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Gegen den Zeitgeist

Sie stammt aus Worpswede, Anti-Atom-Bewegung und Hausbesetzerszene waren ihr vertraute Milieus: Seit Anfang der 90er lebt die Konzeptkünstlerin Josephine Meckseper in New York, wo sie auch erstmals das für sie inzwischen charakteristische Palästinensertuch in ihre Arbeiten integrierte. Im Stuttgarter Kunstmuseum ist nun auf vier Etagen das Gesamtwerk von Josephine Meckseper zu sehen.

Von Christian Gampert |
    Die Frage, ob man ja oder nein sagen soll zur Gesellschaft oder zur Welt im allgemeinen, hat die Künstlerin Josephine Meckseper salomonisch gelöst: in einem ihrer Schaufenster lässt sie einen Hasen kreisen, und der hat ein Schild in der Hand - auf der einen Seite steht "oui", auf der anderen "non". Zusätzlichen Reiz erhält das Ganze dadurch, dass das Arrangement vielfach gespiegelt wird und daneben ein paar Parfümflaschen stehen mit der Aufschrift "Ne travaillez jamais" - niemals arbeiten, das alte Motto der Situationisten.

    Nun ist die Kunstgeschichte reich an Hasen, von Dürer bis Beuys, und das Showgeschäft ist reich an Häschen, die eigentlich auch nicht arbeiten wollen. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich Meckseper: Kunst und Show- bzw. Warenwelt, wobei als verbindendes Element noch eine explizit politische Weltwahrnehmung hinzukommt. Josephine Meckseper stammt aus einer Künstlerfamilie - ihr Vater, der Grafiker Friedrich Meckseper, lebte lange in Worpswede und unterhielt ausgiebige Kontakte zur radikalen Linken. Die Tochter hat sich im Antiatom- und Hausbesetzer-Kampf der 80iger Jahre sozialisiert, bevor sie Anfang der 90iger nach New York ging, und das in der Szene damals viel getragene Palästinensertuch, im Jargon: das Pali-Tuch, gehört zu den wichtigsten Requisiten ihrer Installationen.

    Allerdings ist auch Josephine Meckseper aufgefallen, dass die politische Welt nicht mehr so ist, wie sie mal war, dass alles aufgefressen wird von Inszenierung und Vereinnahmung und dass politische Extrempositionen meist nicht viel mehr sind als "radical chic" - oder einfach ein Bemühen, Aufmerksamkeit zu erlangen. Aus dieser Einsicht lebt ihre keimfreie Kunst, jedenfalls, so lange sie in Vitrinen stattfindet, die man hübsch ironisch bestücken kann. Ihr Motto heißt also: Warenästhetik und Weltrevolution (die leider abgesagt werden musste), Glamour plus Gutmenschentum, alles postmodern abgemischt. Oft aber bricht der alte, ernst gemeinte Wunsch nach politischer Authentizität durch, etwa wenn Meckseper Anti-Bush-Demonstranten im Jahr 2005 per altertümlicher Super-8-Kamera filmt und mit diesen anachronistisch wirkenden Medium einen Bezug zwischen Anti-Vietnam- und Anti-Irakkriegs-Bewegung herstellen möchte. Als wenn das so einfach wäre.

    Die Ausstellung im Stuttgarter Kunstmuseum ist sehr übersichtlich und luftig eingerichtet; sie betont den Fetisch-Charakter des Kunstwerks, indem sie Mecksepers reichlich banal gehaltene Arbeiten wie Ikonen in den leeren Raum stellt. Hammer und Sichel auf einem spiegelnden Sockel, Birkenstock-Sandalen auf einem Podest: das Revolutionäre und das Spießige liegen nah beieinander - keine ganz neue Erkenntnis. Eine Schaufensterpuppe trägt die Requisiten der reicher gewordenen Szene: Parka-Kapuze und Palästinensertuch - und ein vergoldetes Marihuana-Blatt an der Halskette. Und die Schwesterparteien CDU und CSU, auch sie erkennbar an den Halskettchen, räkeln sich auf einem Foto als tief dekolletierte Luxusweibchen vor dem Kamin.

    Dekorations-Kunst muss man das wohl nennen - und Meckseper steht auch dazu: in ihre Collagen sind immer wieder Strumpfbänder oder der Stoff des Pali-Tuchs ornamental eingewoben, und in ihre großformatigen Fotoserien kühl blickender Models flickt sie kurz mal von Mondrian inspirierte Ölbilder als Abstraktum ein, Farbkäfige. Anleihen bei Jugendstil und russischem Konstruktivismus dienen der einerseits sentimental-feministischen, andererseits politischen Verortung der Arbeiten. Denn Josephine Meckseper leidet auch an den Männern und ihrem sexualisierenden Blick; dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Also zieht sie auf ihren Fotos jugendlichen Models geronto-orthopädische Stützstrümpfe an oder lässt sie Korsetts für ältere Damen tragen. Oder sie drapiert einen peinlichen silbernen Penis in Pornobilder.

    Natürlich hat solch politisch gemeinte Kunst auch etwas Lächerliches: teure Calvin-Klein-Unterhosen, konfrontiert mit armen asiatischen Näherinnen, dahinter ein zerborstener Spiegel als Sinnbild der Empörung - als künstlerisches Statement ist das reichlich naiv. Wäre es nicht an der Zeit, das Palästinensertuch einfach abzulegen, wegzulassen, statt es in Installationen zu verwenden, die zwischen Auflehnung und Schick fein oszillieren? Auch wenn diverse Zeitgeist-Gazetten Meckseper nun bejubeln: ihr Salonmarxismus ist ein Symptom dessen, was sie denunziert.

    Aber auch das hat Josephine Meckseper natürlich schon einkalkuliert: als Spiel mit Variablen, die einander schachmatt setzen.