Christoph Schmitz: Zu Beginn nach Potsdam, zu einem Nachkommen des Philosophen Moses Mendelssohn, des Religionsreformers David Friedländer und des Historikers Hans-Joachim Schoeps. Letzterer ist sein Vater, dessen Profession er übernahm: Julius Schoeps. Julius Schoeps war bis zu seiner Emeritierung in diesem Jahr Professor für neuere Geschichte an der Universität Potsdam mit dem Schwerpunkt Jüdisch-Deutsche Geschichte. Seit 92 ist er Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien in Potsdam. Vor wenigen Tagen ist er 65 Jahre alt geworden, zu seinen Ehren finden seit Sonntagabend bis morgen Mittag ein Kongress in Potsdam statt zum Thema Philosemitismus in Geschichte und Gegenwart. "Geliebter Feind, gehasster Freund" lautet der Titel. Herr Schoeps, das deutsch-jüdische Verhältnis ist eines Ihrer Lebensthemen. Unter der Kategorie Antisemitismus ist es oft dargestellt worden, unter der des Philosemitismus wenig, obwohl beide ja zusammenhängen, welche Varianten des Philosemitismus in Bezug auf den Antisemitismus gibt es überhaupt?
Julius Schoeps: Auf unserer Tagung werden alle möglichen Aspekte diskutiert, von der Antike bis in die Gegenwart, und hoch gelehrte Themen, die meinetwegen sich mit dem Philosemitismus in der Antike bis in der frühen Neuzeit und ähnlichen Fragen beschäftigen, bis hin so zum Beispiel, wie ist der DDR-Film umgegangen mit der NS-Vergangenheit.
Schmitz: Erklären Sie uns doch bitte noch einmal den Begriff des Philosemitismus. Was ist damit gemeint, auch in Abgrenzung zum Antisemitismus?
Schoeps: Der Antisemitismus ist einst von Wilhelm Marr geprägt worden, 1879, Feindschaft gegen die Juden. Und Philosemitismus ist also eine Bewegung, die sagen wir mal von positiven Berührungen von Christen mit Juden spricht. Also Christen, die keine Vorurteile gegenüber Juden gehabt haben und haben.
Schmitz: Es gibt auch den christlichen Philosemitismus, der missionarisch ausgerichtet ist, es gibt einen biblischen, auch einen liberal-humanitären Philosemitismus. Steckt dahinter immer ein gewisser Argwohn gegenüber jüdischer Kultur und jüdischen Glaubens?
Schoeps: Na ja, es sind verschiedene Möglichkeiten gegeben. Einmal von denjenigen, die sich ihrer christlichen Identität versichern wollen und deswegen sich mit den jüdischen Wurzeln beschäftigen. Das ist eine Form von Philosemitismus. Dann gibt es diejenigen, die überzeugt sind vom Judentum, von der Religion des Judentums, von dem einen Gott, und dann zum Judentum übertreten, auch das hat es gegeben. Es gibt Sektierer und Sonderlinge, die sich mit dem Judentum beschäftigt haben auf christlicher Seite. Alles Fragen, die erforscht werden müssen und jetzt zunehmend auf Interesse stoßen.
Schmitz: Sie sprachen vorhin vom Philosemitismus in der DDR. Wie war es denn nach '45 in Westdeutschland?
Schoeps: Nach '45 in Westdeutschland war es eine Zeit erst einmal der Verdrängung. Es wurde lange Jahre überhaupt nicht über das Verhältnis Judentum/Christentum, Christentum/Judentum diskutiert. Das hat erst angefangen, würde ich sagen, so in den 60er, 70er Jahren. Und das ist heute kein Thema mehr, wenn man so will. Interessanterweise ist immer behauptet worden, in der DDR hätte man sich nicht mit der deutsch-jüdischen Geschichte und ihrer Probleme auseinandergesetzt. Wir haben auf dieser Tagung erfahren, da kann keine Rede von sein. Es sind zahlreiche Filme gewesen, lange vor Steven Spielbergs "Holocaust", die im DDR-Fernsehen gezeigt wurden. Also das war aufregend.
Schmitz: Die Konferenz in Potsdam versucht ja, den Philosemitismus politisch, gesellschaftlich und kulturgeschichtlich zu deuten, also sehr breit im Spektrum mit den Koryphäen des Faches, auch die internationale Perspektive ist hier integriert. Welcher Aspekt in den letzten zwei Tagen hat Sie besonders aufmerken lassen?
Schoeps: Insbesondere die Auseinandersetzung nach dem Holocaust nach der Shoa im Zusammenhang mit Christen, Juden, das ist ganz aufregend. Weil da stellen wir doch eben fest, dass hier einiges in Bewegung geraten ist. Auf christlicher Seite versucht man, den Ort oder den christlichen Ort gegenüber dem Judentum zu bestimmen, und das ist schon eine Verbesserung dieses Verhältnisses. Und ich meine, es kann nicht schaden, sich mit solchen Fragen wie dem Philosemitismus auseinandersetzen, nach den Begrifflichkeiten zu fragen, was ist das eigentlich.
