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Gemeinsam entstehen - getrennt leuchten

Astronomie. - In der Milchstraße gibt es mehr als 100 Milliarden Sterne, einer davon ist unsere Sonne. Doch wie die Sterne entstehen, dazu sind noch viele Fragen offen. Über zwölf davon haben in dieser Woche gut 100 Astronomen aus aller Welt auf einem Workshop in Garching diskutiert.

Von Dirk Lorenzen |
    Sabine Mengel ist Astronomin bei der Europäischen Südsternwarte Eso. Mit dem Very Large Telescope, Europas Observatorium in der chilenischen Atacama-Wüste, blickt sie meist auf ihren Lieblingssternhaufen.

    "Westerlund 1 heißt er. In der Milchstraße ist das der massereichste junge Sternhaufen, den man entdeckt hat. Er ist sehr jung, fünf Millionen Jahre alt und hat 100.000 Sonnenmassen und in etwa so viele Sterne."

    100.000 junge Sterne ballen sich in einem Bereich von nur wenigen Lichtjahren Durchmesser. In der Umgebung der Sonne befinden sich in einem so kleinen Himmelsareal gerade mal ein paar Dutzend Sterne. Dagegen schwirren in Westerlund 1 die Sterne nur so umher.

    Derart massereiche Sternhaufen kennen die Astronomen sonst nur in anderen Galaxien. In unserer Milchstraße sind sie wegen der dicken Staubwolken sehr viel schwieriger zu entdecken. Mit Hilfe von Westerlund 1 und den anderen Haufen untersuchen Sabine Mengel und ihre Kollegen, ob Sterne Einzelgänger oder Herdentiere sind...

    "Das wird momentan heftig diskutiert, ob Sterne tatsächlich in der Mehrzahl sich in Haufen bilden, ob also auch die Sterne, die wir sehen, wie die Sonne und andere Einzelsterne, ob die vielleicht in einem Sternhaufen entstanden sind. Denn viele Sternhaufen, die man sieht, von denen denkt man jetzt, dass sie nur eine kurze Lebensdauer haben, also so wenige zehn Millionen Jahre, und sich dann auflösen und die Sterne an die Galaxie abgeben, verteilen, was man dann hinterher als Einzelsterne sehen würde."

    Die große Frage ist, warum die Sterne nicht in den Haufen zusammenbleiben. Eine entscheidende Rolle könnte die Art der Sterne im Haufen spielen. Denn wenn eine riesige Gas- und Staubwolke zusammenstürzt, sich verdichtet und schließlich im Innern Sterne bildet, dann entstehen dort viele "normale" kleine Sterne wie die Sonne, aber auch manche Sternriesen. Und die haben es in sich...

    "Sterne mit über 100 Sonnenmassen sind die, die die kürzeste Lebensdauer haben, und die als erste in einem Sternhaufen explodieren und zur Supernova werden. Wenn dann diese Energie eingebracht wird in den Sternhaufen, dann kann so etwas ausreichend sein, um den Sternhaufen zerbersten zu lassen oder sich auflösen zu lassen."

    Die massereichsten Sterne leuchten nur einige hunderttausend Jahre. Zum Vergleich: Unsere Sonne lebt gut zehn Milliarden Jahre lang. Doch die strahlend hellen Riesensterne explodieren schon kurz nach ihrer Entstehung. Dabei bringen sie den Sternhaufen, in dem sie sich gerade gebildet haben, ganz schön durcheinander.

    "Materie, die noch zwischen den Sternen vorhanden ist, die eigentlich noch auf die anderen meistens weniger massereichen Sterne sich hätte absetzen können, die wird dann ionisiert und durch Winde, sowohl Supernovae als auch massereiche Sterne haben ganz heftige Sternwinde, können die einfach aus dem Haufen raus geblasen werden."

    Entstehen in einem Sternhaufen ein paar extrem massereiche Sterne, so ist das das Todesurteil für den Haufen. Denn die Schwergewichte explodieren schnell, kochen das restliche Gas auf, fegen es aus dem Haufen und stoppen so die Entstehung weiterer Sterne und Planeten.

    "Es kann auch passieren, dass dann von dem Haufen nichts mehr als Haufen übrig ist, sondern durch die mangelnde Gravitation, weil die Sterne allein nicht mehr ausreichen, wird der Sternhaufen größer und größer und hört dann einfach mit dieser Expansion nicht mehr auf."

    Ohne das anziehende Gas im Haufen verlieren die Sterne ihren Halt und laufen davon. Sterne, die astronomisch gesehen "eben gerade" mit Zigtausenden anderen Sternen auf engstem Raum entstanden sind, ziehen plötzlich verwaist durch den Weltraum. Vielleicht hat auch die Sonne so ein Schicksal hinter sich. Für das Leben auf der Erde sicher ein Glücksfall: Denn Planeten haben bei Einzelsternen viel stabilere Bahnen als bei Sternen in dichten Haufen. Unter Sternen sind Einzelgänger lebensfreundlicher als Herdentiere.