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Gehirnschmalz statt Grubengold

Es ist eine Region voller stolzer Nostalgie: von hart schuftenden Bergleuten, aufrechten Fußballspielern, Taubenzüchtern und Büdchenbesitzern. Grubengold und Stahl des Ruhrgebietes haben uns nach dem Krieg "wieder hochgeholt". Die Arbeit im Pütt und als Stahlkocher versprachen Familienauskommen mit Zechensiedlungshäuschen und eine sichere Rente. Damals hätte die Vorstellung, dass Zechen und Industriebrachen zu Designzentren, zu Kreativwerkstätten und Gründerzentren für Kulturschaffende werden könnten, wohl eher als "bekloppt" gegolten.

Von Andrea Lueg und Kate Maleike |
    Im Ruhrpott wurde traditionell mit den Händen gearbeitet, Bildung, Kultur und Wissenschaft - das waren keine Stichworte, die man gleich mit der Region verband. Doch das soll der Strukturwandel ändern. Das Ruhrgebiet oder die "Metropole Ruhr" wie es jetzt oft heißt, soll zum bedeutenden Wissenschaftsstandort werden. Und sie will dabei durchaus ihre Wurzeln nutzen: den riesigen Knoten aus Straßen und Wasserwegen zum Beispiel, um sich im Bereich Logistik einen Namen zu machen. Die jahrzehntelangen Erfahrungen mit Zuwanderung, die sich für Konzepte zur Integration nutzen lassen. Medizin und Medizintechnik können im Riesenballungsraum Ruhrgebiet auf ein Netz aus Kliniken und spezialisierten Krankenhäusern zurückgreifen. Und schließlich ist der Ruhrpott heute die dichteste Forschungs- und Bildungslandschaft in Europa.

    Für manche Bewohner der Region ist der Strukturwandel schon heute Teil der eigenen Biografie: Sie sind vom Bergmann zum Geschichtsprofessor geworden, gründen ihre Unternehmen in den "Kathedralen der Industriekultur" oder leben in der Studenten-WG im Zechenhäuschen. Andere finden dort keine Perspektive mehr, wo nur die Hochqualifizierten eine Chance haben. Das Ruhrgebiet zwischen Grube und Gründerzentrum, zwischen Hochofen und Hochtechnologie, zwischen Nostalgie und Neubeginn. Unterwegs in einer Region, die selbst unterwegs ist.

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