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Gekonnt den Ton treffen

Physiologie. - Für Normalsterbliche ist schon das fehlerlose Singen schwieriger Partien eine Kunst. Doch wie schaffen Sänger es, auch bei starken Umweltgeräuschen, etwa einem Fortissimo spielenden Orchester, den richtigen ton zu treffen? Um diese Frage ging es unter anderem auf dem 13. Leipziger Phoniatrie-Symposium.

    "Neben dem Hörsystem gibt es noch eine kinästhetische Kontrolle. Das sind im Kehlkopfinneren kleine Muskelspindeln, die elektrische Impulse über den Spannungszustand der Kehlkopfmuskeln weiterleiten", erklärt der Arzt und diplomierte Sänger Dirk Mürbe. Diese Sensoren melden, welcher Anblasdruck für den Gesang zur Verfügung steht. Um ihre Funktion zu überprüfen ließ Mürbe Gesangsstudenten Tonleitern singen. Einmal hörten sie dabei ihre Stimme, ein anderes Mal hatten sie Kopfhörer auf und konnten sich nicht hören. Elektroden am Hals nahmen bei beiden Malen ein so genanntes Elektroglottogramm auf. Zusammen mit dem Mikrofonsignal konnte aus diesem die Tonhöhe berechnet werden.

    Das Ergebnis war überraschend. "Wir fanden, dass das kinästhetische System sehr gut funktioniert und die Sänger auch mit tauben Ohren die Töne sehr gut treffen", erklärt Mürbe. Der Unterschied betrug nicht mehr als ein Fünftel eines Halbtons. Ein geschulter Hörer dürfte das allerdings noch hören. Überdies arbeitet das kinästhetische System schneller als das Gehör. "Man muss annehmen, dass die Kinästhetik allein auf reflektorischen Vorgängen basiert, also ein relativ schneller Regelkreis ist", so Mürbe.

    [Quelle: Hartmut Schade]