Nicht nur das Mittelalter selbst war, bei aller Faszination, die es seit der Ära der Romantik wieder entwickelte, in der Wahrnehmung späterer Epochen voll Rohheit. Auch in der künstlerischen Bearbeitung von mittelalterlichen Stoffen spiegeln sich gewisse grobe Bräuche bei der Kriegsführung und unschöne Angewohnheiten der Zivilgesellschaft, die dann zunehmend durch zwischenstaatliche Vereinbarungen (wie sie sich zum Beispiel in den Regelungen des Westfälischen Friedens finden, später in der Haager Landkriegsordnung oder Genfer Konvention), durch Verfassungen und Gesetzgebung zum Beispiel gegen die Folter und die Hexenverbrennungen eingedämmt werden sollten.
Die Art des Zugriffs von Fabio Luisi auf die Musik zu Vincenzo Bellinis "Straniera" erinnerte nun – womöglich absichtsvoll – an mittelalterliche Rohheit. Insgesamt hoch ausgesteuert erschien die Tonspur zur Geschichte der ominösen Alaide, die im Jahre des Herrn 1193 ländlich abgeschieden und allein lebt, deshalb von den Dörflern zur Hexe erklärt wird – meines Erachtens zu hoch für das nur mittelgroße Züricher Stadttheater. Die Bläser treten bei ihren Soli mit den hinsichtlich der Lautstärke seit den 1820er-Jahren drastisch nachgebesserten Instrumenten aufdringlich hervor, das Tutti knallt immer wieder undifferenziert, die Sänger-Crew brüllt, wann immer dazu auch nur der geringste Anlass gegeben erscheint – und die Primadonna gerne eine Handbreit zu tief. Aber es gibt wohl noch immer eine Fraktion im Opern-Publikum, die das für eine Kunst hält. Was hat dasselbe Orchester zum Beispiel unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt nicht an angemessener Differenzierung geleistet?!
Die Oper "La straniera" bezog ihren Plot aus dem Kontingent französischer Romantik, deren emphatischer Geist die "leidenschaftliche Begeisterung" für "das Erhabene und Unendliche" nähren wollte – nebenbei auch die Akzeptanz von Royalismus, Kirchenjustiz und vernunftgezügelten Liebeswünschen beförderte. Die Fremde, die der mit Isoletta verlobte Graf Ravenstein entdeckt und begehrt, um derentwillen er seinen besten Freund, Baron Valdeburgo, fast totsticht, entpuppt sich als die vom französischen König Philippe II im Jahr 1193 verstoßene Zweitgattin Agneses, die der Schutzhaft entfloh und als Einsiedlerin ihrer Trauer lebt. Bei "La straniera" handelt es sich um eine Handlung, deren Formen des erotischen Begehrens, der Ehrbezeugung durch Minneritual und Duell sowie des Liebestods von heutigen Praktiken der Liebe und Familienpolitik extrem fern sind. Das mindert den Reiz dieser Oper von 1829 weniger als die Kollision der partiellen Fortschrittlichkeit auf musikalisch-technischem Terrain mit der Restauration von idyllisiertem Mittelalter.
Der Regisseur Christof Loy liest aus dem Libretto "Hitchcocksche Qualität" heraus. Aber einen Opern-Krimi hat er nicht auf die Bühne gezaubert im Einheitsraum. Der erinnert mit seinen Zügen und Nornenseilen an ein Theater in der Entstehungszeit der Oper, in dem es aber dann viel Stehtheater gibt und gelegentlich von rechts nach links trabende Choristen. Ein Landschaftsgemälde, das zunächst im Hintergrund hängt, später herumgetragen wird, erinnert an die Uferlandschaft beim Castello di Montolino, an der Bellini seine Musik ansiedelte. In ihrer Einfallslosigkeit und dem unbeholfenen Umgang mit dem teils stark übergewichtigen Sängerpersonal nähert sich die Produktion der Schmerzgrenze der Historienoper, an der die Historie für eine Quantité négligeable erachtet wird. Was aber Edita Gruberova als Schlachtross der Titelpartie in die Halle stemmt, konterkariert nicht nur die der Rolle inhärente feudale Königinnenwürde, sondern ist mit den fortgesetzten Distonationen eine freche Zumutung. Es ist, als würde im ansonsten qualitätsbewussten Zürich nicht mit anständigen Fränkli bezahlt sondern mit Lire aus einer alten Schatulle. Was Frau Gruberova an der Limmat abliefert, ist jenseits des Limits.
