"Wer wird die Geschichte der Tränen aufschreiben?" steht auf einem riesigen Plakat auf der Fassade des Bregenzer Kunsthauses. Ja, wer? Gleich dahinter befindet sich das Ufer des Bodensees, der einem daraufhin sofort als ein See aus Tränen erscheint. Solche Effekte stellen sich bei den Arbeiten der Barbara Kruger des Öfteren ein, weil Kruger zwar mit großen Typografien und den formalen Mitteln der Werbung hantiert, dem Betrachter aber alle Freiheiten der Assoziation lässt.
Im Gegensatz zu ihrer Kollegin Jenny Holzer, die ebenfalls mit Schrift arbeitet und mit Vorliebe die Moralkeule schwingt, ist Kruger eher an subtilen Effekten interessiert. Vielleicht liegt das daran, dass sie nach ihrem Design-Studium zunächst Bildredakteurin bei einem großen Publikums-Verlag war und um die versimpelnde, geisttötende Botschaft von Bildern und Werbesprüchen weiß - man muss sie unterlaufen und mit neuem Sinn unterlegen.
Heute macht Kruger aus Buchstaben Räume: Wer den ersten Stock des Bregenzer Kunsthauses betritt, steht in einem Meer aus weißen Buchstaben, die sich auf dem schwarzen Fußboden zu seltsamen Vorschlägen zusammenfügen: nicht trampeln, nicht schlagen, nicht schießen, nicht erschrecken, nicht verleumden! Was einem zunächst als Forderung an den amerikanischen Geheimdienst oder als Kampagne fürs Gutmenschentum erscheinen mag, wird dann mit einer höchst ambivalenten Botschaft konterkariert - denn in der Mitte des Saals verläuft eine rote Querachse mit den Worten: "Gewalt lässt uns vergessen, wer wir sind". Das ist tröstlich und bedrohlich zugleich; und während wir noch darüber nachdenken, schauen wir auf die Museumswärterin, die in dem völlig leeren Buchstaben-Feld wie eine Schauspielerin aussieht …
Das Bühnenbildhafte ihrer Räume stellt Barbara Kruger normalerweise dadurch her, dass sie Boden, Decke und Wände mit Buchstaben und Farbe vollklebt – und damit eine optische Überwältigung erreicht. In Bregenz hat sie sich, offenbar verführt durch die kubische, grau-neutrale, eh schon bühnenhafte Architektur von Peter Zumthor, für etwas anderes entschieden: Im ersten Stock wird nur der Boden bespielt, und an den Wänden sieht man kleine Collagen aus ihrem Frühwerk. Im zweiten, verdunkelten Stock eine laute Vierkanal-Videoarbeit; im leeren dritten Stock sind nur die Wände beklebt, allerdings mit einem Satz von Franz Kafka, dessen Typografie immer weiter gedehnt wird: "Der Sinn des Lebens besteht darin, dass es endet." Dass im Eingangsfoyer eine installative Live-Performance der spanischen Künstlerin Dora García zu sehen ist, in der Alltagsbewegungen tänzerisch in ihre Segmente zerlegt werden, ist eine glückliche Fügung, die Krugers Arbeit gut ergänzt.
Erst relativ spät hat Kruger begonnen, mit Video zu arbeiten, aber diese Entwicklung leitet sich fast logisch aus dem Frühwerk her. Die frühen Collagen zeigen Krugers Technik der gegenseitigen Kommentierung von Bild und Schrift - "you kill time" steht in schwarzen Querbalken über einem Wasserglas und verstreuten Pillen. Diese Arbeiten appellieren immer an die
Selbstverantwortlichkeit und Entscheidungsfähigkeit des Subjekts, und auch die in Bregenz gezeigte Videoarbeit nimmt den Zuschauer quasi unter Beschuss: An jeder Wand eine Leinwand, und der Zuschauer steht im Zentrum, also mitten im Teenager-Gezänk oder in einer Familien-Auseinandersetzung - die Schauspieler im Film sprechen und streiten so direkt, so rauflustig miteinander, schauen so aggressiv in die Mitte des Raumes, dass man sich unwohl fühlt und fliehen möchte.
All dies ist intelligente Konzeptkunst, die ihre Herkunft aus der konsumkritischen Hippie-Ära, aus der politischen Aufbruchsstimmung der amerikanischen 1960er, 70er Jahre nicht leugnet, es aber mittlerweile zu großartigen, irritierenden Raumwirkungen gebracht hat. Krugers Arbeiten prangen auch auf Bussen und Billboards, auch im Kölner Museum Ludwig gibt es seit Neuestem einen Kruger-Raum, und während wir täglich umgeben sind von manipulativem Wortsalat, hält Barbara Kruger das Gegengift bereit.
