Bettina Klein: Die frühere RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt ist nach 24 Jahren Haft wieder auf freiem Fuß. Am frühen Sonntagmorgen wurde die 57-Jährige aus der bayerischen Justizvollzugsanstalt Aichach entlassen. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte Mitte Februar einem Antrag Mohnhaupts stattgegeben, den Rest ihrer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass sie erneut schwere Straftaten begehe, so die Begründung. Auch die Bundesanwaltschaft hatte die Freilassung befürwortet.
Scharfe Kritik kam gestern vom CSU-Vorsitzenden und bayerischem Ministerpräsidenten Edmund Stoiber an der Entscheidung. Er äußerte sich bei einer Veranstaltung in Südkorea.
"Das ist rechtlich in Ordnung, aber es entspricht natürlich oder widerspricht dem Rechtsempfinden von mindestens 80 Prozent der Menschen in Deutschland, deswegen, weil: Das ist ein neunfacher Mord. Das sind fünfmal lebenslänglich plus zehn Jahre zusätzlich. Dafür sind sicherlich 24 Jahre meines Erachtens eine zu kurze Zeit."
Eine Reaktion also von Edmund Stoiber auf die Freilassung der früheren RAF-Terroristin Mohnhaupt. Man gehe hier brutal über die Empfindungen der Angehörigen der Opfer hinweg, sagte Stoiber auch noch.
Ich habe vor einigen Minuten mit dem CSU-Politiker Norbert Geis über das Thema gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob das eine persönliche Einzelmeinung Stoibers ist oder ob er sich als CSU-Politiker dem anschließt?
Norbert Geis: Stoiber hat im Grunde seiner Aussage schon recht. Ich meine, es ist völlig klar, dass formaljuristisch nach den Vorgaben, die wir vom Verfassungsgericht haben und die der Senat des Oberlandesgerichtes Stuttgart bei seiner letzten Entscheidung erlassen hat, dass nämlich nach 24 Jahren die Mindeststrafe vorbei ist, nach diesen Vorgaben ist diese Entlassung , da wohl auch sicher ist, dass Frau Mohnhaupt nicht mehr gefährlich sein wird, richtig. Man darf aber auf der anderen Seite keinesfalls übersehen, welch furchtbare Zeit es gewesen ist, als die RAF in Deutschland tobte und als keiner mehr seines Lebens sicher war. Jedenfalls Spitzenpolitiker mussten damit rechnen, dass sie gekidnappt werden, und Wirtschaftsspitzenführer mussten ebenfalls damit rechnen, dass es ihr Leben kostet. Es war eine große Unsicherheit ins Land gekommen, und es wurden ja auch brutale Morde verübt. Frau Mohnhaupt war unbestritten eine der Rädelsführerinnen, und sie zeichnet hauptverantwortlich für neun Morde. Sie ist fünfmal zu lebenslänglich verurteilt, dazu noch 15 Jahre. Es ist der Bevölkerung schon nicht leicht klar zu machen, dass sie nun nach 24 Jahren wieder in die Freiheit kommt.
Klein: Aber Herr Geis, wenn es formaljuristisch in Ordnung ist, dann bedeutet das doch auch der Rechtsstaat, der zu diesem Gesetz geführt hat, deckt sich eben in dieser Frage nicht mit dem Rechtsempfinden der Bürger?
Geis: Das ist wohl richtig. Das kommt übrigens öfters vor. Es ist nicht so, dass das jetzt hier einmalig ist. Das Rechtsempfinden der Bürger ist oft anders gelagert, als der Rechtsstaat seine Entscheidungen trifft. Das ist nicht ganz selten. Aber dennoch meine ich, dass das Rechtsempfinden der Bürger schon ernst zu nehmen ist, denn eine Strafe hat ja immer auch die Bedeutung, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern sagt, dadurch wird die Rechtsordnung verteidigt. Ihr könnt euch darauf verlassen, dass der Staat alles tun wird, um seine Rechtsordnung, eure Ordnung, zu verteidigen. Wenn nun nach 24 Jahren freilich, das darf man nicht übersehen; das ist ja eine lange Zeit, dennoch eine solche Mörderin freigelassen wird, die auch noch viele Fragen offen lässt über die Taten der RAF. Es ist vieles noch nicht geklärt. Es gibt immer noch lebende Opfer, zumindest Angehörige von Opfern, die ja immer noch auch die Frage stellen, was war denn eigentlich damals? Wer hat eigentlich meinen Vater umgebracht? So die Frage beispielsweise des Sohnes.
