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Gemachtes Nest

Das kalifornische Suchmaschinen-Unternehmen hat diese Woche die Plattform "Google App Engine" gestartet. Künftig dürfen Software-Entwickler oder Firmen ihre Web-Applikationen auf den Google Servern hosten und zwar kostenlos.

Von Marcus Schuler |
    Ein Programmierer bekommt vermutlich glänzende Augen, wenn er an die Server-Farmen von Google denkt. Das Unternehmen unterhält weltweit ein komplexes und dicht verzweigtes Netzwerk, das aus tausenden Servern besteht. Das ist auch der Grund, weshalb man, wann immer man eine Suchanfrage an Google richtet, sehr schnell Ergebnisse ausgeliefert bekommt. Heißt: Die Antwortzeiten der Google-Server sind extrem kurz. Für Software-Entwickler, die Web-Anwendungen programmieren, ist deshalb die Nutzung solch einer Infrastruktur äußerst attraktiv.

    "Google ist der größte Rechenzentrums-Betreiber der Welt. Das heißt, Google hat nach unseren letzten Informationen mehr als 450.000 geclusterte Rechner im Einsatz. Das Besondere daran ist, die sind verteilt über die gesamte Welt. Sie sind aus Standard-Komponenten entwickelt worden, die man sich hier im normalen Supermarkt kaufen kann. Google hat darauf eine Entwicklungsumgebung entworfen, entwickelt und betrieben, die es erlaubt, diese Commodity-Komponenten so zu betreiben, dass sie extrem fehlertauglich und fehlerredundant sind."

    Das ist Veit Siegenheim. Der Diplom-Informatiker hat ein Buch über Google geschrieben und ist Geschäftsführer beim Beratungsunternehmen Accenture. Künftig können Entwickler also ihre lokal programmierte Software auf den Google-Servern betreiben. 500 Megabyte Speicherplatz stehen zur Verfügung sowie CPU-Zeit, also Rechenkapazität, und die entsprechende Bandbreite. 10.000 Nutzeraccounts hat Google für die Beta-Phase zur Verfügung gestellt. Und die waren bereits nach wenigen Stunden vergriffen. Spielregel für alle, die einen Zugang bekommen haben: Wenn die eingestellte Applikation unter fünf Millionen monatlichen Abfragen bleibt, kostet das Hosting gar nichts. Der Informatiker Veit Siegenheim:

    "Wenn man sich anschaut, dass die ersten 500 Megabyte kostenfrei angeboten werden und auch die Netzwerkbandbreiten sicher zu Cent-Betragen angeboten werden, so ist es für Entwickler sehr einfach, dort aktiv zu sein und ihre Anwendungen hosten zu lassen."

    Utility-Computing nennt sich die Auslagerung von Rechenkapazitäten. Im Unterschied zur Nutzung eines Webservers, der eine relativ einfache Aufgabe hat, nämlich Internetseiten auszuliefern, sind die Anforderungen an Server für Internet-Applikationen anspruchsvoller. Bisheriger Marktführer in diesem Segment ist das Internet-Kaufhaus Amazon, das überschüssige Rechner-Kapazität zur Verfügung stellt. Allerdings gegen Bares. Größter Unterschied zu Amazons S3-Service: Google erlaubt zurzeit nur Anwendungen, die in der Programmiersprache Python geschrieben sind. Der Grund: Python ist eine Sprache, die sich sehr gut kontrollieren lässt. Google-Experte Siegenheim:

    "Desgleichen mehr läuft Python in einer so genannten Sandbox. Das heißt, die Auswirkungen auf andere Komponenten von laufenden Python-Programmen können sehr gut kontrolliert und auch eingegrenzt werden. Python ist eigentlich eine gute Wahl. Und wenn man auch weiß, dass Google sämtliche internen Anwendungen zunächst mit Python entwickelt, dann liegt es auf der Hand, auch diese Sprache auszuwählen für das, was Google im Moment vor hat."

    Siegenheim hält den jüngsten Schachzug von Google für einen klugen Schritt. Denn dadurch stelle Google sicher, dass immer mehr Anwendungen nicht mehr ausschließlich lokal auf dem heimischen Rechner stattfinden, sondern ins Internet ausgelagert werden.

    "Wir werden meiner Meinung nach sehr viele neue Applikationen entwickelt sehen, das heißt, die Art und Weiße, wie mit Computern umgegangen wird und wie mit Applikationen umgegangen wird, wird sich meiner Ansicht nach auch verändern, das heißt, wir werden mehr gehostete, im Web lebende Applikationen sehen und damit auch einen Paradigmen-Bruch erleben, wo heute ja sehr viel auf den Computern vor Ort stattfindet und Applikationen in der Regel lokal betrieben werden."

    Aber auch Google wird von dieser Öffnung profitieren. Google könnte, so spekulieren Experten, seine Anzeigen beispielsweise in die Anwendungen integrieren.

    "Wobei ich das erst in einem zweiten oder dritten Schritt vermuten würde. Das heißt, die freundliche Einladung von Google, diese Anwendung zu nutzen, hat einen starken Eigennutz-Gedanken, nämlich der dominante Player in diesem Cloud-Computing zu werden, und insbesondere den Wettbewerbern, die heute sehr stark von lokal betriebenen Applikationen wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation ein Gegengewicht zu bieten, und so eine Plattform – durch Google kontrolliert – von vielen genutzt werden kann."

    Und das würde dann bedeuten, dass sich Google, wie in anderen Feldern auch, immer mehr auf Konkurrenz-Kurs begibt. Und zwar gerichtet gegen ein ganz bestimmtes Unternehmen.

    "Microsoft wäre meiner Einschätzung nach das am stärksten betroffene Unternehmen von dieser Entwicklung."