Studie der Universität Cambridge
Gehirnstruktur durchläuft von der Kindheit bis zum Alter fünf Phasen

Die Belastbarkeit, Ansichten oder Leistungen von Menschen sind auch altersabhängig. Ein Forschungsteam der Universität Cambridge hat nun herausgefunden, dass es bei der Hirnstruktur deutlich abgegrenzte Entwicklungsstadien gibt.

    Ein Arzt betrachtet den Scan eines Gehirn auf einem Bildschirm.
    Britische Forscher haben fünf Entwicklungsstadien des menschlichen Gehirns festgestellt. (picture alliance / Image Source / Andrew Brookes)
    Demnach verschaltet sich das Gehirn im Laufe eines Lebens fünfmal umfassend neu. Im Alter von im Mittel etwa 9, 32, 66 und 83 Jahren gebe es Wendepunkte der neuronalen Vernetzung, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature Communications. Die Neuvernezung gehe jeweils mit verschiedenen Denkweisen im Zuge von Wachstum, Reifung und Alterung einher. Diese Phasen lieferten wichtige Hinweise, wozu das Gehirn in verschiedenen Lebensabschnitten am besten geeignet sei oder wann es am anfälligsten sei. So kann man laut Studie verstehen, warum sich manche Gehirne an wichtigen Punkten im Leben anders entwickeln, zum Beispiel in Form von Lernschwierigkeiten bei Kindern oder Demenz im Alter.

    Phase 1: Aufbau und Reduzierung der Synapsen

    In der ersten Phase von der Geburt bis etwa zum neunten Lebensjahr wird die Vielzahl im Gehirn eines Babys übermäßig produzierter Synapsen reduziert, wie die Forschenden erklären. Erhalten bleiben die aktiver genutzten Verbindungen zwischen den Neuronen. Der erste Wendepunkt im Alter von rund neun Jahren geht der Studie zufolge mit einer sprunghaften Veränderung der kognitiven Fähigkeiten, aber auch einem erhöhten Risiko für psychische Störungen einher.

    Phase 2: Jugend und frühes Erwachsenenalter - Effizienz auf dem Höhepunkt

    Zwischen etwa neun und 32 Jahren befindet sich das Gehirn in seiner zweiten Phase – und auf einem echten Höhenflug. Die Organisation der Kommunikationsnetzwerke des Gehirns werde zunehmend verfeinert, erläutert das Team. Kennzeichnend sei eine schnelle Kommunikation im gesamten Gehirn, verbunden mit einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit. Die Adoleszenz ist demnach die einzige Phase im Leben, in der die neuronale Effizienz zunimmt. 

    Phase 3: Das erwachsene Gehirn - drei Jahrzehnte Stabilität

    Im Durchschnitt mit Anfang 30 sieht das Forschungsteam die maximale Leistungsfähigkeit des Gehirns erreicht, der stärkste Wendepunkt der gesamten Lebensspanne stehe an. Im Alter von etwa 32 Jahren beobachteten die Wissenschaftler die größten Veränderungen in der Verdrahtung und die größte Gesamtverschiebung in der Entwicklung. Der genaue Zeitpunkt sei recht variabel und hänge unter anderem auch von kulturellen, historischen und sozialen Faktoren ab. Die Gehirnarchitektur stabilisiert sich verglichen mit früheren Phasen – und das gleich für rund drei Jahrzehnte. Es gebe ein Plateau in Bezug auf Intelligenz und Persönlichkeit, erläutern die Forschenden. 

    Phase 4: Die frühe Phase des Alterns beginnt

    Mit etwa 66 Jahren stehe dann der am wenigsten ausgeprägte Wendepunkt ohne größere strukturelle Veränderungen an: Mitte der Sechziger erreiche eine allmähliche Umstrukturierung der Hirnnetzwerke ihren Höhepunkt. Dies sei ein Alter, in dem Menschen einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen ausgesetzt seien. Bluthochdruck etwa könne das Gehirn beeinträchtigen.

    Phase 5: Letzte Entwicklungsphase

    Der letzte Wendepunkt erfolgt der Analyse zufolge im Alter von etwa 83 Jahren: Das menschliche Gehirn trete in die Phase des späten Alterns ein. Die Vernetzung nehme weiter ab. Da es keine Studienteilnehmer über 90 Jahren gab, ging der Untersuchungszeitraum nur bis zu diesem Lebensalter. Künftige Studien sollten größere Stichproben berücksichtigen und geschlechtsspezifische Unterschiede untersuchen, wünscht sich das Team. 
    Für die Studie wertete das Team rund 3.800 Datensätze von bis zu 90 Jahre alten Menschen ohne bekannte neurologische Erkrankungen aus. Genutzt wurden sogenannte MRT-Diffusionsscans, die neuronale Verbindungen abbilden, indem sie die Bewegung von Wassermolekülen durch das Gehirngewebe verfolgen. 
    Diese Nachricht wurde am 28.11.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.