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Geistiges Spoken-Word-Erbe

Vor zwei Jahren ist der Spoken-Word-Performer, Musiker und Schriftsteller Gil Scott-Heron in New York gestorben. Sein langjähriger musikalischer Begleiter Brian Jackson veröffentlicht nun das Album "Evolutionary Minded". Initiiert wurde es von Scott-Heron selbst sowie dem Hip-Hop-DJ Kentyah Fraser.

Von Christian Lehner | 22.10.2013
    "Jedes System braucht Außenseiter, damit es funktioniert. Und wir waren diese Außenseiter."

    Die USA in den 1960er Jahren: Die Bürgerrechtsbewegung rund um Martin Luther King Jr. demonstriert für Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung. Die Polizei reagiert häufig mit Gewalt. Es kommt zu Auschreitungen im ganzen Land.

    Die Protestbewegung radikalisiert sich. Black Panthers und andere gewaltbereite Gruppen fordern das Establishment heraus. In diesem Klima von Hass und Aufruhr taucht ein junger, schwarzer Poet auf, der wortgewaltig auf die Missstände hinweist. Sein Name: Gil Scott-Heron.

    Die Musik zu seinen flammenden Gedichten hat Brian Jackson geschrieben. In einer Hotellobby in Manhattan erinnert sich Jackson an seinen langjährigen Wegbegleiter.

    "Sein Afro war riesig! Wir haben uns auf der Lincoln Universität kennengelernt. Da waren wir noch Teenager. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und haben dann sofort losgelegt, miteinander zu musizieren. Das war 1969. Zwei Jahre später erschien unser Debütalbum 'Pieces Of A Man'."

    Zwei Jahre nach Gil Scott-Herons Tod ist nun das Album "Evolutionary Minded" erschienen. Brian Jackson und der Hip Hop-Produzent Kenytha Fraser haben das Projekt gemeinsam ins Leben gerufen.

    Song – Evolutionary Minded "Opponent"

    "Was wir da gemacht haben, ist kein Tribute-Album; sondern wir wollen das Erbe von Gil Scott-Heron weiter führen. Brian Jackson, die zweite Hälfte dieses Duos, lebt ja noch, er sitzt ja neben mir. Um das Erbe der beiden weiter zu entwickeln, haben wir Fragmente alter Texte und Songs genommen und sie zeitgenössischen Musikern zur weiteren Bearbeitung gegeben."

    Die Gästeliste auf "Evolutionary Minded" kann sich sehen lassen. Mit dabei sind Mitglieder von The Roots, der Band von Miles Davis, dem Wu Tang Clan, Dead Prez. und Jazz-Superstar Gregory Porter.

    Trotz sozialkritischer Texte ist "Evolutionary Minded" ein geschmeidiges Album geworden. Es swingt zwischen Soul, Fusion, Jazz, Hip-Hop und Funk – ganz im Geiste des Scott-Heron/Jackson-Gesamtwerkes. So wird etwa der Scott-Heron Klassiker "Third World Revolution" in den Händen von Public Enemys Chuck D und Killah Priest vom Wu Tang Clan zum Öko-Protest-Rap "Re-Evolution". Jüngere Musikerkollegen erzählen ihm immer wieder, dass sie sehr von unseren alten Songs beeinflusst worden sind, sagt Brian Jackson. (?)

    "Die Themen in unseren Songs wurden bei Jüngeren zum Ausgangpunkt für eigene Texte. Unter diesen Musikern sind auch viele wichtige Hip-Hop-Acts. Das hat mich natürlich sehr gefreut. Ich dachte mir: Wäre es nicht schön, wenn sie unsere Stücke als Fundament für eigene Songs verwenden würden?"

    "Evolutionary Minded", schließt die Protestkultur der sechziger und siebziger Jahre mit dem Hier und Jetzt kurz. Gesungen und gerappt wird über Umweltzerstörung, die Finanzkrise und rassistische Polizeipraktiken. Gil-Scott-Herons Geist muss wach bleiben, so Jackson abschließend.

    "Im Grunde haben wir noch immer dieselben Probleme wie früher. Ein schwarzer Präsident macht da keinen großen Unterschied. Ich will nicht sagen, dass es unmöglich ist, aber etwas nachhaltig zu verändern, das ist heute schwieriger denn je! Die Revolution hat ausgedient. Was wir jetzt brauchen, ist eine evolutionäre Entwicklung des Bewusstseins: "Evolutionary Minded" eben."