Landsmannschaftliches. Stefan Schwarz lebt und schreibt in Leipzig, seine Texte erschienen zuvor im ostdeutschen Identitätsbewahrungsorgan "Das Magazin", sind aber gesamtdeutsch angelegt und verraten sich allenfalls durch architektonische Details wie "Plattenbauzimmer". Mark Spörrle lebt und schreibt in Hamburg, seine Texte erschienen zuvor nicht im westdeutschen Identitätsbewahrungsorgan "Die Zeit", wiewohl er dort als Redakteur arbeitet. Dieser Umstand kann als Misstrauensvotum seiner Kollegen gewertet werden und führt zu einer leichten Abwertung. Selbstverständlich sind Spörrles Geschichten gesamtdeutsch angelegt, weil in seinem Universum der Osten gar nicht vorkommt. Das leitet uns zu Punkt drei über:
Milieuliches. Schwarz bevorzugt das familiäre Chaos mit angetrauter Frau und zwei Kindern, Spörrle das gehobene Altbaumilieu mit Lebensabschnittspartnerin. In der Sprache der Parteienforscher sind beide bürgerliche Ikea-Wähler. Damit Gleichstand und Übergang zu Punkt vier:
Fragliches. "Ist der Herd wirklich aus?" sorgt sich Mark Spörrle, "War das jetzt schon Sex?" verzweifelt Stefan Schwarz. Auf den ersten Blick derselbe rhetorische Kunstgriff, auch die Untertitel "Irrwitzige Geschichten aus dem wahren Leben" versus "Frauen, Familie und andere Desaster" erscheinen austauschbar. Der Kenner bemerkt allerdings schon an der Fragestellung, dass es einmal um die Tücke des Objekts geht (Herde, Hemden, Hotlines), und einmal um Beziehungsprobleme (Frauen, Kinder, Kinder, Frauen). Vorteil für Schwarz, denn Objekte schweigen und müssen durch Beschreibungsarbeit komisch gemacht werden, während Beziehungen per se lachhaft sind. Das führt uns zu Punkt fünf:
Vorbildliches. Stefan Schwarz hätte nichts dagegen, mit Axel Hacke verwechselt zu werden, während Mark Spörrle dem Traum nachhängt, als deutscher Neffe von Roald Dahl in die Annalen des dazu passend gewählten Rowohlt-Verlags einzugehen. Schafft er es? Beachten wir dazu Punkt sechs:
Fehlerhaftes. Stefan Schwarz schreibt zwar gerne arabeske Sätze, beherrscht die deutsche Grammatik aber tadellos. Mark Spörrle bevorzugt einen geradlinigen Stil, dessen Arglosigkeit jene Volten verdeckt, die sich in überraschenden Schlusswendungen offenbaren. Aber er kennt den Unterschied zwischen "Dauerauftrag" und "Einzugsermächtigung" nicht. Das ist für einen ZEIT-Redakteur nicht nur einigermaßen blamabel, sondern lässt die Luft aus allen Roald-Dahl-Träumen, denn im Fach "Pointenfeinmechanik" kommt es auf haarfeine Bedeutungsunterschiede an, und wenn die Umklappdramaturgie einer ganze Geschichte an einem solchen Fehlers scheitert, muss die humoristische Kernkompetenz bezweifelt werden. Damit wären wir abschließend bei Punkt sieben angelangt:
Lachhaftes. Kichern, Gickeln, Schmunzeln? Oder schenkelklopfend schallend gelacht? Bei Spörrle: weder das eine, noch das andere. Er schreibt wie ein Humorist, wäre aber gerne spannungsgeladener Satiriker, bei dem jede Überzeichnung den Atem stocken lässt. Leider schnarcht man nur so dahin. Stefan Schwarzens Buch ist auch keine brüllend komische Angelegenheit, aber das will es auch gar nicht sein, weil es die grundlegenden humoristischen Regeln beherzigt: Sage die Wahrheit, übertreibe nur ein bisschen, und klappe treuherzig die Augen hoch. Dann lacht das Publikum im innigen Einverständnis mit dem Vortragenden, und alle sind glücklich.
Stefan Schwarz: "War das jetzt schon Sex?"
Goldmann, 139 Seiten, 6,95 Euro
Mark Spörrle: "Ist der Herd wirklich aus?"
Rowohlt, 155 Seiten, 7,90 Euro