Im Gegensatz zu ihrer Kollegin Jenny Holzer, die ebenfalls mit Schrift arbeitet und mit Vorliebe die Moralkeule schwingt, ist Kruger eher an subtilen Effekten interessiert. Vielleicht liegt das daran, dass sie nach ihrem Design-Studium zunächst Bildredakteurin bei einem großen Publikums-Verlag war und um die versimpelnde, geisttötende Botschaft von Bildern und Werbesprüchen weiß - man muss sie unterlaufen und mit neuem Sinn unterlegen.
Heute macht Kruger aus Buchstaben Räume: Wer den ersten Stock des Bregenzer Kunsthauses betritt, steht in einem Meer aus weißen Buchstaben, die sich auf dem schwarzen Fußboden zu seltsamen Vorschlägen zusammenfügen: nicht trampeln, nicht schlagen, nicht schießen, nicht erschrecken, nicht verleumden! Was einem zunächst als Forderung an den amerikanischen Geheimdienst oder als Kampagne fürs Gutmenschentum erscheinen mag, wird dann mit einer höchst ambivalenten Botschaft konterkariert - denn in der Mitte des Saals verläuft eine rote Querachse mit den Worten: "Gewalt lässt uns vergessen, wer wir sind". Das ist tröstlich und bedrohlich zugleich; und während wir noch darüber nachdenken, schauen wir auf die Museumswärterin, die in dem völlig leeren Buchstaben-Feld wie eine Schauspielerin aussieht …
Das Bühnenbildhafte ihrer Räume stellt Barbara Kruger normalerweise dadurch her, dass sie Boden, Decke und Wände mit Buchstaben und Farbe vollklebt – und damit eine optische Überwältigung erreicht. In Bregenz hat sie sich, offenbar verführt durch die kubische, grau-neutrale, eh schon bühnenhafte Architektur von Peter Zumthor, für etwas anderes entschieden: Im ersten Stock wird nur der Boden bespielt, und an den Wänden sieht man kleine Collagen aus ihrem Frühwerk. Im zweiten, verdunkelten Stock eine laute Vierkanal-Videoarbeit; im leeren dritten Stock sind nur die Wände beklebt, allerdings mit einem Satz von Franz Kafka, dessen Typografie immer weiter gedehnt wird: "Der Sinn des Lebens besteht darin, dass es endet." Dass im Eingangsfoyer eine installative Live-Performance der spanischen Künstlerin Dora García zu sehen ist, in der Alltagsbewegungen tänzerisch in ihre Segmente zerlegt werden, ist eine glückliche Fügung, die Krugers Arbeit gut ergänzt.
Erst relativ spät hat Kruger begonnen, mit Video zu arbeiten, aber diese Entwicklung leitet sich fast logisch aus dem Frühwerk her. Die frühen Collagen zeigen Krugers Technik der gegenseitigen Kommentierung von Bild und Schrift - "you kill time" steht in schwarzen Querbalken über einem Wasserglas und verstreuten Pillen. Diese Arbeiten appellieren immer an die
Selbstverantwortlichkeit und Entscheidungsfähigkeit des Subjekts, und auch die in Bregenz gezeigte Videoarbeit nimmt den Zuschauer quasi unter Beschuss: An jeder Wand eine Leinwand, und der Zuschauer steht im Zentrum, also mitten im Teenager-Gezänk oder in einer Familien-Auseinandersetzung - die Schauspieler im Film sprechen und streiten so direkt, so rauflustig miteinander, schauen so aggressiv in die Mitte des Raumes, dass man sich unwohl fühlt und fliehen möchte.
All dies ist intelligente Konzeptkunst, die ihre Herkunft aus der konsumkritischen Hippie-Ära, aus der politischen Aufbruchsstimmung der amerikanischen 1960er, 70er Jahre nicht leugnet, es aber mittlerweile zu großartigen, irritierenden Raumwirkungen gebracht hat. Krugers Arbeiten prangen auch auf Bussen und Billboards, auch im Kölner Museum Ludwig gibt es seit Neuestem einen Kruger-Raum, und während wir täglich umgeben sind von manipulativem Wortsalat, hält Barbara Kruger das Gegengift bereit.