Klein: Sie hätten sich gewünscht, dass Frau Mohnhaupt mehr zur Aufklärung beiträgt?
Geis: Ich meine schon. Sie hätte mehr zur Aufklärung beitragen müssen, und sie hätte auch sich deutlicher distanzieren müssen. Sie verteidigt ja immer noch ihr damaliges Vorgehen als legitim. Sie sagt immer noch, dieser Kampf gegen die damalige Gesellschaftsordnung, gegen den Staat war gerechtfertigt. Ich meine, das ist schon sehr bedenklich.
Klein: Herr Geis, nun ist nicht immer rechtsstaatliches Gesetz und das Bedürfnis nach Gerechtigkeit deckungsgleich. Das haben wir mehrfach in der Geschichte auch erlebt. Die Frage ist natürlich, wie relevant darf das für die Aufarbeitung eines historischen Prozesses sein? Das Bedürfnis nach Vergeltung und nach Rache ist ja vielleicht menschlich verständlich, aber wie relevant ist das in Bezug jetzt auf die Aufarbeitung der RAF-Vergangenheit?
Geis: Vergeltung und Rache würde ich so nicht als das Bedürfnis der Bevölkerung bezeichnen, sondern die Bevölkerung sagt, ihr verfolgt den kleinen Verkehrsübertreter mit aller Schärf, und das macht ihr richtig. Da haben wir nichts dagegen, denn wir brauchen eine Verkehrsordnung. Oder ihr verfolgt den, der im Kaufhaus einen Ladendiebstahl begeht, den verfolgt ihr. Aber ihr erweist euch hier mit großer Gnade gegenüber einer mehrfachen Mörderin. Da kann in der Bevölkerung das Bewusstsein entstehen, der Staat ist nicht wehrfähig genug.
Klein: Aber es war doch kein Gnadenakt, Herr Geis. Der Gnadenakt kommt vielleicht zum Tragen bei Christian Klar, aber in diesem Falle war es ja einfach das Aussetzen einer Strafe auf Bewährung.
Geis: Das ist richtig. Ich meine das würde in einem Gnadenakt bei Christian Klar wohl ähnlich passieren, wenn es überhaupt zu einem Gnadenakt kommt, dass die Reststrafe auf Bewährung ausgesetzt wird. Es wird so empfunden als Gnadenakt. Sie müssen immer überlegen: Die Frau ist fünfmal lebenslänglich verurteilt worden, und sie ist noch 15 Jahre dazu verurteilt worden. Wenn sie dann nach 24 Jahren rauskommt, dann ist das in den Augen der Bevölkerung, im Verständnis der Bevölkerung, eines normalen Menschen schon ein Gnadenakt.
Klein: Und welche Konsequenzen sollten daraus gezogen werden Ihrer Meinung nach aus diesem Empfinden?
Geis: Ich meine, hier muss eine Aufklärung gegenüber der Bevölkerung stattfinden. Es geht nicht an, dass die Frau einfach entlassen wird und nun die Bevölkerung mit dieser Information alleine gelassen wird. Hier muss Aufklärungsarbeit geschehen.
Klein: Was meinen Sie mit Aufklärungsarbeit?
Geis: Ich meine damit, man muss mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen. Man muss natürlich ihr sagen, dass wir eine Rechtsordnung haben, die nicht so absolut ist, dass auf ewige Zeit ein Mensch hinter Schloss und Riegel kommt, sondern dass dieser Mensch, das verlangt seine Würde; das sagt das Verfassungsgericht und ich stimme dem zu, irgendwann am Ende des Tunnels noch Licht sehen kann, das heißt dass er wieder in die Freiheit kommen kann, dass dies eine humane Rechtsordnung ist und dass aus diesen Überlegungen heraus diese Freilassung erfolgt ist nachdem festgestellt worden ist, dass die Frau nicht mehr gefährlich ist. Das scheint ja eindeutig zu sein und das haben wir auch zu respektieren. Ich meine schon, dass es richtig ist, dass man mit der Bevölkerung, mit den Menschen draußen dies versucht zu erklären. Der Staat darf nach dieser Entlassung nicht als schwacher Staat hervorgehen im Bewusstsein der Bevölkerung.