Die Art des Zugriffs von Fabio Luisi auf die Musik zu Vincenzo Bellinis "Straniera" erinnerte nun – womöglich absichtsvoll – an mittelalterliche Rohheit. Insgesamt hoch ausgesteuert erschien die Tonspur zur Geschichte der ominösen Alaide, die im Jahre des Herrn 1193 ländlich abgeschieden und allein lebt, deshalb von den Dörflern zur Hexe erklärt wird – meines Erachtens zu hoch für das nur mittelgroße Züricher Stadttheater. Die Bläser treten bei ihren Soli mit den hinsichtlich der Lautstärke seit den 1820er-Jahren drastisch nachgebesserten Instrumenten aufdringlich hervor, das Tutti knallt immer wieder undifferenziert, die Sänger-Crew brüllt, wann immer dazu auch nur der geringste Anlass gegeben erscheint – und die Primadonna gerne eine Handbreit zu tief. Aber es gibt wohl noch immer eine Fraktion im Opern-Publikum, die das für eine Kunst hält. Was hat dasselbe Orchester zum Beispiel unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt nicht an angemessener Differenzierung geleistet?!
Die Oper "La straniera" bezog ihren Plot aus dem Kontingent französischer Romantik, deren emphatischer Geist die "leidenschaftliche Begeisterung" für "das Erhabene und Unendliche" nähren wollte – nebenbei auch die Akzeptanz von Royalismus, Kirchenjustiz und vernunftgezügelten Liebeswünschen beförderte. Die Fremde, die der mit Isoletta verlobte Graf Ravenstein entdeckt und begehrt, um derentwillen er seinen besten Freund, Baron Valdeburgo, fast totsticht, entpuppt sich als die vom französischen König Philippe II im Jahr 1193 verstoßene Zweitgattin Agneses, die der Schutzhaft entfloh und als Einsiedlerin ihrer Trauer lebt. Bei "La straniera" handelt es sich um eine Handlung, deren Formen des erotischen Begehrens, der Ehrbezeugung durch Minneritual und Duell sowie des Liebestods von heutigen Praktiken der Liebe und Familienpolitik extrem fern sind. Das mindert den Reiz dieser Oper von 1829 weniger als die Kollision der partiellen Fortschrittlichkeit auf musikalisch-technischem Terrain mit der Restauration von idyllisiertem Mittelalter.
Der Regisseur Christof Loy liest aus dem Libretto "Hitchcocksche Qualität" heraus. Aber einen Opern-Krimi hat er nicht auf die Bühne gezaubert im Einheitsraum. Der erinnert mit seinen Zügen und Nornenseilen an ein Theater in der Entstehungszeit der Oper, in dem es aber dann viel Stehtheater gibt und gelegentlich von rechts nach links trabende Choristen. Ein Landschaftsgemälde, das zunächst im Hintergrund hängt, später herumgetragen wird, erinnert an die Uferlandschaft beim Castello di Montolino, an der Bellini seine Musik ansiedelte. In ihrer Einfallslosigkeit und dem unbeholfenen Umgang mit dem teils stark übergewichtigen Sängerpersonal nähert sich die Produktion der Schmerzgrenze der Historienoper, an der die Historie für eine Quantité négligeable erachtet wird. Was aber Edita Gruberova als Schlachtross der Titelpartie in die Halle stemmt, konterkariert nicht nur die der Rolle inhärente feudale Königinnenwürde, sondern ist mit den fortgesetzten Distonationen eine freche Zumutung. Es ist, als würde im ansonsten qualitätsbewussten Zürich nicht mit anständigen Fränkli bezahlt sondern mit Lire aus einer alten Schatulle. Was Frau Gruberova an der Limmat abliefert, ist jenseits des Limits.