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Geisterfahrer im Weltraum

Planetologie. - Die Theorie zur Planetenentstehung hatten die Astronomen eigentlich längst abgehakt: Planeten entstammen einer Gasscheibe, die rund um den jungen Stern rotierte, deshalb umkreisen sie ihn auch alle in derselben Richtung. Genau das tun sechs ferne Planeten aber nicht, die auf einer Astronomentagung in Glasgow vorgestellt wurden.

Von Guido Meyer | 14.04.2010
    Es war einmal ... eine Wolke aus Gas und Staub, die um einen Stern rotierte. In ihr bildeten sich Planeten, die sich - natürlich - in derselben Richtung um ihre Sonne drehten wie die Wolke. So weit, so gut. In mindestens sechs Fällen scheinen diese kosmischen Gesetze jedoch nicht zu gelten.

    "Das Besondere bei diesen sechs Planeten ist, dass sie ihren Stern in entgegengesetzter Richtung umkreisen. In unserem Sonnensystem umrunden alle acht Planeten die Sonne in derselben Richtung. Dies ergibt sich aus deren Entstehungsgeschichte, da sie alle aus derselben rotierenden Gas- und Staubscheibe hervorgegangen sind. Einen Planeten zu finden, der sich andersrum bewegt, wäre schon sehr ungewöhnlich. Haben wir aber."

    Nicht nur einen, sondern sechs, allesamt Gasplaneten, um die 150.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Und das Team um Astronomieprofessor Andrew Cameron von der Schule für Physik und Astronomie der Universität von St. Andrews in Schottland hat seine Arbeit am Weltraumteleskop der europäischen Südsternwarte in Chile gerade erst aufgenommen:

    "Unsere Beobachtungen stellen das bisherige Modell zur Planetenentstehung infrage. Bei sechs von 27 bislang untersuchten Planeten haben wir diese entgegengesetzte Bewegungsrichtung nachgewiesen. Das sind fast zwanzig Prozent. Der Umstand, dass wir so viele Objekte entdeckt haben, die sich falsch herum bewegen, deutet darauf hin, dass mit der gültigen Theorie etwas nicht stimmt."

    Ohne äußeren Einfluss wäre es für einen gerade entstehenden Himmelskörper unmöglich, seine Bewegungsrichtung zu ändern, entgegen dem Drehimpuls der Gas- und Staubwolke, aus der er sich bildet. Und auch danach bedarf es einer Störung von außerhalb des Systems, um die Umlaufbahn eines fertigen Planeten umzudrehen.

    "Ein anderer Stern oder ein weiterer Riesenplanet in diesen Sonnensystemen könnte - von außerhalb der Umlaufbahn der jeweiligen Planeten - diese beeinflusst haben, indem er an den Planeten zieht. Sie würden zu torkeln beginnen und dabei sowohl ihre Umlaufbahn als auch deren Ausrichtung ändern. Sie würden mit einer umgekehrten Bewegungsrichtung nahe an ihrem Zentralgestirn enden. Und genau das beobachten wir."

    Diese Erklärung hätte einen für die Entstehung von erdähnlichen Planeten in anderen Sonnensystemen unschönen Nebeneffekt: Die Gasriesen auf ihren instabilen Bahnen würden kleinere Planeten geradezu wegfegen.

    "Es dauert Hunderte von Millionen Jahren, bis sich Staub zu Steinen zusammenballt, aus diesen Felsen und schließlich Vorstufen von Planeten entstehen. Dies alles bedarf einer ganzen Kette von Zusammenstößen. Wenn aber ein Gasriese von der Größe Jupiters durch dieses Sonnensystem torkelt, dürfte er durch seinen Schwerkrafteinfluss jegliche Zusammenballung von Gestein zu größeren Objekten gleich wieder auseinanderreißen."

    Was genau hier für Unruhe sorgt, können die Astronomen nicht sagen. Es könnte ein benachbarter Stern sein oder ein weiterer riesiger Gasplanet mindestens von der Masse Jupiters. Da diese Objekte aufgrund ihrer langgezogenen Bahn jedoch keinen Transit durchführen, ihren Stern - von der Erde aus gesehen - also nicht kurzzeitig bedecken, konnten die Wissenschaftler sie bislang nicht entdecken und keine Messungen ihrer Umlaufbahnen, Größe und Masse anstellen.