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Geld dank Gülle

Auszeichnungen. - Zum 42. Mal wurden in Hamburg am vergangenen Wochenende die besten Jungforscher Deutschlands geehrt. In sieben unterschiedlichen Disziplinen traten die jeweiligen Landessieger gegeneinander an, um die -Juroren von ihren Projekten zu überzeugen. Das Thema Umwelt stand dabei im Vordergrund.

Von Frank Grotelüschen |
    Das Projekt begann in einer Tropfsteinhöhle: Dort beobachteten Henrike Wilms und Florian Ostermeier aus dem baden-württembergischen Tettnang einen eigenartigen Lichteffekt: Immer wenn ein Tropfen von der Höhlendecke fiel, schien er in einer bestimmten Höhe aufzublitzen, schien das Licht der Grubenlampe besonders stark zu reflektieren. Unsicher, ob sie einer optischen Täuschung aufgesessen waren, erdachten sich die beiden ein Experiment: Eine Pipette, aus der Wasser tropft, und eine Lampe, die die Tropfen anstrahlt, Und siehe da – den merkwürdigen Lichteffekt gibt es wirklich:

    "Sie sehen jetzt von hier, von einem Winkel von circa 40 Grad rhythmisch unterbrochene Striche, Lichtblitze auf bestimmten Höhen. Und wenn Sie jetzt weitergehen, dann sehen Sie bei großen Winkel wie zum Beispiel hier bei 170 Grad etwa, dass es eine durchgehende Reflexion gibt, die auf jeder Höhe gleich ist."

    Auf des Rätsels Lösung stießen die beiden, als sie den Prozess mit Hilfe von Lichtschranke und Digitalkamera haarklein analysierten:

    "Das liegt daran, dass der Tropfen, während er fällt, seine Form verändert. Er ist nicht die ganze Zeit kugelförmig, sondern verändert seine Form zwischen verschiedenen Ellipsenformen. Dadurch ändern sich die Brechverhältnisse, und manchmal wird Licht reflektiert und manchmal nicht."

    Das Lichtmuster hängt also davon ab, welche Form der Tropfen gerade während des Fallens hat – ob rund oder elliptisch. So weit, so gut, aber lässt sich dieser Erkenntnis auch etwas anfangen? Ja, sagt Henrike Wilms:

    "Der Effekt ist letztendlich abhängig von der Oberflächenspannung. Was man sich überlegen könnte ist, dass man die Oberflächenspannung überprüft mit dem Effekt. Es kann bestimmte Situationen geben, wo so eine Anwendung passend wäre."

    Genau so ein Messgerät wollen Wilms und Ostermeier jetzt bauen. Denn sie haben nicht nur den Bundessieg in Fachgebiet Physik geschafft, sondern zählen auch zu jenen drei Teams, die nach Valencia zum europäischen Jugend forscht-Wettbewerb fahren, um dort für Deutschland anzutreten. Anfang September läuft der Wettbewerb. Bis dahin gibt’s noch einiges zu tun.

    "Sommerferien! Genug Zeit zum Forschen."

    Ebenfalls nach Valencia fährt Florian Schnös: Der 18-Jährige aus Niederwerrn bei Schweinfurt gewann den 1. Preis im Fachgebiet Technik – und zwar dafür, dass er eine besondere Kamera entwickelt hat.

    "Es ist eine 3D-Kamera. Die liefert nicht wie eine gewöhnliche Kamera ein zweidimensionales Bild, sondern zu jedem einzelnen Bildpunkt wird eine konkrete Entfernung geliefert. Man kann dann zu jedem Objekt, das im Sichtfeld der Kamera liegt, genau sagen, wie weit es von der Kamera entfernt ist."

    Die Kamera ist nicht größer als eine handelsübliche Digitalkamera. Der Unterschied: Sie hat nicht ein Objektiv, sondern zwei nebeneinander. Doch wie sehen die dreidimensionalen Bilder aus? Florian Schnös nimmt eines auf und zeigt es auf seinem Laptop.

    "Ich kann jetzt hier – ich mach’s mal ganz kurz – ein 3D-Bild erstellen. Und man sieht jetzt ganz deutlich, dass hier die Personen, die direkt am Stand stehen, weiter an der Kamera liegen als zum Beispiel der andere Stand dort auf der Seite."

    Der Clou: Das Gerät kostet an Material ganze 35 Euro. Damit könnte man, glaubt Schnös, Robotern preisgünstig das räumliche Sehen beibringen.

    "Das kann man sehr vielfältig in der Industrie einsetzen, zum Beispiel, um so einen Roboter zu steuern. Der kann dann mit einem Menschen an Produkten arbeiten oder die Produkte komplett autonom, ohne die Hilfe von Menschen, bearbeiten oder erfassen."

    Deutlich bodenständiger ist das Projekt, mit dem die Geschwister Milan und Dragana Gerovac aus dem hessischen Neu-Isenburg ihren Preis gewonnen haben – den Preis für die beste interdisziplinäre Arbeit. Das Motto: Wie lässt sich Gülle möglichst elegant zu Geld machen?

    "Wir haben aus Gülle einen Wertstoff gemacht, einen hochwertigen Dünger – Magnesiumammoniumphosphat. Und dieser Dünger ist schwer löslich, sodass er nicht ins Grundwasser gelangt. Deshalb bleibt er im Boden, bis er komplett von den Pflanzen aufgenommen wird."

    Um den Dünger herzustellen, konstruierten die beiden einen biochemischen Reaktor. Hinein kommen Gülle, Stroh und ein paar Magnesium- und phospathaltige Chemikalien. Im Reaktor machen sich Pilze über dieses Gemisch her, und heraus kommt der hochwertige Dünger als Feststoff sowie ein flüssiger Rest, aus dem sich Biogas gewinnen lässt.

    "Wir leisten damit auch einen Beitrag zum Klimaschutz. Denn dieses Ammonium, was wir quasi wegfangen in unserem hochwertigen Dünger, wird normalerweise von den Bakterien teilweise zu Lachgas umgesetzt. Und das ist eines der stärksten Treibhausgase überhaupt. Bei diesen gigantischen Mengen, die ausgebracht werden, trägt es zur Klimaerwärmung bei. Und das könnten wir dadurch reduzieren."

    Im Herbst, so hoffen die Geschwister, könnte das Verfahren erstmals zum Einsatz kommen – bei einer Biogasanlage in Darmstadt.