Mittwoch, 17. April 2024

Archiv


Gegen die Gleichschaltung

Der evangelische Pastor Niemöller ahnte bereits 1935 die Bedrohung, die von den Nazis für den christlichen Glauben ausging. Von der Kanzel hatte er vor der Gefahr einer "neuheidnischen Religion" gewarnt. Niemöller und andere Geistliche, die sich zum Bund der "Bekennenden Kirche" formiert hatten, wurden verhaftet. Auch im KZ wich Niemöller nie von seinen Positionen zurück.

Von Peter Hertel | 17.03.2005
    Sonntag, 17. März 1935. Martin Niemöller, Pfarrer der evangelischen Gemeinde St. Annen zu Berlin-Dahlem, hatte sich auf den Weg von seiner Wohnung zur Kirche gemacht. Vier Jahrzehnte später erinnerte er sich:

    "Als ich vor meine Dahlemer Kirche kam, da war die Kirche geschlossen und die Polizei stand davor und passte auf, dass niemand in die Kirche hineinkam. Der Gottesdienst musste ausfallen."

    An diesem Sonntag sollte von den Kanzeln ein Manifest verlesen werden, das vor einer neuheidnischen Religion warnte. Wenn sie sich in Deutschland durchsetze, so fürchteten die Autoren, werde das Land nicht mehr christlich sein.

    "Wir sehen unser Volk von einer tödlichen Gefahr bedroht. Die Gefahr besteht in einer neuen Religion."

    Die Stoßrichtung zielte auf die NS-Ideologie, namentlich auf den NSDAP-Politiker Alfred Rosenberg. Er hatte in seinem antisemitischen und kirchenfeindlichen Hauptwerk "Der Mythos des 20. Jahrhunderts" einen rassegemäßen Glauben gefordert. Das Manifest befand:

    "Wer Blut und Rasse an Stelle Gottes zum Schöpfer und Herrn aller staatlichen Autorität macht, untergräbt den Staat. Dem Staat ist seine Machtvollkommenheit von Gott verliehen... (Gott) setzt auch der menschlichen Macht Grenzen."

    Das Dokument war zwei Wochen zuvor von der Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union verabschiedet worden. Bekenntnissynode - Bekenntniskirche: dahinter steckte:
    Mehr und mehr hatte sich die evangelische Kirche in Deutschland den Nazis angenähert. 1932 war sogar die Bewegung der Deutschen Christen gegründet worden. Sie setzte sich seit 1933 die Gleichschaltung der evangelischen Kirche mit dem Dritten Reich zum Ziel. Um den Deutschen Christen entgegenzutreten, hatte Niemöller 1933 den Pfarrernotbund gegründet, um den sich örtlich bekennende Gemeinden gesammelt hatten. Sie vereinigten sich ein Jahr später unter seiner Führung, unterstützt durch den Theologen Karl Barth, zur Bekennenden Kirche, die sich über ganz Deutschland ausbreitete.

    An diesem Sonntag wurde die Bekennende Kirche durch die Aktion der Nazis zum ersten Mal gezielt und tätlich angegriffen. Nicht überall war es der Polizei gelungen, die Verlesung des Manifests zu verhindern. Sie musste damit rechnen, dass viele Geistliche es bei nächster Gelegenheit nachholen würden. 200 von ihnen wurden im Laufe des Tages unter Hausarrest gestellt, mehr als 500 verhaftet.

    "Um zehn Uhr abends war die Polizei dann da und nahm mich gleich mit in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz. Dort traf ich bereits andere Berliner Pfarrer, und die wurden immer mehr. Wir waren zehn, von denen mussten vier stehen, weil wir nur für sechs Platz auf den Pritschen hatten und haben uns dann abgelöst. Die Polizei war nicht wenig erstaunt, dass wir am nächsten Morgen den Tag mit "Morgenglanz der Ewigkeit" laut hinaus geschmettert durch die Räume des Polizeipräsidiums begannen.

    Der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei, war schnell klar, dass sie Niemöller, die übrigen Pfarrer und überhaupt die Bekennende Kirche auf diese Weise nicht zum Einknicken bringen könnten. Ja, die Bekennende Kirche hatte unüberhörbar ein Bekenntnis abgelegt, stärker als das gesprochene Wort.

    Innerhalb von zwei Tagen waren alle Inhaftierten wieder frei, das Manifest der Synode durfte am folgenden Sonntag verlesen werden, allerdings nur mit einer abmildernden Präambel. Kirchenpräsident Koch hatte, um die Machtdemonstration der Behörden zu beenden, eine Art Waffenstillstand geschlossen.
    Sehr zum Unwillen Niemöllers, der hart blieb. Deshalb wurde er 1937 ins KZ gesteckt und erst 1945 befreit. In seinen Predigten zwischen 1935 und 1937 war er keinen Zentimeter zurückgewichen:

    "Das ist unsere Last, dass wir unausgesetzt Strolche, Volksfeinde und Landesverräter genannt werden. Wir lehnen es um der Wahrhaftigkeit und um der Ehrlichkeit willen ab, auch nur andeutungsweise von Vergehen und Schuld der Leute zu reden, die vergebens auf einen richterlichen Urteilsspruch nach dem für alle Volksgenossen geltenden Recht warten.