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Geisteswissenschaften als Übersetzer

Für die wissenschaftliche Forschung in und mit Museen will die Bundesregierung in den nächsten drei Jahren bis zu 15 Millionen Euro Fördermittel bereitstellen. Der neue Förderschwerpunkt "Übersetzungsfunktion von Geisteswissenschaften" ist Teil des laufenden "Jahres der Geisteswissenschaften". Ziel sei es, die Zusammenarbeit der Museen mit Forschungseinrichtungen und Universitäten zu verbessern, erklärte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU).

Moderation: Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Seit dem Jahr 2000 gibt es die so genannten Wissenschaftsjahre. Ausgerichtet werden sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Initiative Wissenschaft im Dialog mit Geld und Öffentlichkeitsarbeit. In diesem Jahr steht die geisteswissenschaftliche Forschung im Fokus. Die wird zwar zum größten Teil an den Universitäten betrieben, aber nicht ausschließlich. Auch Museen, die ja vor allem sammeln und ausstellen, versuchen ihre Bestände zu erforschen, haben aber in der Regel nicht die finanziellen Mittel, um dies systematisch und umfassend zu leisten. Darum haben die drei größten Museumskomplexe Deutschlands und das Bundesforschungsministerium unter Annette Schavan eine "strategische Allianz" geschmiedet. Zusammen mit den Staatlichen Museen zu Berlin, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen hat die Ministerin ein neues Förderprogramm aufgelegt. "Übersetzungsfunktion der Geisteswissenschaften" heißt es. Heute ist es in Berlin vorgestellt worden. Worum geht es dabei im Kern, habe ich Ministerin Annette Schavan gefragt.

    Annette Schavan: Im Kern geht es darum, dass in den Depots unserer Museen viele Objekte stehen, die bislang nicht bearbeitet sind, sie sind katalogisiert, aber die Frage der wissenschaftlichen Arbeit, die Frage, wie können wir das, was an möglichen Erkenntnissen damit verbunden ist, war noch nicht beantwortet. Da setzten wir an: Zusammenarbeit der Museen mit Forschungseinrichtungen, Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen soll helfen, Potenzial, das da ist, besser zu heben. Ich fand, das Jahr der Geisteswissenschaften ist eine gute Gelegenheit; ihnen mehr Möglichkeiten zu geben, aus dem großen Repertoire, das es da gibt, das zu nutzen für Forschung und damit auch die Brücke zu schlagen zwischen Geisteswissenschaften und den Museen als großen Stätten der Kultur.

    Schmitz: Übersetzungsfunktion der Geisteswissenschaften, wie gesagt, ist das Thema, Übersetzen also der zentrale Begriff hier. Geht es um Vergegenwärtigung des Kulturellen, möglicherweise schon vergessenen oder nicht mehr heute präsent ausreichenden kulturellen Erbens?

    Schavan: Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt, der eben zu tun hat mit kulturellem Gedächtnis. Ein anderer Gesichtspunkt ist Übersetzung im Sinne von Verständigung, also nicht nur in einem nationalen Kontext, und natürlich Übersetzung auch im Sinne von Übertragung. Die Geisteswissenschaften leisten einen hohe Transfer. Auch vieles, was im Kontext der Naturwissenschaften sich abspielt, erfährt Deutung und Übertragung. Im Blick auf diesen Forschungsschwerpunkt müsste es vermutlich vor allem mit einem großen Teil um Vergegenwärtigung gehen.

    Schmitz: Das heißt aber auch, Sie wollen den Geisteswissenschaften etwas auf die Beine helfen, die ja in ihrer Existenzberechtigung im Vergleich zu den Naturwissenschaften wohl etwas ins Hintertreffen geraten sind in dieser Gesellschaft.

    Schavan: Ja, das Jahr der Geisteswissenschaften soll nicht nur darstellen in der Öffentlichkeit, was in den Geisteswissenschaften gearbeitet wird, sondern es soll eben auch neue Instrumente der Forschungsförderung ermöglichen. Dazu gehören die internationalen Forschungskollegs, dazu gehört der Forschungsschwerpunkt heute und auch Weiteres. Mir fällt auf, dass es bis jetzt gut gelingt, mit diesen Forschungsschwerpunkten auch Brücken zwischen Geisteswissenschaften und der Kultur und den vielen Kulturschaffenden in unserem Land zu bauen.

    Schmitz: Das geht natürlich nicht ohne Geld. Wie sieht es damit aus, und welche Stellen sollen damit finanziert werden, wie viele konkret?

    Schavan: Wir werden für das Forschungsprogramm, das heute vorgestellt ist, jährlich fünf Millionen zur Verfügung stellen. Inwieweit damit Stellen finanziert werden oder die Anträge beinhalten mit Sachmitteln oder Finanzmitteln, die dann für vorübergehende Personalbeschaffung gebraucht werden, das hängt an den Anträgen, aber es wird wesentlich darum gehen, Stellen zu schaffen, für Nachwuchskräfte, für Nachwuchswissenschaftler, um dann diese Arbeit zu tun. Aber natürlich haben wir weitere deutliche Aufstockung von Mitteln. Ich erinnere an die internationalen Forschungskollegs. Da geht es um die 30 Millionen, die da zur Verfügung stehen, und wenn ich das jetzt noch zusammennehme mit dem Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union, wo erstmals die Geisteswissenschaften eine Rolle spielen, da sind es 700 Millionen Euro, dann glaube ich, haben wir jetzt deutlich aufgeholt, was die Finanzinvestitionen angeht.