatsache, dass wir es testen können, dass alle Laboratorien es testen können, sollte ausreichen, einen Sportler vom Missbrauch solcher Substanzen abzuhalten."

    Es gibt noch andere mögliche Missbrauchskandidaten aus den Entwicklungslabors der Pharma-Industrie. Die Kölner Biochemiker kümmern sich schon um die nächsten. Um so genannte HIF-Stabilisatoren gegen Blutarmut. Sie könnten auf das im Spitzensport verbreitete Blutdoping mit Epo folgen. Denn die Stoffe müssen nicht aufwendig gespritzt werden; man kann sie einfach schlucken. Selbst wenn solche Präparate am Ende gar keine Zulassung als Medikament bekommen – für Doping-Sünder behalten sie dennoch ihren Reiz, wie Mario Thevis aus Erfahrung weiß:

    "Es gibt zahllose Verbindungen, die die klinischen Testphasen nie absolviert haben, weil man festgestellt hat: Es gibt viel zu viele Nebenwirkungen. Und nichtsdestoweniger finden wir solche anabolen Steroide in Elitesportlern bei den Olympischen Spielen. Erst jetzt in Peking passiert."

    Den Kölner Dopingforschern, davon darf man ausgehen, wird es auch in Zukunft nicht an Arbeit mangeln.