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Gemälde von großer Kraft

Das Kunstforum Wien widmet derzeit dem amerikanischen Maler Willem de Kooning (1904 - 1997) eine Retrospektive. Die gezeigten großformatigen Arbeiten vermitteln bis heute den Eindruck unerhörter Kraft. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, welchen Paukenschlag de Koonings Auftritt für die New Yorker Kunstwelt vor über 50 Jahren bedeutet hat.

Von Walter Kittel | 19.01.2005
    Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, welchen Paukenschlag und Einschnitt de Koonings Auftritt für die New Yorker Kunstwelt vor über 50 Jahren bedeutet hat. Besonders die in Wien gezeigten großformatigen Arbeiten vermitteln bis heute den Eindruck unerhörter Kraft. Wie es zu dem freien und befreiten Malen kommen konnte, ist freilich weiterhin ein Rätsel. In den 30er und 40er Jahren zeichnet sich in de Koonings Werk jedenfalls noch nichts ab von der später viel beschworenen Autonomie der New Yorker Kunstszene. De Kooning bleibt seinen europäischen Vorbildern lange verbunden.

    Besonders Picasso ist für ihn bis Mitte der 40er Jahre von maßgeblichem Einfluss. Picassos "blaue Periode", aber auch Anklänge an Dalí in dem Bild "Die Kuh springt über den Mond", treffen in der Ausstellung aufeinander. Geradezu abrupt folgt dann der Wechsel zu den ersten abstrakten schwarz-weiß Kompositionen. Auch das Motiv spitzbrüstiger, grinsender, zwischen den Malschichten fast verschwindender Frauenakte taucht Ende der 40er Jahre auf. Kurator Florian Steininger:

    Dieser Kampf mit der Leinwand, der war sicherlich am stärksten im Zusammenhang mit dem "Woman-Projekt", also in den 50er Jahren. Es folgt dann eine Phase, die viel selbstverständlicher ist, die viel lockerer ist, wo er sich frei macht, wo er souverän großformatige Pinselstriche hinsetzt und die Bilder wie aus einem Schwung, aus einem Wurf entstehen.

    Werke aus sechs Jahrzehnten sind in Wien zu sehen. Von zarten, frühen Bleistiftskizzen bis hin zu den großen, weit ausholenden Gesten des Spätwerks. Ein eigener Raum ist den Arbeiten aus den 80er Jahren gewidmet. Streifen- und Wellenbewegungen ziehen sich über die Leinwände. Es fehlt der sonst so wilde, malerische Gestus. Ruhig und friedlich fließen die Farben dahin. Als ob de Kooning im hohen Alter erlöst worden wäre von den Spannungen und Gegensätzen seines Werkes. Doch die Präsentation des Spätwerks ist unvollständig. Über 300 Arbeiten sollen in der letzten Phase seines Schaffens noch entstanden sein. De Kooning erkrankt in dieser Zeit, Alzheimer lautet die Diagnose, er malt jedoch weiter. In Wien zeigt man nur die bis 1987 gemalten Bilder. Doch was kam dann?

    Wo sich dann wieder Formen finden, die nicht so homogen fließen wie bis '87, sondern brüchiger sind, sperriger sind, kantiger sind, wo de Kooning was ganz anderes ausprobiert, aber da noch nicht so diese Einheit gefunden hat, da Werke zu schaffen, die als Werkblock dann wieder Gültigkeit haben.

    Von einem ersten großen Rückblick auf de Koonings Werk, acht Jahre nach dem Tod des Künstlers, hätte man erwarten dürfen, dass etwas mehr Licht auch auf das bis heute immer noch undurchsichtige letzte Kapitel seines Schaffens geworfen wird. Schon wegen der zu Lebzeiten des Künstlers kursierenden Gerüchte, etwa über allzu hilfsbereite Assistenten.

    Natürlich stimmt es auch, dass Farben angemischt worden sind von Assistenten. Dass die Leinwand grundiert worden ist, dass bei Projektionen geholfen worden ist. Sprich, dass de Kooning oft Papierarbeiten vergrößert auf die Leinwand projiziert hat. Und das da dann immer die Gesamtkomposition festgelegt worden ist. Aber was so die Kreativität und Entscheidung betrifft, sich zu entwickeln hin zu dieser leichten Malerei, das ist alles von de Kooning selber ausgegangen.

    In Wien wird auch der Versuch unternommen, de Kooning im Kontext anderer Maler zu sehen. Sein Einfluss war zweifellos groß. Aber bereits 1959 begegnet Robert Rauschenberg den pathosgeladenen, expressiven Gesten seines Freundes distanziert-ironisch. Eine Skizze de Koonings radiert Rauschenberg mit dessen Einverständnis einfach aus. Und obgleich in den Bildern von Wahrhol, Gerhard Richter oder der jüngeren Malergeneration manches an de Kooning erinnert, sind auch das kaum mehr als entfernte Zitate. Nach den Erfahrungen der Direktorin des Wiener Kunstforums Ingried Brugger wäre eine Retrospektive zu de Kooning ohne Zusammenarbeit mit der Stiftung seiner Tochter derzeit nicht möglich:

    Und diese Foundation wurde schon zu Lebzeiten gegründet, einfach um sich sozusagen der Zukunft und des Erbes von de Kooning anzunehmen. Ich denke, dass auch keine De-Kooning-Ausstellung machbar ist ohne diese Zusammenarbeit mit der Foundation. Die selber auch Leihgeber dieser Ausstellung ist, aber vor allem natürlich geholfen hat, zu Privatsammlungen vorzudringen, von denen wir vorab nichts gewusst haben.

    Die Interessen der de Kooning Foundation gelten als nicht ganz uneigennützig. Besonders aus dem hier verwalteten Spätwerk kommen immer wieder Bilder auf den Kunstmarkt. Verkauft werden sie zu Preisen, die für den sonst zu Rekordpreisen gehandelten Maler als gering gelten könnten. Größeren Einfluß auf die Gestaltung der jetzt gezeigten Ausstellung soll die Foundation nicht gehabt haben. Aber eine vollständige, auch das gesamte Spätwerk ausgewogen einbeziehende Retrospektive steht dennoch weiterhin aus.

    Service:

    Die Retrospektive "Willem de Kooning" ist im Kunsforum Wien vom 13. Januar bis 28. März 2005 zu sehen.

    Link:

    Kunstforum Wien: Willem de Kooning