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Geht der Ostsee die Luft aus ?

Die Ostsee ist ein besonders empfindliches Gewässer - sie ist weniger salzig als andere Meere, aus der Nordsee dringt nur wenig Wasser ein, um für Austausch zu sorgen. Dafür kommt nährstoffreiches und oft verschmutztes Wasser aus den Flüssen der Ostseeanrainer - für die Umwelt ist das ein Problem. Immer wieder sorgt Sauerstoffmangel für Atemnot bei Fischen, Krebsen und Muscheln.

Von Claudia Thoma | 28.09.2004
    Ruhige See, Sonnenschein. Bei besten Wetterbedingungen startet das Mess- und Laborschiff Haithabu seine Messfahrt auf der Ostsee. Besonders rosig sind die Prognosen in diesem Jahr nicht, sagt Joachim Voss vom schleswig-holsteinischen Landesamt für Natur und Umwelt. Viele Niederschläge haben für entsprechend reichlich Nährstoffeintrag gesorgt haben.

    Und was wir beobachtet haben ist, dass wir anders als in anderen Jahren sehr viele Kieselalgenblüten hatten, nicht nur im Frühjahr. Die Kieselalgen produzieren organisches Material, was dann absinkt zum Meeresboden, dort zersetzt wird und diese Bakterien benötigen Sauerstoff und der ist vermutlich aufgebraucht.

    Über einen Kran wird die computergesteuerte Sonde mit verschiedenen Sensoren und Schöpfern ins Wasser gelassen. Während die Sonde tiefer und tiefer ins Wasser sinkt, zeigt der Computer im Labor die Messdaten an: Salzgehalt, Tiefe, Temperatur, Druck und Sauerstoffgehalt. Klaus Wilke:

    Man sieht deutlich, dass der Sauerstoffgehalt sich deutlich verringert. Wir werden gleich den Meeresboden erreichen, der Sauerstoff geht drastisch runter. Das fängt so bei 16 Metern an, dass wir bei fünf Milligramm haben und wir haben am Meeresboden unter einem Milligramm.

    Der Schlick, der dann aus einem tiefen Loch in der Kieler Förde mit hochgehievt wird, riecht deutlich nach faulen Eiern. Kein gutes Zeichen.

    Klaus Wilke: Das ist Schwefelwasserstoff, und wenn der frei im Wasser ist, das ist dann tödlich für Tiere.

    Das größte Brackwassermeer Ostsee leidet seit Jahren an Atemnot. Die Verbindungen zwischen Nord- und Ostsee sind schmal und flach. Das schränkt den Wasseraustausch ein. Vor allem in den warmen Monaten bilden sich zwei Wasserschichten.

    Klaus Wilke: Das salzarme Ostseewasser liegt oben drüber. Wir haben am Boden salzreicheres Nordseewasser. Das Ganze ist getrennt von einer sogenannten Sprungschicht. Das ist sozusagen ein Geburtsfehler der Ostsee, dass die Ostsee geschichtet ist.

    Diese Sprungschicht und der hohe Salzgehalt verhindern vor allem im Sommer, dass sauerstoffreiches Wasser in die Tiefen der Ostsee gelangt. Erst sinkende Temperaturen und Stürme im Herbst sorgen für eine Vermischung, allerdings nur in der westlichen Ostsee. Die ist so eine Art Stehaufmännchen, sagt Joachim Voss. Drei bis 10 Jahre allerdings dauert es, bis die ursprünglichen Verhältnisse wiederhergestellt sind.

    Klaus Wilke: Wenn jetzt aber jedes Jahr Störungen auftreten, dann wird es immer schwieriger, weil dann immer weniger Elterntiere da sind, die ihre Larven freisetzen können. Aber in der Regel funktioniert das noch.

    Bedenklich ist der Zustand in der zentralen Ostsee. Bei Rügen oder Bornholm, erneuert sich das Wasser nur alle paar Jahre. Der letzte große Salzwassereinstrom war Anfang der 80er, sagt der Meeresbiologe.

    Klaus Wilke: Unser Hauptproblem ist ja die Überdüngung, die Phänomene, die durch überhöhten Nährstoffeintrag. Das wollen wir versuchen zurückzudrängen, damit diese Sauerstoffmangelereignisse, die durchaus auch mal natürlich auftreten können, das ist einfach seltener werden. Die waren auch schon seltener.

    Es gibt deutliche Hinweise dafür, dass der Mensch stark ins Ökosystem Ostsee eingegriffen hat. Die empfindliche Ostsee reagiert. Seegras gibt es kaum noch. Bereiche, die früher versandet waren, sind heute verschlickt. Die Vegetation wandert von tieferen Schichten nach oben.

    Wir haben häufiger Sauerstoffmangelsituationen als sie früher waren und das ist ein Zustand, der nicht in Ordnung ist.

    Um den biologisch-ökologischen Zustand der Ostsee zu überprüfen wird mit einer einem Schlittenwagen samt Videokamera über den Meeresgrund gefahren . Schwämme erscheinen auf dem Bildschirm und eine gesunde Strandkrabbe. 21 Meter 40 Wassertiefe. Dunkle Miesmuscheln tauchen auf.

    Da haben wir jetzt die Muschelbank, wir sehen doch viel mehr Seesterne, viel mehr Miesmuscheln, die Muscheln sind bewachsen.

    Nicht überall in der Ostsee aber waren die Ergebnisse der Messungen so positiv. An vier Stellen wurde Schwefelwasserstoff gefunden In der Eckernförder Bucht und in der Lübecker zum Beispiel.

    Und tatsächlich war es so, dass am Dienstag dort zu einem begrenzten Fischsterben gekommen ist.

    Insgesamt gab es an 40 Prozent der untersuchten Stellen ist die Ostsee Sauerstoff unter 1mg. Vor zwei Jahren waren das noch 60 Prozent. Dafür lagen die Messergebnisse im Bereich ein bis vier Mg sind in diesem Jahr deutlich häufiger gemessen worden.

    Also insgesamt ein zwar schlechtes Jahr, aber deutlich besser als in 2002.