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Gegen die Macht der Funktionäre

Sergej Prjadkin ist Fußball-Funktionär – und Geschäftsmann. Es gibt offenkundig einen Interessenskonflikt, doch niemand kümmert sich so recht darum. Nun versuchen russische Fans und Spieler, den Fall vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS zu bringen.

Von Johannes Aumüller | 29.01.2012
    In Russlands Gesellschaft tut sich etwas. Eine Zeit des Aufbegehrens hat begonnen. Das gilt für die Politik, wo seit den Parlamentswahlen die Bürger gegen Wladimir Putin demonstrieren. Das gilt aber auch für den Fußball, wo sich nun Akteure und Fans offen mit den mächtigen Funktionären anlegen. Zu Beginn dieser Woche reichten der Fußballer Jewgenij Levchenko sowie die russische Gewerkschaft der Spieler und Trainer beim Internationalen Sportgerichtshof CAS eine Klage ein, in der es um die Tätigkeiten des Ligavorsitzenden Sergej Prjadkin geht. Sie werfen ihm einen Interessenskonflikt vor.

    Prjadkin ist einer der einflussreichsten russischen Sportfunktionäre. Seit 2007 sitzt er der russischen Fußball-Liga vor. Er ist Mitglied in einer Kommission des Europäischen Fußballverbandes Uefa. Und er gilt als enger Vertrauter des Fußballverbandspräsidenten Sergej Fursenko – der wiederum einst mit Wladimir Putin so eng war, dass sie gemeinsam die Datschen-Kooperative Osero, zu deutsch: See, gründeten.

    So weit Prjadkin, der Funktionär. Doch es gibt auch noch Prjadkin, den Geschäftsmann. Seit Mitte der Neunziger ist er Mitinhaber einer in Berlin ansässigen Firma namens Girrus. Die Statuten der internationalen Verbände und auch der russischen Föderation untersagen es Funktionären, zugleich als Spielerberater tätig zu sein. Doch zum einen steht in den Handelsregistereinträgen von Girrus eindeutig, dass auch die "Tätigkeit als Spieleragenten" zu den Aktivitäten des Unternehmens zählt. Und zum anderen waren an wichtigen deutsch-russischen Transfers der vergangenen Jahre Spielerberater beteiligt, die auf der offiziellen Spielervermittler-Liste des Deutschen Fußball-Bundes DFB als Mitarbeiter von Girrus geführt wurden.

    Prjadkin beteuert dennoch, dass er seit seinem Amtsantritt gegen keinerlei Gesetze verstoßen habe. Und er verweist darauf, dass ihn die Ethikkommission des russischen Verbandes freigesprochen habe. Für den Journalisten Andrej Suchotin, der den Fall mit aufgedeckt hat, ist das kein Wunder:

    "Es gibt keine unabhängigen Nachforschungen, keine kompetenten Organe. Dieser Mann erfreut die Fußball-Führung. Man muss Prjadkin nicht nur als Mann begreifen, der seine eigenen, auch finanziellen, Interessen verfolgt, woran wir keinen Zweifel haben, sondern auch als Mann, der anderen extrem nützlich ist"."

    Weil die offiziellen Nachforschungen schleppend verliefen und sich die internationalen Verbände nicht zuständig fühlten, begannen andere damit, die Angelegenheit zu thematisieren. Ihr Ziel: den Fall Prjadkin vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS zu bringen. Dmitrij Markow, einst Vorsitzender der offiziellen Nowosibirsker Fanvereinigung, sammelte im Internet Geld, um die Gebühren für das Verfahren bezahlen zu können. Doch dann scheiterte es nach seiner Darstellung auf abenteuerliche Weise:

    ""Nach der Eingabe beim CAS begann der Verband, uns unter Druck zu setzen. Zu uns nach Nowosibirsk kamen einige Ultras, die auf die Unterzeichner Druck ausübten. Und nach einiger Zeit zogen einige ihre Unterschrift zurück und war die Sache formal beendet."

    Prjadkins Sprecher will sich dazu nicht äußern. Fakt ist aber, dass das erste Verfahren nicht zustande kam. Also versuchen es Markow und seine Mitstreiter nun ein zweites Mal. Zum einen überzeugten sie den mittlerweile für den australischen Klub Adelaide United spielenden Jewgenij Levchenko: Der Ukrainer behauptet, bei seinem Vereinswechsel von Groningen zu Saturn Ramenskoje im Jahr 2009 sei die Familie Prjadkin auf unrechtmäßige Weise involviert gewesen. Und zum anderen reichte die Gewerkschaft der russischen Fußballspieler und Trainer Klage ein. Bis Mitte Februar, so hofft die Fußball-Opposition, soll es zur Verhandlung kommen. Womöglich ist der Aufstand gegen die Sport-Funktionäre schneller erfolgreich als der Protest gegen Putin.