Klein: Aber ist denn das Risiko gegeben, dass der Staat als schwach erscheint, nur weil er formaljuristisch einfach ein Gesetz vollzieht?
Geis: Es ist nicht ein Gesetz, sondern es ist eine Rechtsprechung, die sich da entwickelt hat.
Klein: Ein Gerichtsurteil.
Geis: Aber immerhin, es ist genauso gültig und hat dieselbe Wirkung. Ich will aber nicht sagen, dass der Staat jetzt schwach ist, weil er hier eine Freilassung gemacht hat. Im Gegenteil: Das kann man sogar als eine gewisse Stärke deuten. Es wird aber nicht so empfunden im großen Teil der Bevölkerung, und darum geht es mir. Es geht mir darum, dass der Staat nach dieser Entlassung nicht als schwacher Staat bei der Bevölkerung dasteht, sondern dass er der Bevölkerung sagen kann, den Menschen draußen sagen kann, wir sind ein humaner Staat, und wir haben geprüft, die Frau ist nicht mehr gefährlich und nach 24 Jahren hat sie, wo sie 57 Jahre alt ist, ihre Strafe verbüßt und nun dürfen wir sie wieder in die Freiheit entlassen. Dies muss aufgearbeitet werden, wenn man so will.
Klein: Wenn Sie noch Erklärungsbedarf sehen und weitere Aufarbeitung fordern, heißt das, dass wir im Grunde noch lange nicht mit dieser Geschichte am Ende sind, noch nicht fertig sind?
Geis: Das ist richtig. Ich glaube auch, es ist einfach noch viel zu viel offen. Die Fragen sind noch offen. Frau Mohnhaupt hat sich nicht erklärt. Sie erklärt immer noch, unser damaliges Handeln war legitim. Das alles zeigt ganz deutlich, dass diese Aufarbeitung der RAF von damals ganz offensichtlich noch nicht abgeschlossen ist, ganz offensichtlich nicht.
Klein: Sagt der CSU-Politiker Norbert Geis zur Freilassung der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt.
Scharfe Kritik kam gestern vom CSU-Vorsitzenden und bayerischem Ministerpräsidenten Edmund Stoiber an der Entscheidung. Er äußerte sich bei einer Veranstaltung in Südkorea.
"Das ist rechtlich in Ordnung, aber es entspricht natürlich oder widerspricht dem Rechtsempfinden von mindestens 80 Prozent der Menschen in Deutschland, deswegen, weil: Das ist ein neunfacher Mord. Das sind fünfmal lebenslänglich plus zehn Jahre zusätzlich. Dafür sind sicherlich 24 Jahre meines Erachtens eine zu kurze Zeit."
Eine Reaktion also von Edmund Stoiber auf die Freilassung der früheren RAF-Terroristin Mohnhaupt. Man gehe hier brutal über die Empfindungen der Angehörigen der Opfer hinweg, sagte Stoiber auch noch.
Ich habe vor einigen Minuten mit dem CSU-Politiker Norbert Geis über das Thema gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob das eine persönliche Einzelmeinung Stoibers ist oder ob er sich als CSU-Politiker dem anschließt?
Norbert Geis: Stoiber hat im Grunde seiner Aussage schon recht. Ich meine, es ist völlig klar, dass formaljuristisch nach den Vorgaben, die wir vom Verfassungsgericht haben und die der Senat des Oberlandesgerichtes Stuttgart bei seiner letzten Entscheidung erlassen hat, dass nämlich nach 24 Jahren die Mindeststrafe vorbei ist, nach diesen Vorgaben ist diese Entlassung , da wohl auch sicher ist, dass Frau Mohnhaupt nicht mehr gefährlich sein wird, richtig. Man darf aber auf der anderen Seite keinesfalls übersehen, welch furchtbare Zeit es gewesen ist, als die RAF in Deutschland tobte und als keiner mehr seines Lebens sicher war. Jedenfalls Spitzenpolitiker mussten damit rechnen, dass sie gekidnappt werden, und Wirtschaftsspitzenführer mussten ebenfalls damit rechnen, dass es ihr Leben kostet. Es war eine große Unsicherheit ins Land gekommen, und es wurden ja auch brutale Morde verübt. Frau Mohnhaupt war unbestritten eine der Rädelsführerinnen, und sie zeichnet hauptverantwortlich für neun Morde. Sie ist fünfmal zu lebenslänglich verurteilt, dazu noch 15 Jahre. Es ist der Bevölkerung schon nicht leicht klar zu machen, dass sie nun nach 24 Jahren wieder in die Freiheit kommt.
