Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Geheimnachrichten durch den Erdball

Physik. - Ein Lasersignal quer durch die Erde schicken, um es am anderen Ende aufzufangen und zu entschlüsseln - das könnte mit einem ungewöhnlichen Elementarteilchen, dem Axion, möglich sein. Das Problem: Axione sind bislang nur ein theoretisches Konstrukt, nachgewiesen wurden sie noch nicht. Physiker in Hamburg suchen nach dem Schattenteilchen.

Von Frank Grotelüschen | 27.01.2010
    Andreas Ringwald ist einer Sache auf der Spur, die sich ungewöhnlich anhört, fast ein wenig abstrus. Am Forschungszentrum Desy in Hamburg fahndet der theoretische Physiker nach merkwürdigen, bislang rein hypothetischen Geisterteilchen.

    "Wir suchen nach Teilchen, in die sich Lichtteilchen umwandeln können. Also neue Gestalten, die dieses Licht annehmen kann."

    Licht, das seine Gestalt wechselt, das sich umwandelt in exotische Teilchen mit einer kuriosen Eigenschaft: Und zwar können diese Exoten durch Materie hindurchfliegen, als wäre sie nichts. Die dickste Wand ist für sie buchstäblich Luft. Die Fachleute bezeichnen diese Geister als Axionen oder als versteckte Photonen, also versteckte Lichtteilchen.

    "Wie kommen wir überhaupt darauf, dass es solche Teilchen geben könnte?"

    Es ist eine unbewiesene Theorie, die die Existenz der versteckten Photonen nahelegt. Stringtheorie, so heißt sie, und nicht wenige Physiker hoffen, dass sie schlüssig erklären kann, aus was unsere Welt eigentlich in ihrem Innersten besteht. Diese Stringtheorie sagt unter anderem voraus, dass es im Mikrokosmos noch weit mehr geben muss als die gewohnten Teilchen, als Winzlinge wie Elektronen und Quarks.

    "Dann findet man, dass es neben dem sichtbaren Sektor, aus dem wir alle bestehen, auch einen versteckten Sektor von Teilchen geben sollte, die wir einfach deswegen noch nicht gesehen haben, weil sie nur ganz, ganz schwach mit der normalen Materie wechselwirken. Und da können wir Theoretiker so lange überlegen, dass der Kopf raucht: Irgendwann muss man ein Experiment machen und schauen, ob es solche Teilchen gibt oder nicht!"

    Gesagt, getan. Um die Schattenteilchen aufzuspüren, startete Ringwalds Team in Hamburg ein Experiment mit einem kuriosen Namen: "Licht durch die Wand".

    "Wir sind hier in Halle 55 auf dem Desy-Gelände."

    Herzstück ist eine gelblich weiße Röhre, knapp 15 Meter lang. In ihrem Inneren herrschen ein Hochvakuum, ein extremes Magnetfeld sowie frostige minus 270 Grad. Am Anfang der Röhre steht eingebaut in einen Container ein Speziallaser. Er schießt starkes Laserlicht in die Röhre.

    "Ganz am Ende befindet sich ein Panzerschrank. Und in diesem Panzerschrank befindet sich eine Kamera."

    Das Entscheidende aber ist die Metallplatte, eingesetzt in die Mitte der Röhre. Durch sie kann der Laserstrahl eigentlich nicht durch - genauso wenig, wie Licht durch eine Betonwand dringen kann. Demnach dürfte die hochempfindliche Kamera am Röhrenende rein gar nichts sehen. Doch sollte es die ominösen Schattenteilchen wirklich geben, könnte sich ein Teil des Laserlichts in sie verwandeln. Denn da die winzigen Geister praktisch kaum auf Materie reagieren, würden sie mir nichts dir nichts durch die Wand spazieren. Hinter der Wand dann sollten sich einige von ihnen zurückverwandeln in normales Licht. Eben dieses Licht würde die Kamera aufschnappen - und Ringwalds Theorie wäre bewiesen. Aber:

    "Im Dezember wurde die erste Phase abgeschlossen. Wir sind mittlerweile das empfindlichste Experiment auf der Welt in diesem Gebiet. Und wir haben kein Licht durch die Wand gesehen."

    Doch der Physiker lässt sich nicht entmutigen. Sein Team bastelt schon an einem Detektor, der 10.000mal empfindlicher ist als die bisherige Kamera. Und sollte das neue Experiment die Schattenteilchen tatsächlich aufspüren, wäre das nicht nur eine Sensation für die Teilchenphysik.

    "Das wäre sozusagen die Entdeckung einer ganz neuen Welt."

    Denkbar wäre auch eine spektakuläre praktische Anwendung - und zwar Lichtsignale durch dicke Wände zu funken, durch extrem dicke Wände.

    "Sogar durch die Erde könnte ich mir vorstellen, dass man ein Signal schicken könnte. Die Übertragungsrate könnte so sein, wie man sie früher mit dem Handy hatte: vielleicht 1000 Bit/s. Das ist natürlich keine große Übertragungsrate. Für einen Geheimdienst wäre es vielleicht interessant, um einen Schlüssel zu übertragen."

    Und auch U-Booten könnten die versteckten Teilchen einen neuen Kommunikationskanal eröffnen. Denn je tiefer ein U-Boot abtaucht, umso schwieriger ist die Verständigung mit Funkwellen.