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Gegessen wird Zuhause

Ab dem 1. August 2013 senkt Griechenland die Mehrwertsteuer für die Gastronomie von 23 auf 13 Prozent. Viele Gastronomen hoffen, dass das wieder mehr Einheimische in die Lokale lockt. Denn laut einer Studie ist aktuell jeder zweite griechische Gastronom verschuldet.

Von Rodothea Seralidou |
    Eine Taverne in der Altstadt Athens, nur wenige Schritte vom neuen Akropolis-Museum entfernt. Kleine weiße Tische und Holzstühle geben dem Laden ein traditionelles Flair. Ein großer griechischer Bauernsalat kostet hier rund sieben Euro, ein Hauptgericht – zum Beispiel Lamm oder Hähnchenspieße mit Reis - um die zehn Euro. Doch trotz der vorteilhaften Lage und den guten Preisen läuft das Geschäft eher schleppend, sagt der 40-jährige Inhaber Vangelis Falias.

    "Die Touristen haben nicht viel Geld zum Ausgeben. Die Krise in Europa hat auch sie getroffen: Viele fragen beispielsweise nach einem Preisnachlass, weil sie mehrere Personen sind. Und die Griechen essen auch ganz anders als vor der Krise: Sie bestellen weniger und achten auf die Preise. Und sie gehen auch viel seltener aus zum Essen als noch vor wenigen Jahren.”"

    Ob sich das nun durch die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie ändert? Immerhin müssen Vangelis Falias und seine Kollegen ab sofort nicht mehr 23 Prozent, sondern nur noch 13 Prozent Mehrwertsteuer abführen. Theoretisch könnten sie dadurch noch bessere Preise anbieten und ihren Umsatz steigern. Doch Vangelis Falias ist unschlüssig, ob er die Preise tatsächlich senken soll:

    ""Als vor zwei Jahren die Mehrwertsteuer erhöht wurde, hat fast kein Restaurant seine Preise erhöht. Warum sollen wir also jetzt unsere Preise senken? Bleiben die Preise hingegen gleich, dann wird Geld übrig bleiben, um Löcher zu stopfen.”"

    Und davon hat der zweifache Familienvater mehr als genug: Allein für die Miete seiner Taverne am Fuße der Akropolis muss er über 4000 Euro im Monat zahlen. In den Sommermonaten bleibe nach all den Abzügen gerade einmal ein Taschengeld übrig - im Winter nicht einmal das, sagt Falias. Und so ginge es vielen seiner Kollegen.

    Diese prekäre Lage bestätigt das Forschungsinstitut kleiner und mittelgroßer Unternehmen - kurz IME. Dessen Studien zufolge ist jeder zweite griechische Gastronom überschuldet. Bis zu 7000 Tavernen, Restaurants und Cafés hätten allein in den letzten zwei Jahren dicht gemacht, sagt Giorgos Kavvathas, Chef des Dachverbands mittelständischer Unternehmen:

    ""Der Umsatz in der Gastronomie ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen, um 70 Prozent. Durch die Wirtschaftspolitik der Regierung und unter dem Druck der Troika haben die Bürger immer weniger Geld zum Ausgeben. Da wundert es keinen, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer vor zwei Jahren dem Fiskus nicht mehr Einnahmen brachte.”"

    Tatsächlich war das Gegenteil der Fall: Die 130 Millionen Euro Mehrwertsteuer, die 2012 insgesamt in die griechische Staatskasse flossen, waren nur ein Fünftel dessen, womit die Regierung gerechnet hatte. Kavvathas hofft nun, dass die gesenkte Mehrwertsteuer mehr Erfolg haben wird - denn nur dann wird die Maßnahme auch nächstes Jahr gelten.

    ""Die Herausforderung ist im Moment, dass die Branche auch nach dem 1. Januar 2014 die niedrige Mehrwertsteuer beibehält. Das könnte dazu führen, dass auch in anderen Branchen der Steuersatz sinkt. Den Erfolg oder Misserfolg dieser Maßnahme zu berechnen, ist aber enorm schwierig. Denn das Problem sind nicht die vier oder fünf Euro an Mehrwertsteuer, die der Verbraucher nun sparen könnte. Das Problem ist, dass die meisten nicht mehr den Restbetrag zahlen können, der nach Abzug der Mehrwertsteuer übrig bleibt.”"

    So geht es auch der 63-jährigen Rena Antonopoulou. Seitdem sie weniger Rente bekommt und ihr Sohn seine Arbeit verlor, sagt sie, werde nur noch zuhause gegessen. Und auch wenn sich dadurch ihr Lebensalltag nicht verändern wird: Die gesunkene Mehrwertsteuer sei eine der wenigen positiven Maßnahmen seit Langem, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht:

    ""Es ist nicht so wichtig, ob wir jetzt wieder öfter ausgehen können oder nicht. Viel wichtiger ist die Hoffnung, die die Senkung der Mehrwertsteuer mit sich bringt. Das ist ein kleines Licht am Ende des Tunnelns. Jetzt kehrt endlich ein kleiner Hoffnungsschimmer in unsere Häuser zurück - egal ob wir zum Essen ausgehen oder zu Hause bleiben."