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Gegen zu viel Chemie auf den Feldern

Keine Frage: Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung sind in der Landwirtschaft notwendig. Gestritten wird aber immer wieder über die Mittel, die zum Einsatz kommen und über die Höhe der Dosierung. Damit nicht zu viel Chemie auf den Äckern landet - sowohl bei den Bauern hierzulande als auch in den Entwicklungsländern - gibt es das Pestizid Aktions-Netzwerk, kurz PAN, ein Verein, der sich für weniger Pestizide stark macht - und das mittlerweile in Deutschland seit 20 Jahren. Aus Anlass dieses Jubiläums von PAN Germany, das heute in Hamburg mit einer Tagung über Pflanzenschutz gewürdigt wird,, stellt sich die Frage: Wie eigentlich erreicht unser Wissen aus dem Industrieland Deutschland den Bauern auf seinem Feld in Asien, Afrika oder Lateinamerika?

Von Ralph Ahrens |
    In Deutschland ist der Öko-Anbau von Getreide, Obst oder Gemüse etabliert. Es gibt Fachhochschulen für ökologischen Landbau und reichlich Literatur zum Thema. Das ist aber eine Ausnahme - weltweit gesehen, meint Carina Weber vom Pestizid Aktions-Netzwerk PAN in Hamburg: Denn vor allem Kleinbauern in Entwicklungsländern haben kaum Zugang zu diesem Wissen:

    Die Bücher sind teuer und sie sind nicht verfügbar vor Ort in den Dörfern in Afrika oder in vielen Dörfern in Asien oder Lateinamerika. Deshalb haben wir uns gedacht, weil die Bücher die Informationen nicht zu den Leuten bringen, dass wir eine moderne Technologie nehmen, nämlich das Internet.

    PAN hat daher gemeinsam mit Brot für die Welt und Misereor einen Informationsdienst ins Leben gerufen: OISAT, den 'Online Informationsservice zum nicht-chemischen Pflanzenschutz in den Tropen'. Seit Juli dieses Jahres kann jeder im Internet gezielt nachlesen, wie etwa ein wässriger Extrakt aus Samen des Neem-Baums hergestellt wird, um die 'Baumwolleule' zu bekämpfen - eine Raupe, die Kapseln der Baumwolle befällt. Die Bäuerin Peninah Kinyenyoi aus einem Dorf, vier Autostunden von der kenianischen Hauptstadt Nairobi entfernt, ist davon begeistert:

    Ich war so überrascht, was im Internet alles an Wissen von überall aus der Welt steht. Das ist gut und hilft uns auch! Ich habe zum Beispiel gelernt, wie wir einige Maisschädlinge besser aufspüren und bekämpfen können.

    Dafür braucht aber nicht jeder Bauer seinen eigenen Computer mit Internetanschluss. Denn PAN baut zurzeit in Afrika, Asien und Lateinamerika ein Netzwerk von Kooperationspartnern aus landwirtschaftlichen Ausbildern und Beratern auf. Carina Weber:

    Wir stellen unsere Informationen in Hamburg ins Netz. Die Partner können diese Informationen aus dem Netz rausnehmen, ausdrucken und mit diesen Informationen mit ihren Bauern arbeiten und Bäuerinnen. Und wenn sie dann mit der Arbeit mit diesen Informationen neue Erkenntnisse haben, können sie die wiederum an uns in Hamburg weitergeben und wir liefern den Service, das wiederum ins Internet zu stellen, damit alle Partner in aller Welt diese Information auch nutzen können.

    Der Bedarf an brauchbarer Information über einen möglichst chemiefreien Anbau sei groß, meint Ngugi Mutura von SACDEP, eine der beiden kenianischen Organisationen, mit denen PAN zusammenarbeitet:

    Vier von fünf Bauern besitzen weniger als ein Hektar Land. Die meisten von ihnen nutzen synthetische Düngemittel und Pestizide. Aber die sind so teuer, dass sich der Anbau oft kaum noch lohnt. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die auf lokale Mittel wie Pflanzenextrakte zur Schädlingsbekämpfung setzt - und somit preiswert ist.

    Dass sich der Verzicht auf Chemie in der Landwirtschaft wirklich lohnen kann, hat Bauer Waweru Kimami, der aus dem gleichen Dorf wie Frau Kinyenyoi stammt, inzwischen - mit Beratung von SACDEP - erfahren:

    Es gibt viele Vorteile: Mir und meiner Familie geht es gesundheitlich besser, seitdem wir keine Chemikalien mehr einsetzen. Und ich habe jetzt aus zwei Gründen mehr Geld in der Tasche: Meine Ausgaben sind gesunken - und mein Ertrag ist gestiegen.

    Aus Sicht von PAN kann der Informationsdienst OISAT dabei helfen, noch weit mehr Bauern im Süden davon zu überzeugen, möglichst wenig Chemie einzusetzen. Waweru Kimami jedenfalls will in einigen Jahren - gemeinsam mit anderen Bauern - seine 'sauberen' Erzeugnisse, wie zum Beispiel Mango, auch in Europa anbieten.