Archiv


Geldhahn auf, Geldhahn zu

Das Breslauer Opernhaus geriet durch das Oderhochwasser von 1997 in Gefahr. Es gab sofort Pläne um das Haus zu retten und zu renovieren, aber es gab kein Geld. Acht Jahre lang genehmigten die jeweils neuen Regierungen abwechselnd die Fördermittel oder drehten den Geldhahn zu. Jetzt wurde mit der Oper "Halka" Wiedereröffnung gefeiert.

Von Ullrich Bohn |
    Wunder dauern bekanntlich etwas länger. Dieses Sprichwort hat sich in der schlesischen Stadt Wroclaw wieder mal zur Gänze bewahrheitet. Denn als das klassizistische Opernhaus der schlesischen Metropole durch das Oderhochwasser von 1997 massiv in Gefahr geriet, sogar Einsturzgefahr bestand, da der Grundwasserspiegel dramatisch anstieg und Teile des Mauerwerks um fast 15 Prozent absackten, da gab es natürlich sofort Pläne für eine Absicherung des Hauses, auch für eine umfassende und sowieso fällige Renovierung vor allem des Zuschauerraumes, aber es gab wieder einmal kein Geld.

    Da in allen finanziellen Fragen in Polen Warschau zuständig ist, bei der Genehmigung und der Vergabe sämtlicher Gelder stets die Zentralregierung das letzte Wort hat und die Wiederherstellung der Breslauer Oper damit zu einem Spielball der Politik wurde. Hans-Peter Lehmann, Hannover ehemaliger Opernintendant, der schon seit gut zehn Jahren in Polen künstlerisch tätig ist, zunächst in Posen, und jetzt in Breslau Wagners "Ring" verwirklicht, kann von diesen finanzpolitischen Unwegbarkeiten ebenfalls ein Lied singen:

    "Da die gesellschaftliche Umwandlung, die dort in Polen vor sich gegangen ist, noch längst nicht zum Abschluss gekommen ist. Diese ganze Entwicklung hat auch Verwerfungen innerhalb der polnischen Gesellschaft mit sich gebracht. Es wechselten ständig die Regierungen, und es war dann so, dass die eine Regierung die Oper unterstützte, und die nächste schon wieder den Geldhahn zudrehte. Daß heißt, zwischen Bauphasen und Ruhephasen, die erzwungen waren, durch nicht vorhandene Subventionen, gab es immer große Einschnitte."

    So wurden alle künstlerischen Pläne immer wieder über den Haufen geworfen, bestimmte das Improvisieren den Alltag in der Oper Wroclaw, wurde doch die ursprünglich geplante Wiedereröffnung im Jahre 2001 zunächst auf 2003 und schließlich auf den Herbst 2005 verschoben. Währendessen begann für die Intendantin und Generalmusikdirektorin Ewa Michnik und ihr Ensemble eine regelrechte Odyssee, letztlich sogar ein hierzulande kaum vorstellbarer künstlerischer Überlebenskampf, dem Hans-Peter Lehmann große Bewunderung zollt:

    "Das ist vor allem dem Durchhaltewillen und der Begeisterungsfähigkeit der Intendantin zuzuschreiben, zum anderen aber auch dem wirklichen Können des Ensembles, dann auch der Grundmusikalität der Polen."

    Unermüdlich fahndete Ewa Michnik, ein weibliches Pendant zu Valeri Gergijew und seinem Marjinsky-Theater, nach Spielorten für ihr heimatloses Ensemble. Kirchen und Museen wurden bespielt. Auch hinter dem eisernen Vorhang, wenn die Bauarbeiten mal wieder ruhten, entstand ein Notbehelf für Opernaufführungen. Ein riesiger schwimmender Ponton auf der Oder diente als Bühne und als Krönung quasi wird seit drei Jahren in der Hala Ludova, der Jahrhunderthalle, gebaut in den 1920er Jah-ren, Wagners "Ring des Nibelungen" geschmiedet.

    Eröffnet wurde das äußerst stilvoll renovierte Opernhaus von Wroclaw in diesen Tagen mit Stanislaw Moniuszkos Oper "Halka", mit der auch vor genau 60 Jahren, am 8. September 1945, die polnische Opernbühne im zerstörten Breslau ihre Tätigkeit aufnahm, wie Ewa Michnik erzählt:

    "Viele Leute aus Warschau und Krakau und auch aus Breslau, deutsche und polnische Musiker, die wollten erstmals ein polnisches Stück auf einer deut-schen Bühne spielen."

    Wie bei uns Mozarts "Zauberflöte", so gehört "Halka" des Weber-Zeitgenossen Stanislaw Moniuszko zum festen Bestandteil polnischer Opernbühnen. Erzählt wird die Geschichte der Bauernmagd Halka, deren Herr Janusch ihr zwar die Treue versprochen und sie auch geschwängert hat, dann aber doch eine Adlige erwählt. Halka sich nach ihm verzehrt und letztlich den Freitod wählt.

    Die Aufführung in einem recht modernen, symbolhaften Bühnenbild ist lebendig, zuweilen aber auch sehr betulich. Und die durchweg romantische Musik, mit kleinen Anleihen bei Donizetti und Verdi wird auf hohem Niveau interpretiert, die sängerischen Leistungen sind stellenweise erstklassig.

    Für Ewa Michnik war diese Eröffnung zu diesem Zeitpunkt sehr wichtig, 60 Jahre nach Kriegsende. Denn wirklich fertig ist das Opernhaus in Wroclaw noch keineswegs. So fehlt beispielsweise noch das originale Gestühl:

    "In drei vier Monaten können wir wohl mit einem regulären Spielplan beginnen. Von der künstlerischen Seite her sind wir auch darauf vorbereitet, aber uns fehlt das Geld. Und zwar für unsere Premieren, die wir planen, aber auch für den Unterhalt dieses Hauses. Zur Wiedereröffnung war der Kulturminister aus Warschau anwesend, war auch sehr zufrieden, und versprach mehr finanzielle Unterstützung für unsere Oper.

    Aber bei uns in Polen finden im Dezember Wahlen statt, und dann wird sich zeigen, ob der jetzige Minister danach noch im Amt ist, Denn wir wollen 2006 zum Mozartjahr "Cosi fan tutte" und die "Zauberflöte" spielen, und wir wollen Wagners "Ring" vollenden. Bei uns in Polen müssen wir einfach Pläne für zwei bis drei Jahre im Voraus machen, aber wir wissen nie, ob wir das Geld dafür auch bekommen werden."