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Gelbe Karte für Elektrosmog-Kanonen

Technik. - Die Strahlenbelastung durch Elektrosmog und die damit möglicherweise verbundene Gefahr wird zunehmend ernst genommen, auch wenn die dabei erzielten Dosen eingefleischten Physikern oft geradezu homöopathisch anmuten. Zwar wurde die Diskussion um die unsichtbare Bedrohung vor allem durch die massive Verbreitung von Handys und ständig weiter aus dem Boden schießenden Mobilfunk-Sendemasten ausgelöst, doch bei einer Änderung der Bundesemissionsschutzverordnung wären nicht zuletzt auch Rundfunksendeanlagen betroffen.

    Mobilfunksender und ihre Pendants für Hörfunk- und Fernsehprogramme sind nur sehr bedingt miteinander vergleichbar, denn während die Sendemasten für die leistungsarmen Handys vor allem an exponierten Stellen in Ballungsgebieten zahlreich aufgestellt werden, stehen die Großantennen der Rundfunkstationen oft auf freiem Land und meist fernab von Siedlungen. Allerdings ist ihre Sendeleistung dafür erheblich größer. Trotzdem bedeute dies nicht automatisch, dass man in der Umgebung von Radiosendern automatisch auch einem erheblichen elektromagnetischem Feld ausgesetzt sei, denn dies variiere mit den emittierten Wellen, erklärt Peter Pfirstinger, Leiter der Hauptabteilung Programmdistribution beim Bayrischen Rundfunk: "Bei den Kurz- und Langwellensendern sind die Felder in der Nähe sehr stark, während die Antennen von Ultrakurzwellen- und Fernsehsendern so hoch über dem Grund montiert werden, dass man in der unmittelbaren Umgebung den besten Schutz vor der Strahlung genießt."

    Doch nicht nur wegen der unterschiedlichen Bedingungen bei den Elektrosmogquellen lehnt Pfirstinger eine pauschalisierte Senkung der Grenzwerte ab, und verweist dabei auf die nahezu 80 Jahre Erfahrung im Betrieb von Rundfunksendern, die keine Hinweise auf eine Gefährdung von Menschen geliefert habe. Andererseits würde aber eine Absenkung der Grenzwerte auf ein Zehntel des heutigen Wertes auch eine proportionale Verringerung der Sendeleistung mit sich bringen. Dann aber wären Radio- und Fernsehprogramme in einigen Landstrichen kaum oder nur unter starken Qualitätseinbußen zu empfangen. Die gesetzlich garantierte Grundversorgung müsste dann aber theoretisch mit neuen Sendern wieder hergestellt werden. Dass die Gemeinden aber allein die dafür nötigen Baugenehmigungen erteilten, hält Peter Pfirstinger angesichts der Bürgerinitiativen gegen Mobilfunkmasten für unwahrscheinlich.

    Auch Peter Wiedmann vom Forschungszentrum Jülich, Autor eines Gutachtens über Risikoabschätzung und mögliche Vorsorgekonzepte bei nichtionisierender Strahlung, ist überzeugt, dass eine Absenkung der Grenzwerte nach dem Vorbild der Schweiz eher das Gegenteil des Angestrebten bewirken würde. Eine solche Grenzwertänderung würde wahrscheinlich in der Bevölkerung kaum als Prävention aufgefasst, sondern eher den Verdacht noch verstärken, dass eine echte Gefahr von den Anlagen ausgehe. Trotzdem gilt eine Senkung der Emissionsgrenzwerte als wahrscheinlich. Einen Ausweg aus dem Dilemma bietet die Digitaltechnik, deren Sendeleistungen deutlich unter jenen heutiger, analoger Systeme liegt.

    [Quelle: Wolfgang Nitschke]