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Gegen das Vergessen und Verdrängen

An der Universität Freiburg, an der Pädagogischen Hochschule und an der Evangelischen und der Katholischen Fachhochschule in Freiburg wird an Projekten gearbeitet, die den Nationalsozialismus, oder aber die Auseinandersetzung mit ihm heute aufarbeiten. Warum diese Aktivitäten nicht zusammenführen und koordinieren – das war die Frage, aus der der Verein " Erinnern und Lernen" hervorging. Seine Aufgabe soll nicht nur sein, Wissenslücken zu schließe, sondern die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu verändern. Der Rektor der Freiburger Universität, Wolfgang Jäger:

Von Horst Hüncker |
    Wie wehrt man den Tendenzen, Erinnerung als Routine, als leere Symbolik zu betreiben? – Und damit ist das natürlich ein pädagogisches Problem, ein didaktisches Problem.

    So gelte es, vernachlässigte Aspekte des Nationalsozialismus aufzuarbeiten, etwa die Gefühle, die viele alte Menschen, die das Dritte Reich erlebt haben, damit verbinden. Der Vereinsvorsitzende Stefan Marks von der Pädagogischen Hochschule:

    Die Schüler/innen werden konfrontiert mit den Fakten, mit den Zahlen, mit den Daten. Das ist wichtig. Sie werden konfrontiert mit dem Leiden der Opfer, Auschwitz, Konzentrationslager usw. Das ist wichtig, unverzichtbar, aber was eben, meine ich, noch oft fehlt, ist die Auseinandersetzung mit den Motiven: die Lust zu denunzieren, die Lust, die Nachbarn zu verraten, oder wegzuschauen, wenn die Juden aus der Nachbarschaft abtransportiert werden, bis zur Lust zu töten. Da müssen wir uns auch irgendwie auseinandersetzen, denn wir können da nicht ein Vakuum, eine Leerstelle machen.

    Publikationen, Seminare und Tagungen sollen die Überraschung überwinden helfen, die den einen oder anderen befallen mag, wenn Zeitzeugen anders reagieren, als ein oder zwei Generationen später erwartet wird.

    Ich denke, dass es eine große Unsicherheit auslöst, wenn Menschen aus dieser Zeit berichten, und wenn sie nicht wie das erwartet wird, das Schlimme betonen und die persönliche Betroffenheit daraus, sondern etwas berichten, was für sie damals schön war, gut - worauf sie auch möglicherweise stolz sind.

    So Christoph Steinebach, Rektor der Katholischen Fachhochschule. Ein Projekt der Evangelischen Fachhochschule hat sich bereits mit dem Verhalten von Lehrern beschäftigt, die mit dem Geschichtsbild mancher Schüler nicht klar kamen:

    Wir haben die Beobachtung gemacht, dass oft genug Lehrer in die Haltung fallen, Schüler nicht mehr wert zu schätzen, wenn dieses Thema auf dem Lehrplan steht. Pädagogisch sinnvoll ist eine Kommunikation im Unterricht überhaupt zu initiieren und auch durchzuhalten und politisch korrekte Haltungen natürlich zu haben, aber nicht sozusagen mit erhobenem Zeigefinger zu unterrichten.

    So Professor Wilhelm Schwendemann von der Evangelischen Fachhochschule. Neben den Hochschulen sind auch die Erzdiözese Freiburg oder die Caritas Mitglieder des Vereins "Erinnern und Lernen", ebenso die Stadt Freiburg. Stefan Marks:

    Orte, Geld, Infrastruktur, Kontakte und Unterstützung – also es ist ja schon wichtig bei dem Projekt, dass man das nicht sozusagen gegen die Öffentlichkeit einer Stadt macht, sondern sagt: Wir sind zusammen, uns allen ist das wichtig. Deswegen finde ich gerade diese Kooperation der Hochschulen, der Stadt und der Caritas und der anderen Verbände einfach hervorragend.

    Das Geld für die Forschungsprojekte und den Transfer ihrer Ergebnisse zu den Lehrern oder Sozialarbeitern soll aber von Organisationen kommen, die selbst ein vitales Interesse an einer aktualisierten Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus haben.