Olsson ist ein gesuchter Werber und PR-Berater. Er wurde, wie die meisten von Gustafssons Helden, in Mittelschweden geboren, im gleichen Jahr wie sein Autor - und er wohnt, ebenfalls wie Gustafsson, in Austin, Texas. Wenn Olsson überhaupt irgendwo wohnt. Er ist ein moderner Nomade. Er regelt sein Leben aus Hotelzimmern und von Flughäfen aus. Hauptsache, der E-Mail-Anschluß funktioniert.
"Mit einem Seufzer der Erleichterung - Erleichterung worüber? Daß er nicht tot war, daß er sich endlich wieder ins Netz einloggen konnte? - stellte Dick seinen Laptop auf und öffnete seine Email. Er empfand jedesmal eine eigentümliche Geborgenheit, wenn er ins Netz kam. Die Nabelschnur zu einer anderen Welt. Es war, da er keine andere hatte, doch eine Art Heimat. Ein langes Memorandum von der geschwätzigen Glashütte in Smaland, das er gleich übersprang. Ein Gruß aus Washington ... Rings um ihn her saßen überall Männer in grauen Anzügen, dazu einige wenige Frauen in maßgeschneiderten Kostümen und mit kurzgeschnittenen Haaren, und tippten auf ihren Laptops. Wer kein Gefangener des Cyberraums war, hing statt dessen am Telefon."
So viel Mobilität scheint aufregend, aber eigentlich geschieht nichts Überraschendes im wohlorganisierten Leben des Dick Olsson. Nichts außer Flugzeugverspätungen und sonderbare Aufträge. Bis - endlich - doch etwas passiert, eine winzige Veränderung. Sein veränderter Blick genügt, sein ganzes Lebensgebäude ins Wanken zu bringen. Auch das ist ein wiederkehrendes Motiv Gustafssons. Die Mauern waren immer wieder andere, aber seine Geschichten handelten stets vom Entstehen der Risse in den Mauern.
"Die Dienerin" heißt Gustafssons neues Buch im schwedischen Original. Sein deutscher Verleger hat daraus "Geheimnisse zwischen Liebenden" gemacht. In der Spanne zwischen den beiden Titeln liegt der Zauber des kleinen Romans. Olsson verliebt sich in Eleonora, seine Putzfrau, eine illegale Einwanderin. Ganz plötzlich, eigentlich schien sie ihm zu knochig. Und überhaupt, was weiß er von ihr. Nichts. Sie haben kaum eine gemeinsame Sprache. Dann stirbt noch seine Mutter in Stockholm, die hatte er beinahe vergessen. Er muß nach Europa, nach Berlin und nun auch nach Schweden, die Beerdigung organisieren. Das ist ihm vor allem lästig. Unentwegt denkt er zärtlich an Eleonora, will ihr schreiben. Gibt es auf, versucht es wieder. Doch ein Brief bedeutet bereits ein Zuviel an Realität, ein Zuviel an Dauer.
"Mangels anderer Beschäftigungen machte sich Dick wieder an den angefangenen und nicht vollendeten Brief an Eleonora. Drei Tage war er jetzt alt. Und auf schwedisch geschrieben. Am Ende war es ein Brief an ihn selbst? Als er ihn noch einmal durchlas, kam er ihn ganz und gar geistlos vor. Vielleicht wäre es das beste, wieder von vorn anzufangen?
Eleonora! Ich war schon immer ein einsamer Mensch. Von Dir weiß ich nichts, aber kürzlich hatte ich das Gefühl, Du wärst es auch, und unsere Einsamkeiten würden sich für einen Augenblick begegnen. Es war ein schöner Augenblick - ein Gefühl, als würde eine Art gemeinsames Wissen aus den Einsamkeiten geboren. Nur für einen Augenblick. Aber da war etwas. Es fühlte sich vollständig wirklich an."
Vielleicht hat sich Olsson auch alles nur eingebildet. Die Liebe ist einfach, wenn die Geliebte nicht da ist. Oder nur dann, wenn er sie bei sich haben möchte, für Sekunden. - Wenn sie keine Meinung hat, nichts sagt. Anders ist dem Erfolgsmenschen Dick Olsson Liebe schon lange nicht mehr gelungen. Zu sehr hat er sich darangewöhnt, alles abrufen zu können.
"Geheimnisse zwischen Liebenden" meint nicht die Geheimnisse, die Liebende teilen, sondern jene, die sie trennen. Männer scheinen Verbindlichkeit nur noch für Augenblicke auszuhalten, oder dann im virtuellen Raum. Lars Gustafsson hat, einmal mehr, einen düsteren Befund in ein heiteres Buch gepackt: Männer sind zur Liebe nicht fähig. Oder nicht mehr. Und das, was wir einst Realität nannten, entweicht uns allmählich, auch aus der Liebe.