Schmitz: Ein Blick nach vorn: In Deutschland, wie schätzen Sie die Situation ein, wie wird sich das Verhältnis zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Bürgern hier entwickeln? Wir haben es gerade schon angedeutet.
Schoeps: Ich bin skeptisch, was die künftige Entwicklung angeht, weil zunehmend das jüdische Thema an Interesse verliert in Deutschland. Jetzt diskutiert man über den Islam, das ist den Menschen wichtiger usw. usf. Man muss sehr aufpassen, dass man bestimmte Fragen, die wichtig sind für eine christlich-deutsche Identität, nicht aus dem Blick verliert.
Julius Schoeps: Auf unserer Tagung werden alle möglichen Aspekte diskutiert, von der Antike bis in die Gegenwart, und hoch gelehrte Themen, die meinetwegen sich mit dem Philosemitismus in der Antike bis in der frühen Neuzeit und ähnlichen Fragen beschäftigen, bis hin so zum Beispiel, wie ist der DDR-Film umgegangen mit der NS-Vergangenheit.
Schmitz: Erklären Sie uns doch bitte noch einmal den Begriff des Philosemitismus. Was ist damit gemeint, auch in Abgrenzung zum Antisemitismus?
Schoeps: Der Antisemitismus ist einst von Wilhelm Marr geprägt worden, 1879, Feindschaft gegen die Juden. Und Philosemitismus ist also eine Bewegung, die sagen wir mal von positiven Berührungen von Christen mit Juden spricht. Also Christen, die keine Vorurteile gegenüber Juden gehabt haben und haben.
Schmitz: Es gibt auch den christlichen Philosemitismus, der missionarisch ausgerichtet ist, es gibt einen biblischen, auch einen liberal-humanitären Philosemitismus. Steckt dahinter immer ein gewisser Argwohn gegenüber jüdischer Kultur und jüdischen Glaubens?
Schoeps: Na ja, es sind verschiedene Möglichkeiten gegeben. Einmal von denjenigen, die sich ihrer christlichen Identität versichern wollen und deswegen sich mit den jüdischen Wurzeln beschäftigen. Das ist eine Form von Philosemitismus. Dann gibt es diejenigen, die überzeugt sind vom Judentum, von der Religion des Judentums, von dem einen Gott, und dann zum Judentum übertreten, auch das hat es gegeben. Es gibt Sektierer und Sonderlinge, die sich mit dem Judentum beschäftigt haben auf christlicher Seite. Alles Fragen, die erforscht werden müssen und jetzt zunehmend auf Interesse stoßen.
Schmitz: Sie sprachen vorhin vom Philosemitismus in der DDR. Wie war es denn nach '45 in Westdeutschland?
Schoeps: Nach '45 in Westdeutschland war es eine Zeit erst einmal der Verdrängung. Es wurde lange Jahre überhaupt nicht über das Verhältnis Judentum/Christentum, Christentum/Judentum diskutiert. Das hat erst angefangen, würde ich sagen, so in den 60er, 70er Jahren. Und das ist heute kein Thema mehr, wenn man so will. Interessanterweise ist immer behauptet worden, in der DDR hätte man sich nicht mit der deutsch-jüdischen Geschichte und ihrer Probleme auseinandergesetzt. Wir haben auf dieser Tagung erfahren, da kann keine Rede von sein. Es sind zahlreiche Filme gewesen, lange vor Steven Spielbergs "Holocaust", die im DDR-Fernsehen gezeigt wurden. Also das war aufregend.
Schmitz: Die Konferenz in Potsdam versucht ja, den Philosemitismus politisch, gesellschaftlich und kulturgeschichtlich zu deuten, also sehr breit im Spektrum mit den Koryphäen des Faches, auch die internationale Perspektive ist hier integriert. Welcher Aspekt in den letzten zwei Tagen hat Sie besonders aufmerken lassen?
Schoeps: Insbesondere die Auseinandersetzung nach dem Holocaust nach der Shoa im Zusammenhang mit Christen, Juden, das ist ganz aufregend. Weil da stellen wir doch eben fest, dass hier einiges in Bewegung geraten ist. Auf christlicher Seite versucht man, den Ort oder den christlichen Ort gegenüber dem Judentum zu bestimmen, und das ist schon eine Verbesserung dieses Verhältnisses. Und ich meine, es kann nicht schaden, sich mit solchen Fragen wie dem Philosemitismus auseinandersetzen, nach den Begrifflichkeiten zu fragen, was ist das eigentlich.
Schmitz: Ein Blick nach vorn: In Deutschland, wie schätzen Sie die Situation ein, wie wird sich das Verhältnis zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Bürgern hier entwickeln? Wir haben es gerade schon angedeutet.
Schoeps: Ich bin skeptisch, was die künftige Entwicklung angeht, weil zunehmend das jüdische Thema an Interesse verliert in Deutschland. Jetzt diskutiert man über den Islam, das ist den Menschen wichtiger usw. usf. Man muss sehr aufpassen, dass man bestimmte Fragen, die wichtig sind für eine christlich-deutsche Identität, nicht aus dem Blick verliert.