Klein: Aber Herr Geis, wenn es formaljuristisch in Ordnung ist, dann bedeutet das doch auch der Rechtsstaat, der zu diesem Gesetz geführt hat, deckt sich eben in dieser Frage nicht mit dem Rechtsempfinden der Bürger?
Geis: Das ist wohl richtig. Das kommt übrigens öfters vor. Es ist nicht so, dass das jetzt hier einmalig ist. Das Rechtsempfinden der Bürger ist oft anders gelagert, als der Rechtsstaat seine Entscheidungen trifft. Das ist nicht ganz selten. Aber dennoch meine ich, dass das Rechtsempfinden der Bürger schon ernst zu nehmen ist, denn eine Strafe hat ja immer auch die Bedeutung, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern sagt, dadurch wird die Rechtsordnung verteidigt. Ihr könnt euch darauf verlassen, dass der Staat alles tun wird, um seine Rechtsordnung, eure Ordnung, zu verteidigen. Wenn nun nach 24 Jahren freilich, das darf man nicht übersehen; das ist ja eine lange Zeit, dennoch eine solche Mörderin freigelassen wird, die auch noch viele Fragen offen lässt über die Taten der RAF. Es ist vieles noch nicht geklärt. Es gibt immer noch lebende Opfer, zumindest Angehörige von Opfern, die ja immer noch auch die Frage stellen, was war denn eigentlich damals? Wer hat eigentlich meinen Vater umgebracht? So die Frage beispielsweise des Sohnes.
Klein: Sie hätten sich gewünscht, dass Frau Mohnhaupt mehr zur Aufklärung beiträgt?
Geis: Ich meine schon. Sie hätte mehr zur Aufklärung beitragen müssen, und sie hätte auch sich deutlicher distanzieren müssen. Sie verteidigt ja immer noch ihr damaliges Vorgehen als legitim. Sie sagt immer noch, dieser Kampf gegen die damalige Gesellschaftsordnung, gegen den Staat war gerechtfertigt. Ich meine, das ist schon sehr bedenklich.
Klein: Herr Geis, nun ist nicht immer rechtsstaatliches Gesetz und das Bedürfnis nach Gerechtigkeit deckungsgleich. Das haben wir mehrfach in der Geschichte auch erlebt. Die Frage ist natürlich, wie relevant darf das für die Aufarbeitung eines historischen Prozesses sein? Das Bedürfnis nach Vergeltung und nach Rache ist ja vielleicht menschlich verständlich, aber wie relevant ist das in Bezug jetzt auf die Aufarbeitung der RAF-Vergangenheit?
Geis: Vergeltung und Rache würde ich so nicht als das Bedürfnis der Bevölkerung bezeichnen, sondern die Bevölkerung sagt, ihr verfolgt den kleinen Verkehrsübertreter mit aller Schärf, und das macht ihr richtig. Da haben wir nichts dagegen, denn wir brauchen eine Verkehrsordnung. Oder ihr verfolgt den, der im Kaufhaus einen Ladendiebstahl begeht, den verfolgt ihr. Aber ihr erweist euch hier mit großer Gnade gegenüber einer mehrfachen Mörderin. Da kann in der Bevölkerung das Bewusstsein entstehen, der Staat ist nicht wehrfähig genug.
Klein: Aber es war doch kein Gnadenakt, Herr Geis. Der Gnadenakt kommt vielleicht zum Tragen bei Christian Klar, aber in diesem Falle war es ja einfach das Aussetzen einer Strafe auf Bewährung.
