Ein politisches Magazin - The Atlantic Monthly - beauftragte zwei respektable Professoren, einen Artikel über den Einfluss der oft zitierten Israel-Lobby auf die Außenpolitik der Vereinigten Staaten zu schreiben, John Mearsheimer, Politologe an der Universität von Chicago, und Stephen Walt, der internationale Beziehungen in Harvard lehrt. Als sie das Manuskript vorlegten, bekamen die Verantwortlichen von Atlantic Monthly kalte Füße. Daraufhin machten die Autoren den Text auf der Webseite der Universität Harvard zugänglich, außerdem veröffentlichte ihn - ungewöhnlich genug - die London Review of Books. Daraufhin brach, als hätte man Respektable bei einem Sakrileg erwischt, ein Sturm der Entrüstung los.
Alan Dershowitz, Strafrechtler in Harvard, rückte den Text in die Nähe der "Protokolle der Weisen von Zion", eines wüsten antisemitischen Pamphlets des späten 19. Jahrhunderts, das die Existenz einer jüdischen Weltverschwörung suggerierte. Auch der Politologe Eliot Cohen von der Johns Hopkins Universität, der neuerdings Außenministerin Rice berät, nannte den Text antisemitisch:
"Es ging nicht darum, wie Amerikas Politik im Nahen Osten aussehen soll; es war ein Angriff auf die Loyalität amerikanischer Juden."
Mearsheimer und Walt behaupteten, die amerikanische Außenpolitik werde von einer allmächtigen Israel-Lobby in eine Richtung gesteuert, die nicht im amerikanischen Interesse liege. Andere wiederum lobten den Mut der Autoren, der ehemalige Bin-Laden-Experte der CIA Michael Scheuer beispielsweise:
"Ich hoffe sie kümmern sich jetzt auch um die Saudische Lobby, die für die USA vielleicht gefährlicher ist als die Israel Lobby."
Ein Hinweis, dass die Israel-Lobby nicht die einzige ist, die Washingtons Politik im Nahen und Mittleren Osten zu beeinflussen sucht. Mearsheimer und Walt wehrten sich auf zahlreichen Veranstaltungen dagegen, voreingenommen zu sein und schlampig gearbeitet zu haben. Sie erweiterten ihren Artikel zu einem Buch, das nunmehr auch in einer deutschen Übersetzung vorliegt, die sich bemerkenswert flüssig liest. Auch wenn der Rezensent die "US-amerikanischen Politiker", die "US-amerikanischen Hochschulen" und "US-amerikanischen Interessen" für ein stilistisch unerträgliches Relikt der politischen Überkorrektheit hält.
Stephen Walt hatte bereits über die Indien-Lobby, die Lobby der Armenien-Amerikaner und eben diese Israel Lobby gearbeitet. Seine These: Die von ihr beeinflusste Politik begünstige den antiamerikanischen Terror im Nahen Osten, unterminiere das Verhältnis zu anderen Staaten und fördere Entwicklungen, die nicht einmal im langfristigen Interesse Israels lägen.
Dass Washington zu Israel seit der Gründung ein besonderes Verhältnis hat, ist unbestritten. Über die drei Milliarden-Dollar, mit denen Washington Jahr für Jahr Israel unterstützt, wird kaum noch diskutiert. Über die zwei Milliarden für Ägypten allerdings auch nicht. Mearsheimer und Walt kritisieren, dass insbesondere die jetzige Administration Israel bedingungslos unterstütze. Auch wenn George Bush als erster Präsident offiziell die Bildung eines Palästinenserstaates forderte.
Während des Kalten Krieges, so argumentieren die Autoren, sei Israel ein strategischer Aktivposten gewesen, weil es den sowjetischen Einfluss in der Region konterkarierte; inzwischen sei Israel eine Belastung. John Mearsheimer:
"Wir glauben, dass Israels Existenz von einem moralischen Standpunkt im amerikanischen Interesse liegt; sollte seine Existenz, sein Überleben bedroht sein, sollten die Vereinigten Staaten es verteidigen."
Die bedingungslose Unterstützung Israels, so Mearsheimer weiter, könne nicht mit moralischen Überlegungen begründet werden, wenn man sich vor Augen halte, wie Israelis die Palästinenser in den besetzten Gebieten behandelt hätten. Wenn keine strategischen Gründe und keine moralischen, dann kann hinter allem nur der Einfluss einer übermächtigen Lobby stecken. Das ist eine Beweisführung ex negativo, wenn man so will, und sie dürfte die eigentliche Schwäche dieses Buchs sein. Leslie Gelb, der ehemalige Präsident des Council on Foreign Relations, hat darauf hingewiesen - zu recht, wie ich glaube -, dass Amerikas Probleme in der Region vor allem damit zusammenhängen, dass es auf die "korrupten, unfähigen und unpopulären" arabischen Regime angewiesen ist, weil deren wahrscheinliche Alternative noch weit schlimmer ausfiele.
