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Gegen die schleichende Atemnot

Die Abteilung für Pneumologie an der Universität Rostock gehört deutschlandweit zu den führenden Forschungseinrichtungen, wenn es um allergisches Asthma geht. Allergisches Asthma tritt schubweise auf und wieder abklingt, wenn etwa die Pollen nicht mehr fliegen. Doch die Rostocker Forscher konnten jetzt in einer Studie zeigen, dass die Behandlung der Asthmaschübe über die Dauer der Symptome hinaus andauern muss.

Von Detlev Karg | 15.08.2007
    Gerade in der Heuschnupfenzeit haben viele Menschen mit mehr oder minder starken Formen von Asthma zu tun. Und ebenso wie den ersten leichten Heuschnupfen, der die oberen Atemwege betrifft, nehmen viele das erste leichte Asthma eher auf die leichte Schulter. Dabei gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, eine echte Asthmaerkrankung zu entwickeln. Denn das Auftreten der Krankheit wechselt mit Phasen, in denen die Betroffenen völlig beschwerdefrei leben. Das erste Kitzeln in den Bronchien ist da schnell wieder vergessen. Doch sollten schon hier die Alarmglocken schrillen, sagt Dr. Marek Lommatzsch, von der Abteilung für Lungenheilkunde des Universitätsklinikums Rostock. Er hat die Bronchien von 50 Asthmapatienten gezielt nach Spuren der Erkrankung untersucht:

    "Das Ergebnis war, dass eben die Entzündung nicht nur über Wochen anhält, sondern dass sie erst nach vier bis sechs Tagen nachdem das Allergen inhaliert wurde, zu einem Höhepunkt kommt. Gleichzeitig sind zu diesem Zeitpunkt die Beschwerden des Patienten aber längst vorüber. Das heißt, nach drei bis vier Tagen sagt der Patient, er ist beschwerdefrei."

    Die eigentliche Entzündung wirkt also unterschwellig weiter und, so die Erkenntnis, verändert die Atemwege auf Dauer. Die Rostocker Forscher wiesen entsprechende Botenstoffe in den Bronchialschleimhäuten nach, indem sie im Rahmen der Studie die Lungen der Patienten gezielt spülten und ihnen mit der Spülflüssigkeit das Allergen verabreichten. Die unangenehme Prozedur ermöglichte erst den gezielten Vergleich des Zustandes der Schleimhäute vor und nach dem Eintreffen allergener Stoffe. Denn erst die definierte Gabe von Allergenen machte die Entzündungszustände miteinander vergleichbar. Diese werden anhand einer steigenden Anzahl von Botenstoffen, in diesem Fall von Interleukinen, in der Spülflüssigkeit gemessen. Damit untermauerten die Mediziner Erkenntnisse, die aus Versuchen an Mäusen bereits vorlagen. Marek Lommatzsch:

    "Was es auf die Dauer macht, ist, dass es die ganzen Strukturzellen der Lunge, also Muskelzellen, Nerven, die auskleidenden Zellen der Atemwege, dass es diese Zellen auf Dauer verändern kann in ihrer Funktion."

    Schleichend sind diese Veränderungen, wenn sie nicht richtig behandelt werden, und letztlich folgenschwer, so die Mediziner:

    "So dass also dann, nach mehreren Jahren der Entzündung es zu einem veränderten Atemweg kommt, der Atemweg ist dann in seiner Struktur verändert. Und deshalb möchten wir schon präventiv die Entzündung weghaben, damit diese Strukturveränderungen nicht auftreten."

    In der Praxis bedeutet dies, dass Asthma nicht nur mit bronchialerweiternden Sprays behandelt werden sollte. Wer unter Asthma leidet, und gerade wenn es nur vereinzelt auftritt, sollte es gründlich untersuchen lassen, bestätigt Professor Christian Virchow. Er ist Direktor der Abteilung für Lungenheilkunde der Rostocker Universitätsklinik:

    " Man weiß einerseits, dass diese regelmäßige Einnahme der bronchialerweiternden Sprays möglicherweise sogar sehr schädlich sein kann, und vielleicht sogar eine Zunahme an schweren Asthmaanfällen, Asthmatodesfällen verursachen kann. Man hat immer diese muskuläre Verkrampfung angenommen, und der Erkrankung vielleicht gar nicht so viel Bedeutung zugemessen, aber es wird immer klarer, und das wird durch diese Untersuchung unterstützt, dass Asthma wie jede andere chronisch entzündliche Krankheit der Inneren Medizin wenn man es laienhaft ausdrückt, zur Narbenbildung führt, zu Strukturveränderungen, die Bronchien sind nicht mehr die gleichen, sondern in einer gewissen Weise vernarben oder verändern sich. "

    Durch passive Tests wie Botenstoffe im Blut und Stickoxid im Atem lässt sich die Asthmaentzündung beim Facharzt nachweisen. Die Behandlung ist dann einfach, so Marek Lommatzsch:

    "Das sind inhalative Corticosteroide, die schon seit Jahren auf dem Markt sind. Das ist im Prinzip erstmal weiterhin bis heute die Basis der Therapie, bei der es auch immer Bedenken gibt, inwieweit diese inhalativen Corticosteroide Nebenwirkungen haben können. Man weiß aber heute, dass diese Medikamente fast ausschließlich in den Atemwegen wirken und deshalb als niedrig dosierte Dauertherapie aus unserer Sicht unbedenklich sind."

    Obwohl diese Art der Behandlung schon lange bekannt ist, gelten Asthmapatienten weltweit als unterversorgt. Mit ihrer Studie hoffen die Rostocker Forscher gezeigt zu haben, dass es gilt, alle Mittel gegen das schleichende Fortschreiten auszuschöpfen, ohne den Patienten überzutherapieren. Dann, so die Forscher, seien die Chancen nachweisbar um ein Vielfaches besser, das Asthma einzudämmen und es sogar zum Abklingen zu bringen, als wenn die Entzündungen überhaupt nicht behandelt werden.