Geis: Das ist richtig. Ich meine das würde in einem Gnadenakt bei Christian Klar wohl ähnlich passieren, wenn es überhaupt zu einem Gnadenakt kommt, dass die Reststrafe auf Bewährung ausgesetzt wird. Es wird so empfunden als Gnadenakt. Sie müssen immer überlegen: Die Frau ist fünfmal lebenslänglich verurteilt worden, und sie ist noch 15 Jahre dazu verurteilt worden. Wenn sie dann nach 24 Jahren rauskommt, dann ist das in den Augen der Bevölkerung, im Verständnis der Bevölkerung, eines normalen Menschen schon ein Gnadenakt.
Klein: Und welche Konsequenzen sollten daraus gezogen werden Ihrer Meinung nach aus diesem Empfinden?
Geis: Ich meine, hier muss eine Aufklärung gegenüber der Bevölkerung stattfinden. Es geht nicht an, dass die Frau einfach entlassen wird und nun die Bevölkerung mit dieser Information alleine gelassen wird. Hier muss Aufklärungsarbeit geschehen.
Klein: Was meinen Sie mit Aufklärungsarbeit?
Geis: Ich meine damit, man muss mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen. Man muss natürlich ihr sagen, dass wir eine Rechtsordnung haben, die nicht so absolut ist, dass auf ewige Zeit ein Mensch hinter Schloss und Riegel kommt, sondern dass dieser Mensch, das verlangt seine Würde; das sagt das Verfassungsgericht und ich stimme dem zu, irgendwann am Ende des Tunnels noch Licht sehen kann, das heißt dass er wieder in die Freiheit kommen kann, dass dies eine humane Rechtsordnung ist und dass aus diesen Überlegungen heraus diese Freilassung erfolgt ist nachdem festgestellt worden ist, dass die Frau nicht mehr gefährlich ist. Das scheint ja eindeutig zu sein und das haben wir auch zu respektieren. Ich meine schon, dass es richtig ist, dass man mit der Bevölkerung, mit den Menschen draußen dies versucht zu erklären. Der Staat darf nach dieser Entlassung nicht als schwacher Staat hervorgehen im Bewusstsein der Bevölkerung.
Klein: Aber ist denn das Risiko gegeben, dass der Staat als schwach erscheint, nur weil er formaljuristisch einfach ein Gesetz vollzieht?
Geis: Es ist nicht ein Gesetz, sondern es ist eine Rechtsprechung, die sich da entwickelt hat.
Klein: Ein Gerichtsurteil.
Geis: Aber immerhin, es ist genauso gültig und hat dieselbe Wirkung. Ich will aber nicht sagen, dass der Staat jetzt schwach ist, weil er hier eine Freilassung gemacht hat. Im Gegenteil: Das kann man sogar als eine gewisse Stärke deuten. Es wird aber nicht so empfunden im großen Teil der Bevölkerung, und darum geht es mir. Es geht mir darum, dass der Staat nach dieser Entlassung nicht als schwacher Staat bei der Bevölkerung dasteht, sondern dass er der Bevölkerung sagen kann, den Menschen draußen sagen kann, wir sind ein humaner Staat, und wir haben geprüft, die Frau ist nicht mehr gefährlich und nach 24 Jahren hat sie, wo sie 57 Jahre alt ist, ihre Strafe verbüßt und nun dürfen wir sie wieder in die Freiheit entlassen. Dies muss aufgearbeitet werden, wenn man so will.
Klein: Wenn Sie noch Erklärungsbedarf sehen und weitere Aufarbeitung fordern, heißt das, dass wir im Grunde noch lange nicht mit dieser Geschichte am Ende sind, noch nicht fertig sind?
Geis: Das ist richtig. Ich glaube auch, es ist einfach noch viel zu viel offen. Die Fragen sind noch offen. Frau Mohnhaupt hat sich nicht erklärt. Sie erklärt immer noch, unser damaliges Handeln war legitim. Das alles zeigt ganz deutlich, dass diese Aufarbeitung der RAF von damals ganz offensichtlich noch nicht abgeschlossen ist, ganz offensichtlich nicht.
Klein: Sagt der CSU-Politiker Norbert Geis zur Freilassung der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt.