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Geister-Beschwörung im Labor

Physik. - Kugelblitze sind schwebende Lichtkugeln, für die es zwar viele Augenzeugenberichte, aber kaum wissenschaftliche Beweise und Untersuchungen gibt. Jetzt haben Berliner Physiker allerdings leuchtende Kugeln in ihrem Labor erzeugt und zwar nur mit Zutaten, die es beim Gewitter auch gibt: Wasser und Elektrizität.

Von Michael Fuhs |
    "Da ist immer gegen eingewandt worden: "ja, das war irgendwie eine helle Erscheinung und das Auge setzt das dann um." Die eigentliche Erscheinung ist sehr kurz, meinetwegen nur Mikrosekunden, aber dieser Nachleuchteffekt im Auge, der gaukelt einem dann etwas vor, dass das dann eine Sekunde oder zwei oder auch mehr waren."

    Ob optische Täuschung oder nicht, es gab schon etliche Theorien, wie Kugelblitze zustande kommen könnten. Eine ist, dass es sich dabei um ein so genanntes Plasma handelt. Das ist ein Materiezustand wie er auch bei der Kernfusion eine Rolle spielt. Und deshalb griff Georg Fußmann zu, als sich ihm die Chance bot, Kugelblitze im Labor zu erzeugen. Er forscht am Max-Planck-Institut für Plasmaforschung über Kernfusion und ist gleichzeitig Physikprofessor an der Humboldt Universität in Berlin-Adlershof. Dort, im Südosten der Stadt, standen früher etliche Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR. Im Keller eines Nachbargebäudes gab es noch alte russische Kondensatorbatterien. Sie fehlten Georg Fußmann noch, um das Experiment nachzubauen, das vor einigen Jahren in Sankt Petersburg entwickelt wurde. Denn die schrankgroßen Kondensatorbatterien können genug Energie speichern und sie schnell genug wieder abgeben.

    Burkhard Jüttner, pensionierter Kollege von Georg Fußmann, war Feuer und Flamme für die Idee und baute die Apparatur mit auf. Er füllt Wasser in ein Glasgefäß, das etwa so groß wie ein Putzeimer ist. An der einen Seite hängt er einen Draht in das Wasser. In die Mitte des Gefäßes taucht er ein Keramikröhrchen. Es ist unten verschlossen und der obere Rand ragt über die Wasseroberfläche hinaus. In dem Röhrchen befindet sich der zweite Kontakt, durch die Keramik elektrisch isoliert vom Wasser im Gefäß. Allerdings ist auch das Röhrchen oben einige Millimeter mit Wasser gefüllt. Die Kondensatorbatterie wird auf 5000 Volt aufgeladen. Wenn etwa ein Tausendstel der Energie eines natürlichen Blitzes gespeichert ist, drückt Burkhard Jüttner auf den Auslöser. Die Kondensatorbatterie gibt die Energie schlagartig in einer Entladung über die Kontakte im Wasser wieder ab.

    Der Funken schlägt vom Wasser im Glasgefäß auf das Wasser im Keramikröhrchen über. Das Wasser im Keramikröhrchen wird durch den Strom in Bruchteilen einer Sekunde erhitzt und verdampft, so schnell, dass man es nicht sehen kann. Dann steigt eine Tennisball große Kugel auf, die grell leuchtet. Das Schauspiel dauert viel länger als ein normaler Blitz, erklärt Burkhart Jüttner.

    "Unser Blitz ist 300 Millisekunden - 0,3 Sekunden - lang. Das ist für eine blitzartige Entladung eine Ewigkeit. Insofern haben wir schon ein Charakteristikum eines Kugelblitzes erreicht. "

    Dieses Gebilde ist ein Wasserdampfplasma. Durch den Strom wurden Elektronen aus den Atomen herausgerissen. Wenn sie wieder zusammenstoßen, leuchten die Atome auf. Nach diesem Prinzip funktionieren auch Leuchtstoffröhren.

    "Das Zweite ist: der Kugelblitz steigt erst auf, wenn der Entladungsstrom schon längst abgeklungen ist. Das heißt, er wird von uns nicht mehr elektrisch versorgt, sondern ist ein autonomes Gebilde, das völlig losgelöst dann hier durch den Raum schwebt."

    Genau dieser Umstand bereit Georg Fußmann noch Kopfzerbrechen. Denn Plasmen leuchten eigentlich nur so lange, wie Energie zugeführt wird. Der Kugelblitz im Labor leuchtet jedoch auch dann noch, wenn kein Strom mehr fließt. Diese Beobachtung entspricht durchaus der Beschreibung von Kugelblitzen in der Natur, wo sie einige Sekunden lang dauern.

    "Diese Experimente lassen einen erkennen, es gibt durchaus diese möglichen Bedingungen, wo sich solche Blitze bilden können. Vermutlich, so weit wir wissen, durch einen normalen Blitz gezündet, wenn er also in Wasser einschlägt und eine begrenzte Menge an Wasser verdampfen und ionisieren kann. Dann ist so was möglich."

    Damit ist es wahrscheinlicher geworden, dass die Augenzeugen keiner optischen Täuschung erlegen sind, sondern dass es sekundenlange Kugelblitze tatsächlich gibt. Die Kugelblitze im Labor erlauben Georg Fußmann nun, das Phänomen mit seinen Messinstrumenten weiter zu untersuchen.