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Gegen dünne Models

Die Dauerpräsenz dünner Models zeigt bereits Wirkung. In Deutschland sind immer mehr Mädchen unzufrieden mit ihrem Gewicht. Die Initiative "Pinkstinks" protestiert gegen die aktuellen Bilder in den Medien, die Mädchen verniedlichen und Frauen sexualisieren.

Von Gaby Mayr | 11.05.2013
    "Man hört schon so Kommentare wie: ‚Oh, Mann, die hat voll schöne Brüste, ich wünschte, ich hätte auch solche.‘"

    Franca, 15 Jahre, über Gespräche unter Freundinnen über Werbebilder.

    "Aber es beeinflusst einen ja eher unbewusst."

    Die Allgegenwart dünner weiblicher Models zeigt Wirkung. Mädchen in Deutschland werden immer unzufriedener mit ihrem Körper. 2006 waren noch rund 70 Prozent der 16- und 17-jährigen Mädchen mit ihrem Gewicht zufrieden, 2009 waren es nur noch 48 Prozent. Das ergaben Studien im Auftrag der Jugendzeitschrift Bravo. Eine Untersuchung der Universität Bielefeld bestätigt das:

    "Auffällig ist, dass der Zusammenhang zwischen körperlicher Unzufriedenheit und dem tatsächlichen Körpergewicht stark verzerrt ist."

    Medien und Werbung verbreiten das Schönheitsideal extrem dünner - und unterwürfiger - Frauen.

    Franca über eine Deo-Werbung:

    "Da sind die tollen, großen Helden die Männer, und dann die Frauen sind so die, naja so die geilen Nutten oder so, die sind echt total runtergemacht und das ist total sexistisch."

    Stevie Schmiedel ist Genderforscherin. Thema eines ihrer Seminare war letztes Jahr der Zusammenhang zwischen Werbebildern und Selbstbewusstsein junger Frauen. Zur gleichen Zeit war sie mit ihren beiden Töchtern in der Stadt unterwegs:

    "Und meine Kleine, die gerade eben lesen konnte, sagte: Mami, was ist eine Wanderhure? Weil an jeder Leuchtlitfaßsäule die Werbung zu der Serie hing ‚Die Rückkehr der Wanderhure‘. Mit einer Frau, das Kleid zerfetzt über der Schulter, sehr lasziv, sehr hübsch trotzdem in dieser gefährlichen Situation anzusehen."

    Das reichte Stevie Schmiedel - als Mutter und als Wissenschaftlerin. Sie gründete Pinkstinks.

    In Großbritannien wehrt sich Pinkstinks gegen die gnadenlose Einschränkung der Spielzeugwelt für Mädchen auf die dauerniedliche, rosafarbene Prinzessin Lillifee und ihre superschlanken Kolleginnen. Pinkstinks Deutschland hat eine Initiative "Gegen sexuelle Verfügbarkeit in der Außenwerbung" gestartet. Sie organisiert Proteste im Internet, mit Theateraktionen auf der Straße und wendet sich direkt an Firmen, die mit demütigenden Frauenbildern werben.

    "Was uns wirklich stört, ist, dass Werbung Frauen oft eine Rolle zuweist, dass sie ständig zeigen: Wir müssen verfügbar sein, wir müssen schön sein, sehr schlank, sehr jung und ein Bild ausstrahlen, das sagt: Bin ich schön genug?"

    Wichtigster Adressat der Proteste ist der Deutsche Werberat. In dem Gremium freiwilliger Selbstkontrolle sitzen gewählte Vertreter der mit Werbung befassten Firmen. Seit Jahrzehnten nehmen Beschwerden wegen Frauendiskriminierung den Spitzenplatz ein. Volker Nickel, Geschäftsführer des Werberates, meint, angesichts der vielen Werbung ...

    "... sind das doch Randphänomene, die nicht im Zentrum des Geschehens der Werbung stehen."

    Die Mehrzahl der Beschwerden wegen Sexismus weist der Werberat ab.

    "Wir beurteilen den einzelnen Werbefall, und den halten wir an das, was Gesellschaft aktuell bedeutet, also an die Lebensrealität."

    Die kann man durchaus unterschiedlich sehen – je nach eigener Lebenssituation und Erfahrung. In den Werberat wurden seit seiner Gründung vor über 40 Jahren ausschließlich Männer gewählt. Weil den Herren offenbar aufgefallen ist, dass sie als Männerclub angreifbar sind, können sie sich drei weitere Mitglieder dazu zu holen. Das sind im Moment drei Frauen.

    Beratung, etwa über die Auswirkung von sexualisierter Werbung auf Kinder und Jugendliche, haben die Firmenvertreter im Werberat nach eigener Einschätzung nicht nötig:

    "Wir haben ein Gremium, ein Entscheidungsgremium, das ja aus Experten besteht."

    Für Stevie Schmiedel von Pinkstinks ist dagegen klar:

    "Der Werberat kann so, wie er zur Zeit funktioniert, nicht weitergeführt werden."

    Dass die Werbung in Zukunft von sich aus auf sexualisierte Bilder verzichtet, bezweifelt Stevie Schmiedel – sie hat schon oft Designstudierende unterrichtet:

    "Die sagen: Du hast in allem komplett Recht. Trotzdem würden wir davon nichts umsetzen. Wir gehen da raus in Betriebe, die uns ganz klar sagen: Es muss verkauft werden, und wir wollen ganz klar bestimmte Schönheitsideale sehen. Wir sind gewohnt, dass die funktionieren, und die setzen wir weiter ein. Wir wollen kein Risiko eingehen."