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Gelbe Geschmacksverbesserung

Landwirtschaft. - Wer sich noch an den "sauren Regen", der saure Regen, der Ende der 70er Jahre Unmengen an Schwefel auf den Boden brachte? Vor allem bei der Verfeuerung schwefelhaltiger Erdölprodukte und Kohle wurden damals große Mengen Schwefeldioxyd in die Atmosphäre abgegeben. Aus dieser Verbindung entstanden Sulfate. Und der Niederschlag aus sulfathaltigen Wolken, der saure Regen eben, sorgte für erhebliche Schäden in der Natur, vor allem in den Wäldern. Seitdem ist viel passiert, schwefelarme Treibstoffe wurden eingeführt, die Kraftwerke "sauberer" gemacht durch teure Filter, doch das schlechte Image von Schwefel ist geblieben. Zu unrecht, wie die Forscher der Bundesanstalt für Landwirtschaft herausgefunden haben. Sie erforschen seit 15 Jahren in Braunschweig die nutzbringenden Eigenschaften des Naturstoffes.

Von Axel Hammerl | 06.05.2004
    Das ist Senf. Senf ist eine dieser typischen Pflanzen mit schwefelhaltigen Inhaltsstoffen. Wenn Sie jetzt mal etwas davon nehmen, riechen daran, riecht nach nichts, nehmen es in den Mund, schmeckt auch nach nichts. Und jetzt fangen Sie langsam an, die zu zerbeißen. Das sind die schwefelhaltigen Inhaltsstoffe des Senfes, die sogenannten Glykosynolate, die in dem Senfkörnchen inaktiviert sind. Und Sie merken selbst, jetzt wird’s scharf auf der Zunge, wenn Sie’s zerbeißen und es kommt mit Feuchtigkeit in Verbindung, dann setzen Enzyme diese schwefelhaltigen Wirkstoffe frei.

    Schwefel ist nicht nur bei Senf der Scharfmacher. Das gilt auch für die Zwiebel, den Knoblauch und den Meerrettich. Und auch vielen anderen Pflanzen verleiht eine Schwefelverbindung ihr typisches Aroma, wie etwa beim Spargel, bei Ruccola und allen Kohl- und Kressearten. Viel Schwefel, viel Geschmack - dieser Zusammenhang war zunächst nur eine Vermutung der Wissenschaftler, die sich in jahrelangen Versuchen bestätigte.

    Die Versuche zeigen im Prinzip alle, dass, wenn wir eine schlechte Schwefelversorgung haben, dass wir dann auch sehr geringe Gehalte an den Stoffen haben, die den Geschmack beeinflussen.

    Sagt Elke Bloem, die am Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde die Inhaltsstoffe der Pflanzen analysiert. Dazu werden im Gewächshaus des Instituts im Moment Raps und Spargel gezogen.

    Unter den Deckeln von 25 großen grünen Regentonnen wächst Spargel heran.

    In den Gefäßen haben wir im Gegensatz zum Feldversuch kontrollierte Bedingungen, d.h. wir haben hier ein genau eingestelltes Düngeregime mit Schwefelversorgung und Stickstoffversorgung. Und das haben wir im Feldversuch niemals, weil wir dort die Quellen aus der Atmosphäre, aus dem Untergrund – Grundwasser und solche Sachen – nicht genau einschätzen können.

    Die Quellen aus der Atmosphäre, das waren in den 70er Jahren noch 100 Kilogramm Schwefel pro Hektar. Die Umweltschutzmaßnahmen, die damals eingeleitet wurden, führten dazu, dass heute weniger als 10 Kilogramm pro Hektar auf den Boden gelangen. Schwefel-Mangel ist daher in Nordeuropa mittlerweile zur häufigsten Ernährungsstörung an Kulturpflanzen geworden, sagen die Braunschweiger Wissenschaftler. Augenscheinlich wird das beim Raps, der jetzt blüht. Hat er zu wenig Schwefel, dann sind seine Blüten kleiner und weiß, statt gelb. Der Mangel ist relativ einfach zu beheben - durch Düngung:

    Es gibt eine ganze Reihe von Düngemitteln, die den Anforderungen des ökologischen Landbaus entsprechen, da sie naturnah sind. Man kann Gipse kaufen, bergbaulich gewonnener Gips, also nicht den Gips aus der Rauchgasentschwefelung, sondern Naturgips enthält Schwefel, den man düngen kann. Man kann elementaren Schwefel kaufen, die sogenannte Schwefelblüte.

    Ewald Schnug empfiehlt 5 bis 10 Gramm pro Quadratmeter. Die Gefahr, zu überdüngen sei allerdings beim Schwefel nicht sehr groß, anders als beim Stickstoff etwa.
    Die richtige Schwefelzufuhr sorgt nicht nur für einen besseren Geschmack, haben die Wissenschaftler am Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde herausgefunden, sie steigert auch die Gesundheit der Pflanzen. Und das auf umweltverträgliche Weise, d.h. ohne Pflanzenschutzmittel:

    Diese Wirkstoffe in den Pflanzen helfen den Pflanzen ja auch, gegen Krankheiten zu kämpfen. D.h. wenn es mir gelingt, eine Pflanze besser mit Schwefel zu ernähren, dann ist sie auch widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge.

    Konkret forschen zurzeit sieben Institute daran, wie man den Pilzbefall bestimmter Pflanzen durch Schwefeldüngung in den Griff bekommen kann. Und noch einem weiteren Aspekt schenken die Braunschweiger Forscher seit Jahren ihre Aufmerksamkeit: Pflanzen, die besonders viel Schwefel brauchen – wie Senf, Meerrettich, Zwiebel, Knoblauch oder Spargel - sind für ihre Heilwirkungen bekannt. Sie schützen vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese heilenden Kräfte wollen Ewald Schnug und seine Kollegen erhöhen. Ein internationales Projekt, an dem auch Forschungseinrichtungen in Ägypten und China mitwirken.

    Wir versuchen insbesondere auch Pflanzen herzustellen mit sehr hohen Gehalten an Inhaltsstoffen für die pharmazeutische Industrie. Vereinfacht gesagt, eine pulverisierte Pflanzensubstanz von sehr genau definierter Qualität, d.h. hohen Gehalt von diesem Wirkstoff, wo man direkt dann eine Pille oder ein Medikament daraus fabrizieren kann.

    Gerade hat das Institut ein neues Projekt auf diesem Gebiet bewilligt bekommen. Die medizinischen Wirkstoffe der Kapuzinerkresse sollen dank Schwefel so hoch konzentriert werden, dass es nicht mehr nötig ist, sie mit Alkohol zu destillieren.