Der erste Kuss, eine wichtige Entscheidung oder die eine Begegnung: Jeder kennt einen Song, den man mit solchen Erfahrungen verbindet, der Gänsehaut macht. Fast ohne es zu merken, haben sich Musik und Erinnerung verknüpft. Das Gehirn bewertet den Song als bedeutungsvoll. Wie genau es das macht, wollten Züricher Wissenschaftler näher untersuchen – und behalfen sich dabei mit einer Droge.
"Jetzt ist es aber so, dass die Prozesse relativ schwierig zu untersuchen sind, weil sie eben mehr oder weniger unbewusst und automatisch ablaufen. Und LSD hat uns jetzt die Möglichkeit gegeben quasi in diese Prozesse einzugreifen und dann die pharmakologischen Mechanismen darunter zu untersuchen."
Musik hören und Drogen nehmen für die Wissenschaft. So könnte man den Ablauf der Studie zusammenfassen, die Dr. Katrin Preller mit ihrem Team durchgeführt hat. 22 Probanden durchliefen ihr Experiment an der Universität Zürich. Sie hatten die Aufgabe sechs Lieder mitzubringen, die für Sie persönlich von besonderer Bedeutung sind. Die Wissenschaftler hielten eine Palette weiterer Songs bereit, die die Teilnehmer bewerten sollten – entweder als bedeutungsvoll, wie ihre Lieblingslieder, als neutral oder als bedeutungslos, wie sie beispielsweise Freejazz einstuften.
"Gerade die Stücke, die die Leute selber mitgebracht haben, die fallen wirklich in quasi jede Kategorie. Da war jetzt von klassischer Musik und Beethoven bis irgendwie Muse, Radiohead und Sound of Silence alles dabei."
Belangloses wird auf Droge bedeutungsvoll
In einem funktionellen Magnetresonanztomographen bewerteten die Probanden 30 dieser Musiktitel erneut, diesmal unter Droge. Das Ergebnis: Auf LSD wurden zuvor als belanglos eingestufte Lieder plötzlich zu bedeutenden Musikstücken. Auf den Hirnscans konnten die Forscher sehen, welche Regionen unter LSD stärker aktiv waren als ohne Droge. Die bunten Flecken auf den Bildern liegen entlang Mittellinie des Gehirns und spielen bei der Selbstwahrnehmung des Menschen eine Rolle.
Ihre Ergebnisse veröffentlichten Katrin Preller und Kollegen im Fachblatt "Current Biology". Überrascht waren sie, dass LSD über einen einzelnen Rezeptor für Serotonin wirkte. Bisher dachte man, dass mehrere Rezeptortypen beteiligt sind. Diese Erkenntnis könnte für die Behandlung psychischer Erkrankungen wichtig werden, denn wie auf LSD nehmen auch Patienten mit Schizophrenie oder einer Phobie ihre Umwelt bedeutungsvoller wahr.
"Wir machen Grundlagenforschung, wir entwickeln keine neuen Medikamente, aber wir hoffen natürlich in dem Moment Hilfestellungen zu geben, die dann bei der Entwicklung von neuen und effektiveren Medikamenten hilfreich sind."
Strenge Auflagen für Halluzinogen-Experimente
Damit Wissenschaftler solche Studien mit Drogen wie LSD überhaupt realisieren können, sind einige bürokratische Hürden zu nehmen. In Deutschland treiben strenge Auflagen die Kosten für eine solche Studie so hoch, dass hierzulande kaum noch an Halluzinogenen geforscht wird.
Die Schweiz steht solchen Studien offener gegenüber. Das Bundesamt für Gesundheit in Bern hat LSD für die Forschung am Menschen zugelassen, die Kantonale Ethikkommission von Zürich hat die Studie von Katrin Preller genehmigt.
"Wir müssen natürlich auch die entsprechenden Bewilligungen einholen, ganz klar. Die Schweiz hat ‘ne lange Tradition in der Forschung mit den Substanzen und die Studien waren immer problemlos und erfolgreich. Von daher, die Bewilligungen müssen wir alle einholen und es ist auch entsprechend aufwendig, aber es ist möglich."