Mearsheimer und Walt haben das Debakel im Irak vorausgesehen. Sie konzedieren, dass es den Irakkrieg ohne den 11. September nicht gegeben hätte:
"Mir ist klar und anderen auch, dass die Israel Lobby eine der maßgeblichen Kräfte hinter dem Irakkrieg war; ohne sie hätte wir vielleicht keinen Krieg."
Diesem Schluss widersprechen fast alle Kritiker. Von der Öl-Lobby sei keine Rede, von den arabischen Staaten nicht, nicht von Bush und nicht von Cheney, abgesehen davon, dass sie von der Lobby manipuliert würden. Dennis Ross, Chefunterhändler im Nahen Osten unter Bush Vater und Bill Clinton, hat dies karikiert: Bush entscheide, die Lobby sei damit nicht einverstanden, sie rufe ihn an, er salutiere und ändere seine Politik. John Mearsheimer ungerührt: "Wir haben das dokumentiert." Ross: "Ach komm; das ist absurd."
Wäre Al Gore und nicht Bush Präsident geworden, fügte Rosse hinzu, hätte es den Krieg nicht gegeben, wiewohl Gore dieser Lobby viel näher stehe als Bush. Ein interessanter Hinweis. Ähnlich Shlomo ben Ami, der frühere israelische Außenminister unter Ministerpräsident Barak:
"Ihr habt zweimal einen Präsidenten gewählt, der politischer Theologe ist. Ohne jüdische Stimmen! Das ist eine reine amerikanische Angelegenheit. Der braucht die jüdische Lobby nicht, um das zu tun, was er tut."
Mearsheimer und Walt, keine Frage, haben eine überfällige Diskussion über das amerikanisch-israelisch Verhältnis in Gang gebracht. Ob die Israel Lobby so einflussreich ist, weil so viele Amerikaner Israel generell unterstützen wollen, oder ob sie dies wollen, weil die Lobby so einflussreich ist, diese Frage haben sie nicht schlüssig beantwortet.
Der deutsche Leser muss sich vor Augen halten, dass die operative Politik in den Vereinigten Staaten kaum von den Parteien, sondern von eben diesen Interessengruppen bestimmt wird. Jeder hat seine Lobby, die Ölindustrie und die Krankenkassen, die Lehrer, die Rüstungsbranche und die Senioren, die Schusswaffenbesitzer und die Landwirtschaft. Alle versuchen sie, die Administration wie auch den Kongress zu beeinflussen. Wie sagt Prof. Mearsheimer, unwidersprochen? Was die Israel Lobby tut, ist keinesfalls konspirativ oder Beweis für eine Kabale; es ist althergebrachte amerikanische Politik.
"Die Israel-Lobby. Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird". So der Titel der Studie von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt, erschienen im Campus Verlag. 503 Seiten kosten Euro 24,90.
Alan Dershowitz, Strafrechtler in Harvard, rückte den Text in die Nähe der "Protokolle der Weisen von Zion", eines wüsten antisemitischen Pamphlets des späten 19. Jahrhunderts, das die Existenz einer jüdischen Weltverschwörung suggerierte. Auch der Politologe Eliot Cohen von der Johns Hopkins Universität, der neuerdings Außenministerin Rice berät, nannte den Text antisemitisch:
"Es ging nicht darum, wie Amerikas Politik im Nahen Osten aussehen soll; es war ein Angriff auf die Loyalität amerikanischer Juden."
Mearsheimer und Walt behaupteten, die amerikanische Außenpolitik werde von einer allmächtigen Israel-Lobby in eine Richtung gesteuert, die nicht im amerikanischen Interesse liege. Andere wiederum lobten den Mut der Autoren, der ehemalige Bin-Laden-Experte der CIA Michael Scheuer beispielsweise:
"Ich hoffe sie kümmern sich jetzt auch um die Saudische Lobby, die für die USA vielleicht gefährlicher ist als die Israel Lobby."
Ein Hinweis, dass die Israel-Lobby nicht die einzige ist, die Washingtons Politik im Nahen und Mittleren Osten zu beeinflussen sucht. Mearsheimer und Walt wehrten sich auf zahlreichen Veranstaltungen dagegen, voreingenommen zu sein und schlampig gearbeitet zu haben. Sie erweiterten ihren Artikel zu einem Buch, das nunmehr auch in einer deutschen Übersetzung vorliegt, die sich bemerkenswert flüssig liest. Auch wenn der Rezensent die "US-amerikanischen Politiker", die "US-amerikanischen Hochschulen" und "US-amerikanischen Interessen" für ein stilistisch unerträgliches Relikt der politischen Überkorrektheit hält.
Stephen Walt hatte bereits über die Indien-Lobby, die Lobby der Armenien-Amerikaner und eben diese Israel Lobby gearbeitet. Seine These: Die von ihr beeinflusste Politik begünstige den antiamerikanischen Terror im Nahen Osten, unterminiere das Verhältnis zu anderen Staaten und fördere Entwicklungen, die nicht einmal im langfristigen Interesse Israels lägen.