Ob es Dick Olsson gelingt, noch einmal mit der Liebe, mit Eleonora anzufangen, das läßt Gustafsson in diesem so wunderbar melancholischen Männer-Buch offen.
"Mit einem Seufzer der Erleichterung - Erleichterung worüber? Daß er nicht tot war, daß er sich endlich wieder ins Netz einloggen konnte? - stellte Dick seinen Laptop auf und öffnete seine Email. Er empfand jedesmal eine eigentümliche Geborgenheit, wenn er ins Netz kam. Die Nabelschnur zu einer anderen Welt. Es war, da er keine andere hatte, doch eine Art Heimat. Ein langes Memorandum von der geschwätzigen Glashütte in Smaland, das er gleich übersprang. Ein Gruß aus Washington ... Rings um ihn her saßen überall Männer in grauen Anzügen, dazu einige wenige Frauen in maßgeschneiderten Kostümen und mit kurzgeschnittenen Haaren, und tippten auf ihren Laptops. Wer kein Gefangener des Cyberraums war, hing statt dessen am Telefon."
So viel Mobilität scheint aufregend, aber eigentlich geschieht nichts Überraschendes im wohlorganisierten Leben des Dick Olsson. Nichts außer Flugzeugverspätungen und sonderbare Aufträge. Bis - endlich - doch etwas passiert, eine winzige Veränderung. Sein veränderter Blick genügt, sein ganzes Lebensgebäude ins Wanken zu bringen. Auch das ist ein wiederkehrendes Motiv Gustafssons. Die Mauern waren immer wieder andere, aber seine Geschichten handelten stets vom Entstehen der Risse in den Mauern.
"Die Dienerin" heißt Gustafssons neues Buch im schwedischen Original. Sein deutscher Verleger hat daraus "Geheimnisse zwischen Liebenden" gemacht. In der Spanne zwischen den beiden Titeln liegt der Zauber des kleinen Romans. Olsson verliebt sich in Eleonora, seine Putzfrau, eine illegale Einwanderin. Ganz plötzlich, eigentlich schien sie ihm zu knochig. Und überhaupt, was weiß er von ihr. Nichts. Sie haben kaum eine gemeinsame Sprache. Dann stirbt noch seine Mutter in Stockholm, die hatte er beinahe vergessen. Er muß nach Europa, nach Berlin und nun auch nach Schweden, die Beerdigung organisieren. Das ist ihm vor allem lästig. Unentwegt denkt er zärtlich an Eleonora, will ihr schreiben. Gibt es auf, versucht es wieder. Doch ein Brief bedeutet bereits ein Zuviel an Realität, ein Zuviel an Dauer.
"Mangels anderer Beschäftigungen machte sich Dick wieder an den angefangenen und nicht vollendeten Brief an Eleonora. Drei Tage war er jetzt alt. Und auf schwedisch geschrieben. Am Ende war es ein Brief an ihn selbst? Als er ihn noch einmal durchlas, kam er ihn ganz und gar geistlos vor. Vielleicht wäre es das beste, wieder von vorn anzufangen?
Eleonora! Ich war schon immer ein einsamer Mensch. Von Dir weiß ich nichts, aber kürzlich hatte ich das Gefühl, Du wärst es auch, und unsere Einsamkeiten würden sich für einen Augenblick begegnen. Es war ein schöner Augenblick - ein Gefühl, als würde eine Art gemeinsames Wissen aus den Einsamkeiten geboren. Nur für einen Augenblick. Aber da war etwas. Es fühlte sich vollständig wirklich an."
Vielleicht hat sich Olsson auch alles nur eingebildet. Die Liebe ist einfach, wenn die Geliebte nicht da ist. Oder nur dann, wenn er sie bei sich haben möchte, für Sekunden. - Wenn sie keine Meinung hat, nichts sagt. Anders ist dem Erfolgsmenschen Dick Olsson Liebe schon lange nicht mehr gelungen. Zu sehr hat er sich darangewöhnt, alles abrufen zu können.
"Geheimnisse zwischen Liebenden" meint nicht die Geheimnisse, die Liebende teilen, sondern jene, die sie trennen. Männer scheinen Verbindlichkeit nur noch für Augenblicke auszuhalten, oder dann im virtuellen Raum. Lars Gustafsson hat, einmal mehr, einen düsteren Befund in ein heiteres Buch gepackt: Männer sind zur Liebe nicht fähig. Oder nicht mehr. Und das, was wir einst Realität nannten, entweicht uns allmählich, auch aus der Liebe.
Ob es Dick Olsson gelingt, noch einmal mit der Liebe, mit Eleonora anzufangen, das läßt Gustafsson in diesem so wunderbar melancholischen Männer-Buch offen.