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"Geheimnisverrat" mal anders

Internet.- Mit OpenLeaks wird alles anders, verspricht die Organisation um Daniel Domscheit-Berg, dem ehemaligen Sprecher von WikiLeaks. Lange war die Webseite des neuen Whistleblower-Projekts nur als Startseite im Netz zu sehen. Nun gibt es ein bisschen mehr.

Von Wolfgang Noelke | 05.02.2011
    Man müsse sich nicht konspirativ mit OpenLeaks-Mitarbeitern im Wald treffen. Es reiche aus, den OpenLeaks-Button anzuklicken, den man künftig auf den Websites von Zeitungen, Fernsehsendern und Nichtegierungsorganisationen findet. Schon öffne sich ein Menü, mit dem Whistleblower, also Informanten, brisante Dateien zum Empfänger ihrer Wahl senden könnten. WikiLeaks 2.0, also eine bessere Kopie von WikiLeaks war nie geplant, sagt Daniel Domscheit-Berg.

    Das Ziel der Programmierer sei von Beginn an, auch den kleinen Whistleblowern eine Chance zu bieten, anonym Missstände zu veröffentlichen, beispielsweise korrupte Strukturen im Hochbauamt einer kleinen Kreisstadt an die örtliche Tageszeitung zu übermitteln. Die hochgeladenen Dateien befänden sich dann verschlüsselt in der Datenwolke aller Teilnehmerserver, so Daniel Domscheit-Berg, aber sie könnten zunächst nur von diesem einen Empfänger, im Beispielfall von Journalisten der Lokalzeitung, entschlüsselt und gelesen werden.

    "Diese Bereitstellung eines Dokuments ist immer gebunden an einen gewissen Zeitraum. In diesem Zeitraum ist das Material exklusiv. Man macht eben seine Story draus, als einziger, der diesen Skandal ans Licht bringt und danach wird es allen zur Verfügung gestellt."

    Spätestens dann erhält auch die Konkurrenzzeitung die brisanten Dokumente. Dies erhöhe den Druck auf die Redaktion der ersten Zeitung, in der Sache zu recherchieren, so Domscheit-Berg. Es wäre deswegen auch unmöglich, den Skandal zu verschweigen. Die Technik der OpenLeaks- Plattform wird gerade von einigen Medien und Organisationen getestet.

    "Wir haben im Moment noch das Problem, dass nicht alles fertig entwickelt ist. Wenn das fertig ist, dann kann die Technologie einem wesentlich größeren Kreis von Organisationen geöffnet werden. Dann muss man sicherstellen, dass in einem anderen Teil der Welt sich eine ähnliche Gruppierung gründet, die eben dort den Medien so etwas zur Verfügung stellt."

    OpenLeaks-Dokumente liegen dann technisch nahezu unangreifbar auf einigen tausend internationalen Servern. Juristisch unangreifbar seien "geleakte" Dokumente allerdings nicht immer, meint der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig- Holstein, Dr. Thilo Weichert, besonders, wenn es sich um Dokumente mit geschützten personenbezogenen Daten handelt:

    "Die Öffentlichkeit beginnt natürlich schon durch das Bereitstellen für einen begrenzten Teilnehmerkreis. Verantwortlich ist zunächst der Informant, der aber natürlich anonym bleiben kann, aufgrund der Technologie, die wir im Internet haben. Und dann die Weiternutzung, die liegt dann vollständig in der Verantwortung der Zeitung. Und Zeitungen müssen sich auch dessen bewusst sein, dass Informationen, die über OpenLeaks preisgegeben werden, dass sie möglicherweise gefälscht sind, das sie rechtsbeeinträchtigend sind, dass sie unter Umständen nicht abgesichert sind. Insofern ist jeder Journalist aufgefordert, die Seriosität der jeweiligen Unterlage zu prüfen, sonst hat der Journalist, die Zeitung ein eigenes rechtliches Problem."

    Daniel Domscheit-Berg vertraut darauf, dass die Server der Mitglieder nicht nur vor technischen Angriffen geschützt sind, sondern auch juristischen Schutz genießen vor eventuellen Beschlagnahmeaktionen:

    "Wenn man heute davon ausgeht, dass Medienunternehmen Server anmieten, dann haben diese Server zum einen einen gewissen Schutz, weil sie Teile einer Medieninfrastruktur sind. Sie genießen unter Umständen so etwas, wie den Schutz von Redaktionsräumen oder Arbeitsgeräten von Journalisten."

    Wie weit dieser Schutz nach deutschem Recht ausreicht, wird die Praxis zeigen, sobald die ersten Betroffenen versuchen werden, juristisch gegen OpenLeaks vorzugehen. Zumal brisante OpenLeaks-Daten auch nicht ausschließlich auf Servern deutscher Redaktionen lagern. OpenLeaks soll nämlich allen zur Verfügung stehen, so Domscheit-Berg. Er hofft auf Nachahmer, zum Beispiel aus dem Bereich der NGOs, der Nichtregierungsorganisationen.

    "Wir werden diesen Service zum einen kostenfrei anbieten, weil wir niemanden ausgrenzen wollen, der als NGO sowas nicht bezahlen kann. Es geht darum, Infrastruktur zu bekommen. Wenn wir jetzt viele dazu bringen können, sich mit einem 'bisschen was' zu beteiligen, dann entsteht daraus ein extrem großes Netzwerk an Maschinen, das um ein Vielfaches besser aufgestellt sein wird, als das, was WikiLeaks jemals hätte leisten können. Und auf der anderen Seite gibt es eine Gemeinschaft von Interessen, die gemeinsam die Interessen am Betreiben eines solchen Dienstes verteidigen werden. Und das ist dann auch wieder ein viel stärkerer Ansatz, als das auf die Schultern einer einzigen Organisation zu legen."