Dass Washington zu Israel seit der Gründung ein besonderes Verhältnis hat, ist unbestritten. Über die drei Milliarden-Dollar, mit denen Washington Jahr für Jahr Israel unterstützt, wird kaum noch diskutiert. Über die zwei Milliarden für Ägypten allerdings auch nicht. Mearsheimer und Walt kritisieren, dass insbesondere die jetzige Administration Israel bedingungslos unterstütze. Auch wenn George Bush als erster Präsident offiziell die Bildung eines Palästinenserstaates forderte.
Während des Kalten Krieges, so argumentieren die Autoren, sei Israel ein strategischer Aktivposten gewesen, weil es den sowjetischen Einfluss in der Region konterkarierte; inzwischen sei Israel eine Belastung. John Mearsheimer:
"Wir glauben, dass Israels Existenz von einem moralischen Standpunkt im amerikanischen Interesse liegt; sollte seine Existenz, sein Überleben bedroht sein, sollten die Vereinigten Staaten es verteidigen."
Die bedingungslose Unterstützung Israels, so Mearsheimer weiter, könne nicht mit moralischen Überlegungen begründet werden, wenn man sich vor Augen halte, wie Israelis die Palästinenser in den besetzten Gebieten behandelt hätten. Wenn keine strategischen Gründe und keine moralischen, dann kann hinter allem nur der Einfluss einer übermächtigen Lobby stecken. Das ist eine Beweisführung ex negativo, wenn man so will, und sie dürfte die eigentliche Schwäche dieses Buchs sein. Leslie Gelb, der ehemalige Präsident des Council on Foreign Relations, hat darauf hingewiesen - zu recht, wie ich glaube -, dass Amerikas Probleme in der Region vor allem damit zusammenhängen, dass es auf die "korrupten, unfähigen und unpopulären" arabischen Regime angewiesen ist, weil deren wahrscheinliche Alternative noch weit schlimmer ausfiele.
Mearsheimer und Walt haben das Debakel im Irak vorausgesehen. Sie konzedieren, dass es den Irakkrieg ohne den 11. September nicht gegeben hätte:
"Mir ist klar und anderen auch, dass die Israel Lobby eine der maßgeblichen Kräfte hinter dem Irakkrieg war; ohne sie hätte wir vielleicht keinen Krieg."
Diesem Schluss widersprechen fast alle Kritiker. Von der Öl-Lobby sei keine Rede, von den arabischen Staaten nicht, nicht von Bush und nicht von Cheney, abgesehen davon, dass sie von der Lobby manipuliert würden. Dennis Ross, Chefunterhändler im Nahen Osten unter Bush Vater und Bill Clinton, hat dies karikiert: Bush entscheide, die Lobby sei damit nicht einverstanden, sie rufe ihn an, er salutiere und ändere seine Politik. John Mearsheimer ungerührt: "Wir haben das dokumentiert." Ross: "Ach komm; das ist absurd."
Wäre Al Gore und nicht Bush Präsident geworden, fügte Rosse hinzu, hätte es den Krieg nicht gegeben, wiewohl Gore dieser Lobby viel näher stehe als Bush. Ein interessanter Hinweis. Ähnlich Shlomo ben Ami, der frühere israelische Außenminister unter Ministerpräsident Barak:
"Ihr habt zweimal einen Präsidenten gewählt, der politischer Theologe ist. Ohne jüdische Stimmen! Das ist eine reine amerikanische Angelegenheit. Der braucht die jüdische Lobby nicht, um das zu tun, was er tut."
Mearsheimer und Walt, keine Frage, haben eine überfällige Diskussion über das amerikanisch-israelisch Verhältnis in Gang gebracht. Ob die Israel Lobby so einflussreich ist, weil so viele Amerikaner Israel generell unterstützen wollen, oder ob sie dies wollen, weil die Lobby so einflussreich ist, diese Frage haben sie nicht schlüssig beantwortet.
Der deutsche Leser muss sich vor Augen halten, dass die operative Politik in den Vereinigten Staaten kaum von den Parteien, sondern von eben diesen Interessengruppen bestimmt wird. Jeder hat seine Lobby, die Ölindustrie und die Krankenkassen, die Lehrer, die Rüstungsbranche und die Senioren, die Schusswaffenbesitzer und die Landwirtschaft. Alle versuchen sie, die Administration wie auch den Kongress zu beeinflussen. Wie sagt Prof. Mearsheimer, unwidersprochen? Was die Israel Lobby tut, ist keinesfalls konspirativ oder Beweis für eine Kabale; es ist althergebrachte amerikanische Politik.
"Die Israel-Lobby. Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird". So der Titel der Studie von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt, erschienen im Campus Verlag. 503 Seiten kosten Euro 24,90.