Fischer: Es soll eine Untersuchungs-Kommission gegeben haben. Zunächst aber einmal die Frage: Was ist denn da zu sehen, und wie sieht das aus?
Koldehoff: Es sind rund vierzig Bilder zu sehen, das heißt Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde, die aus den verschiedensten Privatsammlungen in den Niederlanden, in Großbritannien, in Deutschland kommen. Das ganze ist sehr, sehr theatralisch inszeniert. Sie betreten nicht Ausstellungsräume, sondern sie betreten die Kisten selbst durch einen großen Holzeingang, in Holz ausgekleidete Wände. Die Zeichnungen hängen auch nicht in Rahmen, sondern ebenfalls in Kisten mit Plexiglas davor. Es wird also schon sehr stark insinuiert: Es ist tatsächlich ein Fund, den wir da gemacht haben. Der Katalog ist Gott sei Dank anders. Im Katalog sind genug Fragezeichen vorhanden. Da werden Materialien ausgebreitet und zur Diskussion gestellt. Da wird letztlich - bis auf ein Gemälde - auch die Frage offen gelassen: Ist es denn nun Van Gogh oder ist es nicht Van Gogh? Bei diesem einen Gemälde sind sich die Ausstellungsmacher sicher, ein verschollenes Frühwerk gefunden zu haben. Ich bin auch da etwas skeptisch. Die anderen, wie gesagt, werden nur zur Diskussion gestellt. Die Gefahr ist aber: Alle diese Werke befinden sich noch in Privatbesitz. Wer will eigentlich verhindern, dass sie im kommenden oder im übernächsten Jahr auf irgendwelchen Auktionen auftauchen und im Auktionskatalog einfach nur steht: Ausstellung Van Gogh Breda 2003. Damit ist aus einem fragwürdigen Werk dann plötzlich ein echtes Werk geworden.
Fischer: Wenn das schon reichte, wäre es natürlich schlimm. Sie haben gesagt, es gab Experten, die die Echtheit aller dieser Bilder sehr bezweifelt haben. Was sind die Argumente?
Koldehoff: Die Experten, die die Ausstellung gemacht haben, in Breda sind sehr engagierte, junge, sorgfältige Kunsthistoriker, die aber noch nie mit Van Gogh zu tun hatte. Die Leute, die zweifeln, die Skeptiker, sind die Experten zum Beispiel im Van Gogh Museum und in angeschlossenen naturwissenschaftlichen Instituten in Amsterdam, die stilkritisch untersucht haben, die materialtechnisch untersucht haben und zum Teil festgestellt haben, es ist eine Komponente Bleiweiß in der Farbe drin, die es im 19. Jahrhundert, also vor Van Goghs Tod, überhaupt noch nicht gegeben hat und die vor allem die Möglichkeit hatten - und das ist eben das wichtige - diese fragwürdigen Werke mit zweifellos echten Werken aus derselben Zeit Eins zu Eins zu vergleichen. Es reicht also nicht bei Werken, eine schöne Geschichte zu haben und die so genannte Provenienz, die Herkunft zu belegen. Man muss dann auch gucken, ob es tatsächlich die Handschrift und die Materialien des Künstlers sind.
Fischer: Vielen Dank, Stefan Koldehoff, für diese Einschätzung. Die Ausstellung heißt: "Vincent Van Gogh - verlorene Sache" und ist im Niederländischen Museum in Breda zu sehen