Freitag, 19. April 2024

Archiv

Gehör
Proteine beheben Lärmschäden

Neurowissenschaften. - In einer immer älter werdenden Gesellschaft nimmt auch die Zahl an unter Alterserscheinungen leidenden Menschen zu. Demenz, abnehmendes Augenlicht, Schwerhörigkeit. Forschern fällt es nicht leicht, Wege zu finden, diese Prozesse aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen. Kürzlich haben Wissenschaftler aber immerhin Prozesse im Ohr entdeckt, die bei Mäusen gegen Schwerhörigkeit helfen.

Von Martina Preiner | 21.11.2014
    Egal ob auf einem Metalkonzert, bei einer kraftvollen Darbietung eines Philharmonie-Orchesters oder wenn man eine Baustelle vor dem Fenster hat: Wir werden von Schall umgeben, der unser Gehör nachhaltig schädigen kann. Nahezu jeder kennt das Gefühl, wenn man einige Zeit einer Lärmquelle ausgesetzt war: die Ohren sind wie in Watte gepackt, nur langsam erholt sich das Gehör. Aber: es erholt sich nie ganz, manche Nervenverbindungen werden so dauerhaft geschädigt – zumindest bei Mäusen.
    "Wenn Mäuse einer Lärmbelastung ausgesetzt sind, die in etwa ein paar Stunden auf einem lauten Konzert oder stundenlangem Rasenmähen entspricht, verlieren sie eine signifikant hohe Anzahl an Synapsen, also Nervenendigungen."
    Der Biologe Gabriel Corfas leitet die Hals-Nasen-Ohren-Abteilung der Universität Michigan. Ihre Versuchsmäuse beschallen er und seine Mitarbeiter je zwei Stunden lang mit 100 Dezibel lauten, für Mäuse gut hörbaren Tönen. Bis zu diesem Experiment war bekannt, dass ein bestimmtes Protein eine wichtige Rolle bei der Gehörentwicklung von Föten spielt. Es heißt Neurotrophin-3, abgekürzt NT3. Fehlt dieses Protein bei einem ungeborenen Mäusejungen, kommt dieses taub zur Welt. Denn die Nervenzellen, die normalerweise die Reize aus der Gehörschnecke im Innenohr ans Gehirn weiterleiten, werden gar nicht erst gebildet. NT3 findet sich auch nach der Geburt in den Nervenzellen.
    Synapsen wachsen nach
    "Aber wir wussten kaum etwas darüber, was für eine Rolle NT3 in einem erwachsenen Ohr spielt."
    Also züchtete das Team um Corfas eine ganz besondere Mäuseart. Diese genmodifizierten Nager wurden gemeinsam mit einer Kontrollgruppe der besagten Lärmquelle ausgesetzt. Bei den genetisch veränderten Mäusen konnten die Forscher direkt nach dem Schalltrauma gezielt die NT3-Produktion anregen und verstärken. Beide Gruppen verloren zwar zunächst gleich viele Nervenverbindungen beziehungsweise Synapsen – und erlitten damit einen ähnlichen Gehörverlust.
    "Doch es zeigte sich: Zwei Wochen später hatten die Mäuse mit NT3-Überschuss wieder ein besseres Gehör und mehr Synapsen."
    Vor allem im hochfrequenten Bereich hörten die Mäuse wieder – die tieffrequenten Areale ließen zu wünschen übrig. Während sich das Gehör der Mäuse ohne NT3-Überschuss sich nach dieser Zeitspanne nicht derartig regenerieren konnte. Mäuseohren sind weniger lärmresistent als Menschenohren. Aber Corfas hofft dennoch, dass die Erkenntnisse im Versuchstier auch Rückschlüsse auf das menschliche Ohr ziehen lassen.
    "Mit diesen Informationen, die wir jetzt haben, können wir nun erforschen, ob unterschiedliche Konzentrationen von NT3 auch im Menschen mit einem besseren Gehör oder zumindest einem geringeren Gehörverlust zusammenhängen."
    Vielleicht ließe sich so auch erklären warum manche Leute Metalmusik besser wegstecken als andere. Bis dahin aber doch besser die Ohrstöpsel mitnehmen – dann hat man länger was davon.